Roman Jakobiak
Glas ist ein Symbolbaustoff der modernen Architektur. Der Wettbewerbsentwurf von Mies van der Rohe für ein Bürogebäude an der Friedrichstraße von 1921 gilt als erster Entwurf mit einer Ganzglasfassade. Das von Walter Gropius 1926 errichtete Werkstattgebäude des Bauhauses in Dessau hat eine vollständig verglaste Vorhangfassade. Der hohe Glasanteil dieser Gebäude drückt das Streben nach einer Entmaterialisierung der Architektur aus. In der Folge der Moderne entwickelt sich das Leitbild eines voll klimatisierten Innenraums, der durch die Fassade hermetisch vom Außenraum getrennt ist.
Der Ölpreisschock 1973 zeigte, dass dieses Konzept nicht mehr bezahlbar ist. Seitdem hat die Architektur aus dem traditionellen Wintergarten heraus ein Vokabular aktiver fassadenintegrierter Klimakomponenten entwickelt. Heute entscheidet sich die Energieeffizienz eines Gebäudes an der Fassade. Bei Beleuchtung, Lüftung und Wärme kann die Fassade aktiv Versorgungsaufgaben erfüllen, andererseits besitzt sie eine hohe Wärmedämmfähigkeit und Luftdichtheit.
Energiebilanz und Glasanteil
Der Glasanteil hat dabei eine Schlüsselstellung für die Energiebilanz eines Gebäudes. Verglasungen haben einen im Verhältnis zur Wand höheren Wärmedurchgangs-
koeffizienten und lassen die Solarstrahlung in das Gebäude hinein, bringen also die Gefahr sommerlicher Überhitzung mit sich. Aufgrund der hohen internen Wärmequellen besteht im Nichtwohnungsbau kaum mehr ein Heizbedarf. Die solare Deckung des Wärmebedarfs im Winter über südorientierte Fassaden spielt für die Dimensionierung der Glasflächen daher nur eine untergeordnete Rolle. Ein im Nichtwohnungsbau optimaler Glasanteil ermöglicht die Versorgungsaufgabe mit Tageslicht, vermeidet jedoch darüber hinausgehende Fensterflächen. Aber wie kann der angemessene Glasflächenanteil ermittelt werden?
Die DIN V 18599 erfordert eine differenzierte Abbildung des Gebäudes einschließlich der Versorgungstechnik. Sie kann zur Definition des richtigen Glasflächenanteils genutzt werden, wenn Fachkompetenz für die technische Gebäudeausrüstung bereits an der Vorentwurfsplanung beteiligt ist und wenn der in der Regel vielschrittige Prozess der energetischen Optimierung auch honoriert wird. Sie ermöglicht, Glasflächenanteil, Verglasungsart und Sonnenschutz integriert zu betrachten. In größeren Bauvorhaben sollte diese frühe integrierte energetische Betrachtung heute bereits Standard sein.
Ein Werkzeug, das es Architekten ermöglicht, auch ohne TGA-Planer den für Licht, Wärme und Kälte optimalen Glasflächenanteil zu ermitteln, ist die in Großbritannien entwickelte LT-Methode.
Ein Set aus Grafiken, konzentriert auf die Haupteinfluss größen des Gebäudeentwurfs, lässt die Versorgungstechnik jedoch weitgehend außer Acht. Solche einfachen Tools haben sich in der Vergangenheit nicht durchgesetzt. Aufgrund des gestiegenen Bewusstseins für den Energiebedarf von Gebäuden würden in Zukunft für kleinere Baumaßnahmen im Nichtwohnungsbau auch solche einfach zu beherrschenden Tools gebraucht. Beim Bauen im Bestand ist dagegen der Glasflächenanteil vorgegeben und es ist die für eine vorhandene Öffnungsgröße geeignete Verglasung zu wählen.
Zwei oder drei Schichten?
Die bei der Wahl des Glases hinsichtlich des Wärmedurchgangskoeffizienten wichtigste Entscheidung ist die zwischen einer Zwei- oder Dreifachverglasung. Bei Zweifach-Wärmeschutz- und Sonnenschutzverglasungen ist ein Ug-Wert von 1,1 W/(m²K) heute Standard. Mit Dreifachverglasungen ist ein Ug-Wert von bis zu 0,5 W/(m²K) möglich. Die bislang allerdings nur als Prototyp gefertigten Vakuumverglasungen erreichen ebenfalls einen derart niedrigen Wert. Für den Passivhausstandard sollte neben einer Dreifachverglasung auch ein thermisch optimierter Randverbund und Rahmen gewählt werden.
Sonnenschutzgläser dienen dazu, den sommerlichen Wärmeeintrag in ein Gebäude zu begrenzen. Dabei wird die Solarstrahlung nicht nur bei besonnter Fassade im Sommer, wenn sie unerwünscht ist, sondern auch bei bedecktem Himmel im Winter abgeschirmt. Für Sonnenschutzgläser bietet die Glasindustrie eine Vielzahl möglicher Beschichtungen an.
Es kann zwischen „leichtem Sonnenschutz“ mit einem gegenüber einer Wärmeschutz-
verglasung nur moderat verminderten Lichttransmissionsgrad und einem wirksamen Sonnenschutz mit entsprechend geringem Lichttransmissionsgrad gewählt werden. Sonnenschutzverglasungen mit geringem Lichttransmissionsgrad konterkarieren die Tageslichtversorgung und sind ein Indiz dafür, dass der Glasflächenanteil im Grunde zu hoch ist. Informationen über Eigenschaften typische Verglasungen bietet das vom BINE Informationsdienst herausgegebene Informationspaket „Energieeffiziente Fenster und Verglasungen“ und das Buch „Energieeffizient sanieren“.
Der richtige Sonnenschutz
Bei der Wahl von Sonnenschutzsystemen hat der Planer regelmäßig ein Problem: Um den notwendigen Schutz zu gewährleisten, kommt er nicht umhin, den Ausblick ins Freie zu beeinträchtigen. Der Sonnenschutz sollte so dimensioniert sein, dass die Versorgung mit Tageslicht erhalten bleibt, die eigentliche Schutzfunktion – die Begrenzung solarer Wärmequellen – jedoch erfüllt wird. Dafür sind auf der Tageslichtseite und auf der Wärmeseite Dimensionierungsrechnungen erforderlich. Da in den meis ten Bauvorhaben zwar ein TGA-Planer, jedoch kein Ansprechpartner für das Tageslicht vertreten ist, wird der Sonnenschutz häufig zulasten der Tageslichtnutzung überdimensioniert.
Neben der thermischen Funktion des Sonnenschutzes ist auch die visuelle Funktion des Blendschutzes zu erfüllen. Obwohl in der Praxis diese beiden Aufgaben häufig nur mithilfe eines einzigen Systems gelöst werden, sind Sonnen- und Blendschutz getrennt zu betrachten. Wird zum Beispiel eine Außenjalousie wegen Starkwind zurückgezogen, sollte ein Backupsystem den Blendschutz im Innenraum übernehmen.
Feststehende Sonnenschutzsysteme sind wartungsfrei und immer funktionstüchtig und damit aus Sicht des Gebäudebetriebs günstig. Bei der Planung kommt es darauf an, kritische Sonnenwinkel abzuschirmen, die Belichtung bei sonnigem oder bewölktem Himmel jedoch aufrechtzuerhalten. Insbesondere an Südfassaden ist ein solargeometrischer Sonnenschutz zu empfehlen. Solche Systeme schirmen die Direktstrahlung bei hohen Sonneneinfallswinkeln ab, lassen das Tageslicht aus niedrigen Einfallswinkeln aber passieren. Da die Funktion feststehender Sonnenschutzsysteme von den gewählten Proportionen abhängt, kann ihre Größe sehr unterschiedlich sein. So gehören Balkone ebenso zu dieser Gattung wie Sonnenschutzraster im Glaszwischenraum.
In der Architektur der 1960er-Jahre war der Brise Soleil so ein gestaltprägendes Element. Heute sind diese Fassaden mit durchlaufenden Betonelementen eine Herausforderung für die Sanierung. Der kleinteiligere feststehende Sonnenschutz im Glaszwischenraum verdeckt zudem den Ausblick ins Freie und ist daher nur außerhalb der Sichtfenster eine Option. Feststehende Systeme können die Sonnenschutzfunktion zwar selten allein erfüllen, als Architekturelement können sie die beweglichen Sonnenschutzsysteme jedoch wirksam ergänzen. Da feststehende Sonnenschutzsysteme den Lichteinfall generell mindern, werden größere Fensterflächen nötig.
Einstellbare, bewegliche, aber nicht rückziehbare Tageslichtsysteme können ein variabler Filter zwischen außen und innen sein. Der große saisonale Unterschied zwischen einem dunklen und kalten Winter mit niedrigen Sonnenständen und einem hellen und heißen Sommer mit hohen Sonnenständen legt es nahe, im Sommer ein höheres Schutzniveau zu haben als im Winter. So plausibel dieser Ansatz ist, so selten sind die Beispiele einer erfolgreichen Umsetzung. Auch einfache Systeme werden im Gebäudebetrieb häufig nicht verstanden. Entsprechend werden sie nicht nachgeführt und verharren in der dunklen Jahreszeit in der sommerlichen Position, die eine optimale Tageslichtversorgung verhindert.
Rückziehbare Systeme leisten den erforderlichen Sonnenschutz und ermöglichen bei bedecktem Himmel den uneingeschränkten Ausblick inklusive der Tageslichtversorgung. Hinsichtlich ihrer Funktionalität erscheinen rückziehbare Sonnenschutzsysteme ideal.
Im Betrieb erweisen sie sich jedoch als wenig robust und störanfällig. Bei allen Sonnenschutzsystemen ist auf eine ausreichende Hinterlüftung zu achten. Fehlt sie, entsteht ein warmes Luftpolster vor der Fassade und das Öffnen der Fenster macht aus dem Sonnenschutz einen Warmluftkollektor. Bei der Anordnung des Sonnenschutzes im Zwischenraum einer Glasdoppelfassade besteht diese Problematik ebenfalls. Unter anderem tragen Glasdoppelfassaden deshalb eher zur Überhitzung als zur energetischen Optimierung bei. Dabei ist der Ansatz schlüssig, in die Fassade eine kontrollierte Lüftungsfunktion zu integrieren. Denn neben der künstlichen Beleuchtung gehören die Ventilatoren der mechanischen Lüftungssysteme im Nichtwohnungsbau zu den Hauptenergieverbrauchern.
Integrierte Fensterlüftungssysteme
Die seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt befindlichen Fensterlüftungsgeräte wurden inzwischen zu integrierten Fassadensystemen weiterentwickelt. Mit volumenstrombegrenzenden Luftdurchlässen und der Einbindung des Zwischenraums eines Kastenfensters in die Luftführung sind Lösungen möglich, die energieeffizient, einfach und wirtschaftlich sind. Ein Beispiel hierfür ist das an der Hochschule Zittau entwickelte Zuluftkastenfenster. Dieses Fens ter wird gegenwärtig bei der Sanierung der Olbersdorfer Schule eingebaut.
Der Sonnenschutz wird in dem Fenster von einer elektrochromen Verglasung übernommen. Bei einer elektrochromen Verglasung kann der Gesamtenergiedurchlassgrad und mit ihm der Lichttransmissionsgrad eingestellt werden. Innerhalb einer Zweifach-Isolierverglasung sind mit dem elektrochromen Glas g-Werte zwischen 36 und 12 Prozent möglich, der Lichttransmis sionsgrad beträgt dabei zwischen 49 und 15 Prozent. Gegenwärtig haben elektrochrome Verglasungen einige Beschränkungen: So ist ein höherer Lichttransmissionsgrad im entladenen Zustand und der Fortfall einer Begrenzung der Schaltzyklen wünschenswert.
Im Grundsatz weisen sie jedoch in die richtige Richtung: Die Verglasung übernimmt zusätzliche Funktionen und macht damit die so ärgerlichen Klapperatismen konventioneller Sonnenschutzsysteme überflüssig. Neben elektrochromen Gläsern wird an einer Vielzahl weiterer schaltbarer Verglasungen geforscht. Zusätzlich zu einer Veränderlichkeit des g-Wertes werden auch bereits schaltbare Lichtlenkgläser im Labormaßstab entwickelt.
Dipl.-Ing. Roman Jakobiak ist Architekt und hat sich auf das Thema der Tageslichtnutzung spezialisiert.
Buchtipp
Hrsg.: Fraunhofer Solar Building Innovation Center SOBIC
Sonnenschutz
Das Buch stellt die neuesten Erkenntnisse der Tageslichtnutzung und der Anwendung von Sonnen- und Blendschutzsystemen vor.
Wesentliche Inhalte sind: neue Erzeugnisse, gesetzliche Rahmenbedingungen, Verbindung zur EnEV 2007 und zur DIN 18599, Dienstleistungsangebote für Bewertung von Material, Komponenten und Systemen sowie aktuelle Software zur Planungsunterstützung.
25 Euro, 83 Seiten, Fraunhofer IRB Verlag