Von Leonhard Fromm
Eine fünfzügige Gemeinschaftsschule für 850 Schüler baut aktuell die Stadt Kirchheim unter Teck für gut 27 Millionen Euro in drei Bauabschnitten. Das Besondere: In Summe werden 6.000 Kubikmeter Recycling-Beton, sogenannter R-Beton, verbaut, der zu 30 Prozent aus vormaligem Bauschutt – Beton, Ziegel, Kalksand- und Naturstein – besteht. Der Zuschlagstoff mit einem Volumen von 1.800 Kubikmetern spart entsprechend Lkw-Transport-Kilometer auf Deponien und Deponieraum; schont die natürlichen Ressourcen von Sand- und Kiesgruben, die entsprechend langsamer ausgebeutet werden; und spart auch hier Anlieferungstransport-Kilometer – und damit tonnenweise CO2-Emissionen, Feinstaub und Müll.
Die Stadt wollte Recycling-Beton
„Die Stadt Kirchheim hat uns gebeten, R-Beton zu verwenden, und nachdem der Statiker nichts einzuwenden hatte, war der Weg frei,“ sagt Daniel Raiser. Der 48-Jährige verantwortet bei dem 1985 gegründeten Architekturbüro a+r Architekten GmbH mit Sitz in Stuttgart und Tübingen das Bauvorhaben im Landkreis Esslingen. Über ein VGV-Verfahren hatte das Büro mit 85 Architekten, das bundesweit viele Schulen, Hochschulen und andere staatliche Gebäude baut, saniert und dabei auf Nachhaltigkeit setzt, über ein Punktesystem mit den besten Ideen den Zuschlag erhalten.
Sanierung und Neubau in Abschnitten
Das Architekturbüro überzeugte unter anderem damit, dass die Grundschule aus den 1960er-Jahren in einem Wohngebiet zu einem Fünftel erhalten bleibt und im laufenden Betrieb saniert wird. Im ersten Abschnitt entstanden von November 2016 bis Dezember 2017 auf der Bestandsfläche des Campus Rauner zwölf Klassenzimmer und zwei Fachräume auf drei Etagen samt Technik, Sanitär, Aufzug und Treppenhaus.
Im zweiten Abschnitt kommen auf der abgerissenen Fläche 18 Klassenzimmer und 14 Fachräume samt 80 Quadratmeter großem Lehrerzimmer hinzu, sodass eine bestehende Realschule diesen Sommer auf den Campus Rauner verlegt werden kann, um Synergien mit der Bestandsschule zu nutzen.
In der letzten Phase wird ab Sommer binnen eines Jahres der verbliebene Teil des Altbaus saniert. „Hier kommen auf drei Etagen Mensa, Bewegungs- und Aufenthaltsbereich für die Ganztagsbetreuung unter,“ beschreibt Raiser die Konzeption.
Hochwertiger Sichtbeton mit Recycling-Beton
Den Architekten war es wichtig, dass trotz des limitierten Budgets nachhaltig gebaut werden konnte. Da ist an erster Stelle der R-Beton zu nennen, „mit dem wir hochwertige Sichtbetonflächen geschaffen haben“, so der Generalplaner. Raisers Erfahrung: „Der Zuschlagstoff beeinflusst die Qualität des Betons nicht, entscheidend sind die Rezeptur, etwa der Zementanteil, und das Können des Rohbauers.“
Recycling-Beton ist Bedingung bei kommunalen Bauten
Auch Birgit Spann, Leiterin des Sachgebiets Hochbau bei der Stadt Kirchheim, betont, dass die Stadt seit dem Campus Rauner und den seit 2015 gesammelten Erfahrungen, R-Beton bei all ihren Bauvorhaben vorschreibt, weil die Erfahrungen sehr gut seien und „es farblich und in der Textur keinen Unterschied gibt.“ Einzige Vorgabe: Die Zuschlagstoffe dürften maximal 16 Millimeter Körnung haben, damit die Oberflächen ebenmäßig bleiben.
Recycling-Beton kommt aus dem Ort
Sie und Baubürgermeister Günter Riemer waren über eine Weiterbildung auf den R-Beton gekommen. Am Ort sitzt zugleich die Heinrich Feess GmbH, die mit 250 Mitarbeitern auf Abbruch, Erdaushub und Recycling spezialisiert ist und Zuschlagstoffe für R-Beton liefert. 2016 hatte Inhaber Walter Feess den Deutschen Umweltpreis für seine Pionierarbeit bekommen. Feess: „Mit unseren Rezyklaten erzielen die Rohbauer vermutlich deshalb bessere Ergebnisse als mit Neubeton, weil der Zuschlagstoff zusätzlichen Zement enthält.“ Erforscht sei das bislang aber nicht.
Um unter dem Kostendruck den Campus Rauner trotzdem nachhaltig zu bauen, verwendet a+r etwa beim Wärmeverbundsystem der Fassade nicht Styropor, sondern Mineralwolle. Und weil ganz klassisch über die Fenster gelüftet wird, achteten die Architekten darauf, dass alle Fenster zu öffnen, entsprechend dimensioniert und von Hand erreichbar sind. Über die gesetzlichen Vorgaben seien die Gebäude bereits bestens gedämmt.
Sauberkeitsschicht aus Recycling-Schotter
Bei der Stadt Kirchheim zieht die Kreislaufwirtschaft beim Bauen unterdessen weitere Kreise: Beim Abriss der alten Eduard-Mörike-Halle im Teilort Ötlingen bat die Verwaltung jüngst das Abbruchunternehmen aus Oberhausen, den Bauschutt zu recyceln. Dank des Tipps wurde der zu Feess gefahren, dort im 3,6 Hektar großen Wertstoffhof zu Schotter aufbereitet und bildet nun die Sauberkeitsschicht für den Neubau.
Leonhard Fromm ist freier Journalist in Schorndorf, Baden-Württemberg
Hier berichten wir, wie Bauschutt-Recycling beziehungsweise -Aufbereitung funktioniert.
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