In Deutschland stürzen jährlich zwischen zehn und 30 Flachdächer ein. Häufigste Ursache dafür ist angestautes Wasser, weil das Entwässerungssystem überlastet ist. Angesichts der zunehmenden Starkregenereignisse ist die fachgerechte Planung der Dachentwässerung umso wichtiger. Sie tangiert die Arbeit des Architekten bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt, denn es ist eine Reihe von Regelwerken und Normen zu beachten. Zu den wichtigsten zählen die DIN EN 12056, die DIN EN 752, die DIN 1986-100, die DIN 18234-3 sowie die Flachdachrichtlinie und die VDI-Richtlinie 3806. Die nationale Norm DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“ sollte bereits am 30.06.2001 durch die im Januar 2001 veröffentlichte europäische Norm 12056 ersetzt werden. Die EU-Länder konnten sich jedoch nicht auf einheitliche Regeln einigen, sodass die Mitgliedsstaaten zusätzlich ihre Landesnormen beibehielten. Der Architekt muss deshalb entscheiden, nach welcher Norm geplant und ausgeführt werden soll – im Hinblick auf eventuelle Haftungsfragen ein riskantes Unterfangen. Aufgrund dieser Unsicherheit werden oft die nationalen und die europäischen Normen vertraglich vereinbart. Doch da die Regelwerke nicht aufeinander abgestimmt sind, ist es in der Praxis äußerst schwierig, sie miteinander zu verknüpfen. In der nationalen DIN 1986-100 ist die Entwässerung bis zur Grundstücksgrenze definiert. Die EU-Normen unterscheiden dagegen zwischen der DIN EN 12056 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden“ und der DIN EN 752 „Schwerkraftentwässerungsanlagen außerhalb von Gebäuden“. Das Dilemma, zwischen nationaler oder europäischer Gesetzgebung wählen zu müssen, soll künftig die Neufassung der DIN 1986 beenden, indem die beiden Europanormen darin eingebunden werden. Der Entwurf wurde bereits 2013 als Gelbdruck veröffentlicht. Aufgrund der zahlreichen Einsprüche ist zurzeit allerdings nicht bekannt, wann der Weißdruck veröffentlicht wird.
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Wichtig für die Planung
Bei der Dachentwässerung wird zwischen Außen- und Innenentwässerung unterschieden. Die Außenentwässerung muss in das Fassadenbild integriert werden, sodass sowohl die Funktionalität als auch der gestalterische Anspruch Berücksichtigung findet. Bei der Innenentwässerung sind eher technische Detaillösungen gefragt. Hierfür stehen zwei Systeme zur Verfügung, die Freispiegel- und die Druckströmungs-Entwässerung. Bei Letzterer handelt es sich um Unterdrucksysteme, vielen auch als Saugsysteme bekannt. Die Auswahl von Art und System der Entwässerung sollte so früh wie möglich getroffen werden, da Lasten durch Anstauhöhen (inklusive Notentwässerung) und Abhängungen von Schleppleitungen, insbesondere bei Leichtdächern, in die Tragwerksplanung einfließen.
Besonders wichtig: Die Entwässerungspunkte sollten nicht weiter als 20 Meter auseinanderliegen und an den Tiefpunkten des Daches angeordnet werden. Durchbiegungen und Toleranzen sind dabei zu berücksichtigen. Bei Trapezblechdächern bedeutet das, dass der Einbau der Abläufe in der Feldmitte erfolgen muss. Können die Dachabläufe nicht an der tiefsten Stelle eingebaut werden, sind konstruktive Maßnahmen zu ergreifen. Hier können zum Beispiel „Dachreiter“ eingesetzt werden, die als Kehlgefälle dienen. Die Dachfläche ist mit einem Mindestgefälle von zwei Prozent zu planen. Bei einem Gefälle von unter zwei Prozent ist das Dach als Sonderkonstruktion zu behandeln, die nur in begründeten Ausnahmefällen geplant werden soll und mit dem Bauherrn schriftlich zu vereinbaren ist. Der Architekt muss den Bauherrn auf ihre Nachteile hinweisen. Die Planung eines Gefälles unter zwei Prozent ohne Begründung und den Hinweis auf die Nachteile beziehungsweise deren mögliche Folgen ist ein Planungsfehler.
Wichtig ist weiterhin, dass der Ablaufkörper bündig mit der Dachkonstruktion abschließt, sodass davor kein Wasser stehen bleibt. Der Mindestabstand des Ablaufkörpers zu angrenzenden Bauteilen, wie Attiken, Wänden, Durchdringungen, sollte 30 Zentimeter betragen. In der Flachdachrichtlinie ist unter Punkt 2.4 „Dachentwässerung“, Abs. (2) angeführt: „Dachflächen mit nach innen abgeführter Entwässerung müssen unabhängig von der Größe der Dachfläche mindestens einen Ablauf und mindestens einen Notüberlauf erhalten. Abläufe und Notüberläufe müssen nach DIN EN 12056-3 und DIN EN 752 bemessen werden.“ Die Notentwässerung darf nicht an die Fall- oder Grundleitungen angeschlossen werden, sie muss frei nach außen entwässern. Bestandsbauten besitzen oft keine Notentwässerung, deshalb ist eine Nachrüstung dringend erforderlich.
Um die ermittelte Entwässerungsleistung zu gewährleisten, müssen alle Bauteile aufeinander abgestimmt sein. Besonders sensibel sind hier Druckströmungsanlagen, die vom Hersteller passend zu deren System ausgelegt werden müssen. Bei der sogenannten Unterdruckentwässerung ist die VDI-Richtlinie 3806 zu beachten. Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an ein Entwässerungssystem sollten die Bauteile möglichst langlebig, UV- und säurebeständig sein. Diesen funktionalen Anspruch erfüllen zum Beispiel die Edelstahl-Elemente von Carlisle Construction Materials (CM) Europe. Sie sind zudem optisch ansprechend sowie DIN-18234-konform.
Genau die Statistik beachten
Grundlage für die Berechnung der anfallenden Niederschlagsmengen bilden die statistischen Werte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für den jeweiligen Objekt-Standort. Diese Werte hat der DWD für die Regenspende und den Jahrhundertregen ermittelt und in der Kostra-DWD-Tabelle nach Postleitzahlgebieten aufgelistet. Hierbei ist zu beachten, dass die Werte innerhalb einer Stadt je nach Postleitzahl stark voneinander abweichen können.
Für die Bemessung von Dachentwässerungsanlagen wird die maximale Regenspende (r5,5) herangezogen, die, statistisch gemittelt, über einen Zeitraum von fünf Minuten alle fünf Jahre am Objektstandort niedergeht. Gleiches gilt für den Notüberlauf, bis auf den Unterschied, dass hier ein Zeitraum von 100 Jahren (Jahrhundertereignis) betrachtet wird. Die Differenzmenge des Jahrhundertregens (r5,100) abzüglich der maximalen Regenspende ergibt die Wassermenge, die über die Notentwässerung abgeführt werden muss (Beispielrechnung siehe unten).
Die zunehmende Flächenversiegelung in Städten und Kommunen vermindert die Versickerungsflächen, die gerade angesichts der aktuellen Starkregenereignisse dringend benötigt würden. Das Regenwasser fließt so „ungebremst“ in die Kanalisation. Flachdächer bieten die Möglichkeit der Regenrückhaltung durch Auflast, wie Kies oder Begrünungssysteme. Dadurch wird die Kanalisation deutlich entlastet. Gleichzeitig sind Einsparungen bei den Abwassergebühren für den Hauseigentümer möglich.
Wartung des Entwässerungssystems
Die Wartung des Entwässerungssystems ist in der DIN EN 12056-5, der DIN EN 752-7 sowie in den Flachdachrichtlinien unter 6.1 Abs. (4) geregelt. Wesentlich für den Architekten ist hierbei, dass er den Bauherrn auf seine Wartungspflicht hinweisen und dies auch entsprechend dokumentieren muss. Der Bauherr wird seiner Verpflichtung in der Regel durch den Abschluss eines Wartungsvertrages mit der ausführenden Firma nachkommen. Entwässerungssysteme sollten mindestens einmal, besser zweimal jährlich gewartet werden. Schließlich kann bereits eine Handvoll Blätter im Laubfang die Ablaufleistung stark beeinträchtigen.
Dipl.-Ing. (FH) Architekt Michael Pietsch ist Sachverständiger für Schäden an Gebäuden und Architektenberater bei der Carlisle Construction Materials GmbH in Hamburg.
Grundlagen für die Berechnung
Hauptentwässerung (l/s) = r<5,5 * C * A/10.000
Für die Bemessung von Dachentwässerungsanlagen wird die maximale Regenspende (r5,5) herangezogen, die, statistisch gemittelt, über einen Zeitraum von fünf Minuten alle fünf Jahre am Objekt-Standort niedergeht.
Notentwässerung (l/s) = (r5,100 – r5,5 * C) A/10.000
Die Differenzmenge des Jahrhundertregens (r5,100) abzüglich der maximalen Regenspende (r5,5) ergibt die Wassermenge, die über die Notentwässerung abgeführt werden muss.
Maximale Regenspende
Statistische Werte des Deutschen Wetterdienstes (Auszug Kostra-DWD-Tabelle). Je nach Postleitzahl und sogar innerhalb von Städten gibt es große Unterschiede.
Der Abflussbeiwert C gemäß DIN 1986-100:2008-05 Tab. 9, der in die Berechnung der Hauptentwässerung einbezogen wird, ist abhängig vom Dachaufbau.
Beispiel für eine Dachentwässerung in Hamburg-Eimsbüttel
Hauptentwässerung Benötigte Ablaufleistung pro m² in 20144 Hamburg-Eimsbüttel für 1.500 m² extensiv begrünte Dachfläche ≤ 10 cm Aufbauhöhe:
(l/s) = 260 l/s/ha * 0,5 * 1.500/10.000 = 19,5
Bei Einsatz von Entwässerungselementen mit einer Ablaufleistung von 4,5 l/s würden also 5 Gullys für diese Dachfläche als Hauptentwässerung benötigt.
Notentwässerung Benötigte Ablaufleistung pro m² für die Notentwässerung in 20144 Hamburg-Eimsbüttel für 1.500 m² extensiv begrünte Dachfläche ≤ 10 cm
Aufbauhöhe: (l/s)= (463 – 260 *0,5) * 1.500/10.000 = 49,95 l/s
Bei Einsatz von Entwässerungselementen mit einer Ablaufleistung von 4,5 l/s würden zusätzlich 12 Gullys für die Dachfläche als Notentwässerung benötigt; sicherer ist der Einsatz der gleichen Anzahl von Gullys wie für die Hauptentwässerung.
Bitte im nächsten Heft einen deutlichen Hinweis hierzu, da viele Architektenkollegen sicherlich die Berechnung als Grundlage ihrer nächsten Berechnungen nehmen, zumal viele Architektenkollegen mit diesen schicken Braun-Taschenrechnern herum hantieren, die auch keine Punkt-vor-Strich-Rechnung können!
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Herr Pietsch kommt in seiner Berechnung der Notentwässerung im Heft auf folgendes Ergebnis:
(l/s)=( (463 – 260) *0,5) * 1.500/10.000 = 15,225 l/s => 4 Notüberläufe je 4,5 l/s
online ist die Formel schon gem. DIN 1986-100 berichtigt:
(l/s)= (463 – 260 *0,5) * 1.500/10.000 = 49,95 l/s => 12 Notüberläufe je 4,5 l/s
Bitte im nächsten Heft einen deutlichen Hinweis hierzu, da viele Architektenkollegen sicherlich die Berechnung als Grundlage ihrer nächsten Berechnungen nehmen, zumal viele Architektenkollegen mit diesen schicken Braun-Taschenrechnern herum hantieren, die auch keine Punkt-vor-Strich-Rechnung können!
Gruß
Nel Bertram