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Eine wirkungsvolle Raumakustik muss nicht teuer sein. Doch oft sind effektive Maßnahmen zum besseren Hören und Verstehen nicht bekannt

26.04.20106 Min. Kommentar schreiben

Von Helmut V. Fuchs

Diverse Regeln und Normen sollen den Lärm am Arbeitsplatz eindämmen. Dazu haben Berufsgenossenschaften Vorschriften erlassen. Auch die 2003 verabschiedete EG-Richtlinie „Lärm“ (2003/10/EG) hat eine breite Öffentlichkeit für die Problematik sensibilisiert und die Anforderungen neu festgeschrieben. Im Baurecht ist der Lärmschutz aber nur bauakustisch (DIN 4109 und VDI 4100) verankert, nicht jedoch raumakustisch. Gerade für den wachsenden Anteil offener Bürolandschaften wäre das sehr wichtig. Dazu enthält die VDI-Richtlinie 2569-1990 „Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro“ zwar die anspruchsvolle Forderung nach einer Nachhallzeit von 0,5 Sekunden. Sie enthält aber keinen Hinweis, wie man diese im heutigen Baugeschehen raumakustisch realisieren könnte.

Auch die DIN 18041-2004 „Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen“ gibt lediglich Auskunft, dass für kleine Räume „eine Überdämpfung des Raumes durch schallabsorbierende Maßnahmen in der Regel nicht zu befürchten“ sei. Zu Räumen wie Büros, Gaststätten, Bibliotheken oder Pausenhallen, in denen sich viele Menschen gleichzeitig aufhalten und reden, schreibt die Norm leider nur, dass für diese „die Einhaltung eines Sollwertes der Nachhallzeit für den hier angestrebten Zweck nicht erforderlich“ sei. Außerdem meinen die Verfasser der Norm, den Lärmpegel in diesen Räumen durch Maßnahmen dämpfen zu können, die allenfalls bis 500 oder 250 Hz herunterwirken, wenn es „nur um Sprache“ gehe. Damit wird das Problem jedoch nicht an der Wurzel gepackt, die erfahrungsgemäß gerade im Bassbereich liegt.

Architektur verlangt neues Denken

Zunehmende Klagen über akustisch unbrauchbare Räume rufen nach effizienteren Lärmminderungskonzepten. In Energie- und Lichttechnik beispielsweise wird stark investiert, in Schalltechnik dagegen wenig. Das gilt besonders für Räume wie Tagungsstätten, Hörsäle oder Schalterhallen (siehe Tabelle). Natürlich müssen auch Investitionen in die Akustik Kosten-Nutzen-Kriterien standhalten. Zudem können Akustiker heute nur noch in Ausnahmefällen erwarten, dass Architekten, Bauherren und Nutzer bereit wären, große Teile von Decke und Wänden mit konventionell schalldämpfenden Materialien zu belegen, wie es DIN 18041 ziemlich unrealistisch vorschlägt. Sichtbeton, thermische Bauteilaktivierung und die modische Präferenz für rundum schallharte, pflegeleichte Oberflächen sind meist Planungsgrundlage. Die Akustiker haben sich mit ihren Vorschlägen der vorherrschenden Bauweise anzupassen, nicht umgekehrt. Die Grundlagen dafür sind ausgiebig erarbeitet, zeitgemäße Maßnahmen und Produkte längst einsatzbereit. Was fehlt, sind eine klare Formulierung der Problemschwerpunkte und konzertierte Aktionen von Betroffenen und Verantwortlichen mit den Architekten.

Wirkungsvolle Maßnahme: Breitbandig wirksame Hochleistungsabsorber können auf kleinster Fläche an Decke und Wänden die Raumakustik nachhaltig verbessern.

Konzepte und Materialien

Infrage kommen vor allem Schallabsorber, die alle auftreffenden Schallwellen praktisch im gesamten Frequenzbereich möglichst vollständig schlucken können. Mit harten, nicht unbedingt perforierten Oberflächen sollten sich diese Hochleistungsabsorber an das architektonische Design und die Nutzungsbeanspruchung weitgehend anpassen lassen. Wichtig ist eine breitbandige Grunddämpfung, weil sie den Raum von störenden Eigenresonanzen und tieffrequentem Dröhnen säubert. Wo das geschehen ist, können auch poröse/faserige Materialien in Unterdecken, Putzen, Vorhängen, Gehbelägen und Möbeln die Raumakustik bei höheren Frequenzen verbessern – aber sie allein reichen keinesfalls aus. In akustisch behaglichen Räumen entsteht ein positiver Regelkreis: Die Nutzer reden leiser, was den Lärmpegel senkt, und zwar mehr, als die bloße physikalische Dämpfung der Schallenergie im Raum durch die eingebauten Absorber erwarten lässt. Wenn Sprecher, Sänger oder Musiker intuitiv verhaltener intonieren, wird zudem eine erstaunliche Lärmminderung an den Quellen selbst möglich. Wenn man einmal den schädlichen Raumeinfluss bei den Tiefen beseitigt hat, wird – wie durch ein Wunder – eine unangestrengte Kommunikation auch über größere Entfernungen bei beliebig vielen gleichzeitig ertönenden Stimmen möglich. Wo diese „Durchhörbarkeit“ nicht erwünscht ist, etwa in Beratungsbereichen einer Bank oder in Restaurants, schafft erst diese Art von Raumakustik die Voraussetzung für wirkungsvolle schallabschirmende Maßnahmen. Erst wenn die tiefen Frequenzen praktisch ­eliminiert sind, können zum Beispiel konventionell absorbierende Paravents ihre Wirkung voll entfalten.

Lautstarke Räume: ­Hier wird besonders ­intensiv miteinander kommuniziert.
Ent­sprechend hoch sind die Anforderungen an die Raumakustik:

Unterricht/Diskussion Arbeit/Freizeit
Kindergärten Mehrpersonenbüros
Klassenzimmer Dienstleistungszentren
Kantinen Esszimmer und Medienräume
Sporthallen Schalterhallen
Hörsäle Anwalts- und Arztpraxen
Konferenzräume Operationssäle
Seminarräume Empfangsräume
Tagungsstätten Gaststätten
Museen Bahnhofs- und Messehallen

 

Wirtschaftlichkeit analysieren

Die Kosten für raumakustische Maßnahmen sind bei einer Abschreibung über fünf bis zehn Jahre verschwindend gering im Verhältnis zu den laufenden Arbeitskosten – sie liegen weit unter einem Prozent. Dem stehen Leistungssteigerungen von 10 bis 20 Prozent gegenüber. Angesichts der verbreitet schlechten Akustik in unseren Kindergärten, Schulen und Hochschulen erscheint es dringend notwendig, die Lehr- und Lerneffizienz nach dem aktuellen Stand des Wissens und der Bautechnik zu verbessern.

Natürlich brauchen alle daran Beteiligten konkrete Auslegungs- und Berechnungsgrundlagen für ihre Bau- oder Restaurierungsbudgets. Wenn noch keinerlei breitbandig wirksame Schallabsorber im Raum vorhanden sind, sollten solche mit einer Gesamtfläche von ­etwa 20 bis 30 Prozent der Grundfläche des Raumes (mit einer Höhe bis zu drei Metern) vorgesehen werden; bei höheren Räumen etwa proportional zur Höhe mehr. Ihren größten akustischen Wirkungsgrad erreichen die Absorbermodule, wenn sie in den Raumecken und -kanten, auch wandhängend (etwa wie ein Fries) oder bodenstehend (etwa als Stellwand), angeordnet werden. Größe, Format, Oberflächengestaltung und Anbringung der Module müssen und können dem architektonischen Design und dem individuellen Geschmack der Nutzer weitgehend angepasst werden.

Eine vergleichbare akustische Transparenz und ähnliche Pegelminderungen lassen sich mit konventionellen Mitteln allein nicht erreichen. Das beweisen indirekt zum Beispiel Stehempfänge: Die auf etwa einem Quadratmeter pro Person zusammenstehenden Menschen besitzen etwa dieselbe Absorptionsfläche wie eine geschlossene, ganzflächig abgehängte Akustikdecke. Trotzdem ist die Sprachverständlichkeit oft schlecht. Der Effekt verstärkt sich, je mehr Personen an der Veranstaltung teilnehmen, bis schließlich das eigene Wort nicht mehr zu verstehen ist. Hier werden durch ein paar unauffällig (manchmal auch unter oder hinter einer Akustikdecke) installierte Hochleistungsabsorber im selben Raum ganz entspannte Unterhaltungen möglich. Auch in Versammlungsstätten sind leicht 20 dB(A) Lärmminderung allein durch die richtige Absorption im Raum erreichbar. Das sich in einem derart konditionierten Raum von selbst einstellende „Gemurmel“ sorgt sogar für eine gewisse Vertraulichkeit. Besonders dankbar registrieren Schwerhörige und „Fremdsprachler“ eine solche akustische Umgebung.

Prof. Dr.-Ing. Helmut V. Fuchs ist Akustiker in der Forschungsgesellschaft für angewandte Systemsicherheit und Arbeitsmedizin FSA in Mannheim.


Helmut V. Fuchs

Schallabsorber und Schalldämpfer

Das Buch gibt einen Überblick über die am Markt verfügbaren Materialien und Bauteile. Es richtet sich nicht nur an Akustiker, sondern auch Bauingenieure und Architekten, die darin neben allgemein verständlichen Grundlagen Lösungsvorschläge. Hervorzuheben ist das Kapitel zur Raumakustik, das auf aktuellen Erkenntnissen zum Einfluss der Nachhallzeit auf unterschiedliche Nutzungen aufbaut.

129,95 Euro, Reihe VDI-Buch, Springer Verlag

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