Falsche Putzsysteme sind wesentliche Gründe für die Algen- und Schimmelbildung: Feuchte Fassaden ziehen nicht nur Schmutz an, sondern liefern auch den Nährboden für einen mikrobiologischen Bewuchs. Schimmelpilze benötigen neben Wasser auch organische Stoffe, die sie mit Myzelien aus tiefer liegenden Schichten der Fassade ziehen. Algen benötigen lediglich Licht, Luft und Wasser zum Leben. Da Licht und Luft an jeder Fassade vorhanden sind, ist eine länger andauernde Befeuchtung das entscheidende Wachstumskriterium. Da der Bewuchs häufig an wärmegedämmten Fassaden auftritt, wird nach weitverbreiteter Ansicht dafür vor allem der Tauwasserniederschlag verantwortlich gemacht. Weitere oft genannte Gründe für feuchte Fassaden sind ein üppiger Pflanzenwuchs in der Umgebung, häufiger Nebel, ein zu geringer Dachüberstand oder Schlagregen. Das alles erklärt aber nicht, warum sich die Feuchtigkeit auf der Fassadenoberfläche so lange halten kann, bis sich die Mikroorganismen ansiedeln können. Es kann auch nicht an der Verwendung von Wärmedämmverbund-Systemen liegen, denn Algen und Schimmel setzen sich ebenso an verputzten Massivwänden fest. Die Ursache liegt vielmehr in Putzsystemen, an deren Oberfläche sich Feuchtigkeit lange halten kann.
Mineralische (anorganische) Putzsysteme sind gegenüber mikrobiologischem Bewuchs wesentlich unempfindlicher als organische Putzsysteme. So sind an Fassaden in Altstädten, deren Stadtbildsatzung mineralische Putzsysteme vorschreibt, deutlich weniger Algen und Schimmel zu sehen. Ein Kunstharzanteil unter fünf Prozent ist bei mineralischen Fassaden-oberflächen unerheblich (zum Beispiel bei Verwendung von Dispersionssilikatfarben). Entscheidend ist außerdem, dass die Porenstruktur des mineralischen Oberputzes so eingestellt ist, dass dieser viel Wasser aufnehmen und wieder abgeben kann. Ein dicker Oberputz erhöht die technische Sicherheit; eine übliche Oberputzdicke von drei bis vier Millimetern reicht aber in der Regel aus.
In organischen Fassadenfarben werden die wasserunlöslichen Bestandteile mittels Emulgatoren im Wasser gebunden. Diese Emulgatoren aus organischen Substanzen haben einen hydrophilen (Wasser anziehenden) und einen hydrophoben (Wasser abstoßenden) Teil. Der hydrophobe Teil setzt sich an den Feststoffen ab und bildet eine Brücke zu den Wassermolekülen, die mit dem hydrophilen Teil der Emulgatoren verbunden sind. Befinden sich viele Emulgatoren im Wasser, können die Feststoffe sehr kleinteilig gehalten werden und die Farbe ist leicht verarbeitbar (siehe Grafik 1).
Die organischen Substanzen sind auch nach dem Auftrag auf der Fassade noch vorhanden, ebenso der hydrophile Teil der Emulgatoren. Aufgrund der Wasser anziehenden Wirkung kann sich somit Wasser sehr lange an der Oberfläche halten – und damit ist die Voraussetzung für den mikrobiologischen Bewuchs geschaffen (siehe Grafik 2). Damit erklärt sich auch, warum häufig südwestlich oder westlich orientierte Fassaden Algen oder Schimmel zeigen. Zwar werden diese Fassadenflächen stärker von der Sonne erwärmt und trocknen entsprechend schneller; ihre Feuchtebelastung durch Schlagregen ist aber auch höher.
Hydrophobierte Putze sollen verhindern, dass Wasser in den Putz eindringt. Dabei werden entweder die Kapillaren verschlossen oder die Kapillarkräfte, die Wasser in enge Poren hineinziehen, durch hydrophobe Zusätze neutralisiert. Dadurch wird Wasser nicht mehr in die Poren eingesogen, sondern bleibt an der Fassadenoberfläche und steht dem mikrobiologischen Bewuchs ebenfalls als Nahrung zur Verfügung.
Organische Fassadenfarben können durch eingelagertes Wasser aufquellen und bei Ausdehnung aufgrund von Wärmeeinwirkung kleine Risse bilden, durch die Wasser in den Putz eindringt. Hydrophobierte Putze verhindern das schnelle Austrocknen und sind deshalb in dieser Hinsicht nicht sinnvoll.
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Forschung geht in die falsche Richtung
Doch statt auf mineralische Putze mit gutem Wasseraufnahmevermögen zu setzen, werden zur Sauberhaltung von Fassaden Putzsysteme mit beigemischten Pflanzengiften favorisiert. Diese Biozide müssen wasserlöslich sein, um ihre giftige Wirkung im Inneren der Algen- und Pilzzellen entfalten zu können. Sie werden somit im Lauf der Zeit ausgewaschen und verlieren ihre Wirkung. Wie lange biozidhaltige Putzsysteme bewuchsfrei bleiben, lässt sich nicht verlässlich sagen, da die Hersteller in der Regel mit dem Hinweis auf das Betriebsgeheimnis keine Auskünfte zur chemischen Zusammensetzung ihrer Produkte geben. Von Entwicklungslaboren und wissenschaftlichen Instituten durchgeführte Forschungen befassen sich überwiegend mit unterschiedlichen Arten von Pflanzengiften, wie länger wirksamen Depotgiften, oder speziellen Wasser abweisenden Oberflächen. Auch eine partielle Heizung von Fassaden wurde schon ins Gespräch gebracht. Porenstruktur und Putzdicke mineralischer Putzsysteme waren dagegen bislang kaum Gegenstand der Forschung. Nur vereinzelt erwähnen Fachleute die Vorteile „geschickt eingestellter“ mineralischer Putzsysteme. Meist verhallen ihre Argumente schnell in der nicht zuletzt von zahllosen Werksvertretern propagierten oben dargestellten Meinung. Dabei gibt es Putzfassaden, die nicht mit Pflanzengiften behandelt wurden und trotzdem jahrzehntelang keinen Bewuchs zeigen, obwohl sie ohne Dachüberstand Schlagregen, Nebel und sauberer Luft ausgesetzt sind.
Einige Hersteller haben bereits heute in Anwendung und Erscheinung nahezu identische biozidhaltige oder giftfreie, wassersaugende Putzsysteme im Programm. Bei Letzteren bleibt die Schimmel- und Algenfreiheit dauerhaft erhalten und sie können auch in die höchste Schlagregen-Widerstandsklasse eingestuft werden. Es liegt an den Planern und Bauherren, welches Fassadenputzsystem ausgeschrieben wird und zur Anwendung kommt. Biozidfreie mineralische Systeme sind etwa fünf bis 15 Prozent teurer. Damit amortisieren sich die Mehrkosten für ein biozidfreies mineralisches System bereits nach dem ersten eingesparten Renovierungsanstrich. Da hersteller-übergreifende Übersichten fehlen, sind die jeweiligen Materialangaben bei den Herstellern abzufragen. Je mehr Anfragen zu giftfreien, aber dennoch algen- und schimmelfreien Putzsystemen gestellt werden, desto mehr giftfreie Putzfassaden wird es in Zukunft geben.
Wie lange muss eine Putzfassade algenfrei bleiben?
In der Vergangenheit mussten Putzfassaden nach 15 bis 20 Jahren neu gestrichen werden. Inzwischen scheint der Renovierungszyklus wegen Algen- oder Schimmelbewuchs unter zehn Jahren zu liegen. Somit stellt sich die Frage: Ist damit der allgemein übliche technische Standard im Sinne der allgemein anerkannten Regeln der Technik gesunken? Wäre dem so, läge kein Planungs- und Ausführungsfehler mehr vor, wenn die Fassade kurz nach Gewährleistungsende renoviert werden muss. Dann entspräche eine Putzfassade heute den allgemein anerkannten Regeln der Technik, auch wenn alle sechs bis acht Jahre ein Neuanstrich erforderlich würde. Die Gerichte haben sich zu dieser Frage noch nicht geäußert, denn eine Klage ist nicht Erfolg versprechend, wenn der Bewuchs nach der üblichen fünfjährigen Gewährleistungszeit auftritt. Auch die einschlägigen Fachkreise haben die Frage nach der Dauer der geschuldeten Algen- und Schimmelfreiheit bislang nicht zweifelsfrei geklärt. Zahllose von Algen und Schimmel befallene Fassaden lassen den Schluss zu: Der in den allgemein anerkannten Regeln der Technik definierte Technikstandard hat sich trotz besserer technischer Alternativen in den letzten Jahren verschlechtert.
Dipl.-Ing. Christian Knapp ist freier Architekt und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden in Tettnang, Baden-Württemberg
Der Artikel „saubere Wahl“ lässt mich enttäuscht zurück. Zur Vermeidung von Feuchteschäden werden darin pauschal mineralische Putze empfohlen, ohne eine exakte Angabe zur damit empfohlenen feuchtetechnischen Eigenschaft. Der Wasseraufnahmekoeffizient w hätte exakt beschrieben, welche Menge Wasser ein tauglicher Putz pro Stunde und Quadratmeter aufgesaugen können sollte oder dürfte. Diese konkrete Angabe, die für die meisten Putzmischungen vorliegt, fehlt in dem Artikel des Herrn Christian Knapp. Damit ist der Artikel in der Praxis nicht hilfreich.
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Der Artikel „saubere Wahl“ lässt mich enttäuscht zurück. Zur Vermeidung von Feuchteschäden werden darin pauschal mineralische Putze empfohlen, ohne eine exakte Angabe zur damit empfohlenen feuchtetechnischen Eigenschaft. Der Wasseraufnahmekoeffizient w hätte exakt beschrieben, welche Menge Wasser ein tauglicher Putz pro Stunde und Quadratmeter aufgesaugen können sollte oder dürfte. Diese konkrete Angabe, die für die meisten Putzmischungen vorliegt, fehlt in dem Artikel des Herrn Christian Knapp. Damit ist der Artikel in der Praxis nicht hilfreich.