Text: Stefan Kreitewolf
Gitterstäbe, hohe Mauern und griesgrämig dreinblickende Pförtner: So oder so ähnlich wird das Thema Sicherheit meist wahrgenommen. Das architektonische Sicherheitsdilemma lautet gemäß weitverbreitetem Vorurteil: Sicherheit gehe zulasten der Ästhetik. Oder anders gesagt: Sichere Gebäude sehen auch genau so aus – nämlich verschlossen, unfreundlich, trutzburgartig.
Dennoch boomt das Geschäft mit der architektonischen Sicherheit. Alarmanlagen, Zäune, Kameras, Bewegungsmelder und Gitterstäbe sind die Haus gewordenen Ausprägungen des allgemeinen Schutzbedürfnisses für das traute Heim. Sichere Bauten sind ein Millionengeschäft, das jährlich wächst. Und die Zahlen befeuern diesen Trend: 2015 gab es laut Polizeistatistik 167.315 Einbrüche, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Das macht Angst – auch wenn, rein statistisch gesehen, jede deutsche Wohnung nur alle 250 Jahre von einem Einbrecher heimgesucht wird.
Dennoch sehen viele Architekten den Trend zur Sicherheit kritisch. Gelten doch das Unbegrenzte, Freie, Offene und allen voran Transparenz als Ideale. Ungewissheit wird in der Architektur häufig nicht als Bedrohung, sondern – ganz im Gegenteil – als Chance angesehen. Das Thema Sicherheit wirkt da wie ein Hemmschuh, der die Freiheiten der Gestaltung einschränkt.
Schutz ist der Urzweck von Gebäuden. Doch nur wenige Architekten stellen ihn in den Vordergrund ihrer Arbeit, wie etwa Reiner Gahn im baden-württembergischen Gomaringen. „Das galt schon für die Höhle, die Schutz vor wilden Tieren, Wind und Wetter oder Bedrohungen durch Feinde bot.“ In zwei E-Books gibt er nützliche Hinweise zum Thema Sicherheit und bietet Checklisten für den Bauherrn. „Besonders wichtig ist der bauliche Einbruchschutz bei Neu- und Umbauten“, sagt Gahn. der auf das Thema stieß, als bei seinen Nachbarn eingebrochen wurde.
Nachrüsten oder neu einbauen?
„Wenn sowieso gebaut wird, ist der Aufwand für technische Maßnahmen oder bauliche Planungen besonders sinnvoll“, findet Gahn. Immer häufiger werde das bei ihm nachgefragt. Deswegen bietet er zum Thema eine kostenlose Beratung. Was rät Gahn am häufigsten? „Fenster, Türen und Keller sichern.“ Das seien schließlich die Orte am Haus, an denen Einbrecher am häufigsten angriffen.
Auch Tobias Stenger in Köln hat das Thema Sicherheit für sich und sein Büro stknarchitekten entdeckt. Er empfiehlt wie Gahn: „Es sollte niemals an den Fenstern und Türen gespart werden.“ Standardfenster und -türen böten keinen ausreichenden Einbruchschutz, bemerkt Stenger. Er versucht diese „Angriffsflächen“ mit modernster Sicherheitstechnik zu minimieren. „Deswegen sollten neue Fenster und Türen immer nach DIN EN 1627 bis 1630 zertifiziert sein.“ Weder am Rahmen noch am Beschlag oder an der Verglasung gäbe es dann Schwachstellen.
Reiner Gahn ergänzt: „Wer keine neuen Fenster einbauen möchte, kann auch nachrüsten: mit einer Aufschraubsicherung (DIN 18104-1), Pilzkopfzapfen-Beschlägen (DIN 18104-2) oder abschließbaren Fenstergriffen.“ Das schütze vor dem Aufhebeln der Fenster, was eines der häufigsten Einbruchszenarien darstelle. „Als Ergänzung können noch einbruchhemmende Sicherheitsfolien und gesicherte
Glashalteleisten zum Einsatz kommen.“
Ob nachgerüstet oder neu eingebaut werde, sei indes eine Kostenfrage. „Gleiches gilt für Türen und Tore“, sagt Gahn. RC-2-Türen (DIN EN 1627) seien am sichersten. Weder an Türblatt, Schloss, Beschlag noch Zarge könnten Einbrecher mit dem Brecheisen ansetzen. Dazu Tobias Stenger: „Garagentore nicht vergessen – vor allem, wenn die Garage direkt mit dem Haus verbunden ist.“ Alte Türen und Tore können nachgerüstet werden. Auch hier gelte: „Wer spart, verliert.“
Keller nicht vergessen
Für Stenger sind auch Keller und Lichtschächte „besonders neuralgische Punkte“. Einbrecher hätten bei Lichtschächten die Möglichkeit, ungesehen einzubrechen. „Deswegen müssen sie zwingend abgesichert werden“, rät Stenger. Das sei mit Schutzgittern und einer Abhebesicherung kein Problem.
Mit der Sicherung von Fenstern, Türen und Kellern wird es dem Einbrecher erschwert, ins Haus zu gelangen. Gahn empfiehlt: „Die zweite Stufe des Sicherheitskonzepts sollte eine Alarmanlage sein.“ Egal ob Funk-, Draht-, Hybrid- oder IP-basierte Alarmanlagen: Alle funktionieren nach dem gleichen Muster: Mithilfe von Sensoren wird das Eindringen in ein Haus gemeldet. Eine Alarmanlage sollte nach DIN EN 45011 geprüft und zertifiziert worden sein. Modelle, die in Bau- und Supermärkten angeboten werden, sind indes häufig fehleranfällig und lösen auch mal Fehlalarme aus.
Auch die Videoüberwachung zielt auf eine frühzeitige Erkennung von Einbruchsversuchen ab. „Sie dient deshalb vor allem der Überwachung und Dokumentation.“ Ein Übergriff oder Einbruch lasse sich indes nicht verhindern. „Potenzielle Eindringlinge werden durch eine Videoüberwachung aber im besten Fall abgeschreckt.“
Offen, aber sicher – ohne Gitter
Sicherheits-Architektur könne aber auch eine verunsichernde Wirkung haben, warnt Gahn. „Wichtig ist vor allem, dass man im und um das eigene Heim sogenannte Angsträume vermeidet.“ Das sind Orte, die besonders dunkel, eng oder unbehaglich sind. Deswegen plädiert Stenger für eine offene Architektur, „die den Sicherheitsaspekt nicht außer Acht lässt“. Wichtig sei, dass Gebäude nicht von außen einsehbar seien.
Stenger und Gahn haben beim Thema Sicherheit ihre Nische gefunden. Sie schreiben sich ganz offensiv den Schutz von Bauten auf ihre Fahnen und punkten mit Detailwissen. „Sicherheit geht eben nicht immer zulasten der Ästhetik“, sagt Gahn. „Bewohner wollen ja nicht wie im Gefängnis leben.“ Auch Stenger liegt viel an einer möglichst transparenten Bauweise. Und das lasse sich selbst mit hoch gesicherten Gebäuden realisieren. „Weil offen nicht schutzlos heißt und transparent nicht komplett einsehbar bedeutet.“
Gitterstäbe und hohe Mauern haben Gahn und Stenger noch nie planen müssen.
Weitere Artikel und Informationen zum Thema Sicherheit und Schutz finden Sie in unserem aktuellen DABthema Schutz.
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