Von Matthias Zöller
Bei einem begrünten Holzdach mit Dämmung zwischen den Balken, ohne belüftete Schicht und innere Dampfsperre, waren die oberen Bereiche teilweise vollständig zerstört. Die Ursache war die – mit der Abdichtung nach außen und der Dampfsperre nach innen – völlig dicht aufgebaute Konstruktion. Dampfsperren vermindern zwar die Feuchtigkeitsbildung im Winter, verhindern im Sommer aber das Austrocknen der Konstruktion. Obwohl solche Dachkonstruktionen bei flachen und flach geneigten Dächern diffusionstechnisch, insbesondere nach DIN 4108-3 „Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden“, nachweisbar und keine nennenswerten Ausführungsfehler erkennbar sind, treten solche Fäulnisschäden seit einigen Jahren vermehrt auf. Auf die mit derartigen Dächern verbundenen Risiken weisen außerdem die DIN 68800-2 „Holzschutz im Hochbau“ und die im November 2014 erschienene Norm für klimabedingten Feuchteschutz (DIN 4108-3) hin. Dennoch lassen beide Normen die Bauweise unter bestimmten Bedingungen nach wie vor zu.
Das könnte Sie auch interessieren
Feuchtebildung erhöht, Austrocknung behindert
Was aber hat sich gegenüber nicht belüfteten Dachkonstruktionen mit dazwischenliegender Wärmedämmung geändert, die doch seit Jahrzehnten so ausgeführt werden? Der Grund dafür sind die deutlich gestiegenen Anforderungen an den Wärmeschutz der Gebäudehülle. Sie haben dazu geführt, dass die Hohlräume zwischen den Holzbalken in der Regel vollständig und ohne Lüftungsebenen über der Dämmung ausgefüllt werden. Diffusionsdichte Eindeckungen aus Blechen oder Abdichtungsbahnen liegen so direkt auf der Dachschalung auf, die, so glaubt man, zur Vermeidung von Tauwasserbildung diffusionshemmende Schichten raumseitig der Dämmschicht erfordern. Der hohe Wärmeschutz hat andererseits die eigentlich erwünschte Folge, dass außen liegende Bauteilschichten im Winter nicht mehr so stark erwärmt werden wie geringer gedämmte Dächer. Niedrigere Temperaturen führen aber zu einer höheren Luftfeuchtigkeit bei gleichbleibender gasförmiger Wassermenge, dem sogenannten Wasserdampf.
Der hohe Wärmeschutz brachte auch die Forderung nach einer luftdichten Ausführung der Gebäudehülle mit sich, um Energieverluste möglichst zu vermeiden. Eine absolute Luftdichtheit ist aber nicht erzielbar. Die maßgeblichen Regelwerke lassen deswegen Luftleckagen zu: Bei der EnEV sind dies n50 3,0/1,5; bei der DIN 4108-7 n50 3,0/1,5/1,0 und beim Passivhausstandard n50 0,6. Eine höhere Luftdichtheit bedeutet aber in Verbindung mit den nicht vermeidbaren kleinen Leckstellen, dass Luft bei unter den Dächern üblichen Überdruckbedingungen langsamer durch das Dach sickert. Dabei kühlt sie sich ab und die in ihr enthaltene Feuchtigkeit kondensiert. So warnt die DIN 4108-7: „Selbst bei Einhaltung der .… Grenzwerte sind lokale Fehlstellen in der Luftdichtheitsschicht möglich, die zu Feuchteschäden durch Konvektion führen können.“ Dieser Warnhinweis verdeutlicht, dass sich mit den in der Norm benannten Verfahren unter baupraktischen Bedingungen kleine Leckagen nicht völlig ausschließen lassen. Hinzu kommt: Nach den neuen Regelwerken (DIN 68800, Teile 1–4, DIN 4108, Teil 3) muss bei Nachweisen mit dem mittlerweile 60 Jahre alten Glaserverfahren die rechnerische Tauwassermenge 250 g/m² kleiner sein als die Menge, die rechnerisch im Sommerhalbjahr aus dem Dachquerschnitt verdunsten kann. Das ist allerdings mit bislang üblichen Dampfsperren nicht möglich.
Neue Regeln, sichere Dächer?
Die Frage ist: Lassen sich bei Beachtung der neuen Regeln überhaupt ausreichend fehlertolerante, beidseitig diffusionsdichte Dächer mit Dämmung in der Tragwerksebene ohne eine belüftete Schicht errichten? Die beiden instationären Rechenverfahren, WUFI vom Fraunhofer IBP oder Delphin der TU Dresden, die das veraltete Glaserverfahren sukzessive ablösen, stellen hohe Anforderungen an die Anwender. Da bereits kleine Abweichungen, wie Teilverschattungen oder Pfützen, das Rechenergebnis erheblich beeinflussen können, muss man bei der Erstellung des Nachweises richtige Antworten auf eine Reihe von Fragen finden. Anderenfalls sind Feuchtigkeitsprobleme vorprogrammiert. Wichtige Fragen sind beispielsweise:
- Was passiert bei späteren Änderungen, wie Umnutzungen, Teilverschattungen oder -begrünungen, Bekiesung oder dem Aufbringen eines Terrassenbelags?
- Welche Folgen sind bei einem Absacken des Dämmstoffs zu erwarten, durch das ein unkontrollierter Hohlraum auf der kalten Seite entsteht und sich Feuchtigkeit in die Tragwerksebene umlagern kann?
- Wenn der Feuchtegehalt von 12/15 ± 3 Masseprozent (baupraktisch bei nicht technisch getrockneten Hölzern oft 18 Masseprozent) unter der äußeren Sonnenerwärmung im Laufe der Zeit auf circa acht Prozent abtrocknet (das sind übliche Werte an Hölzern in trockenen Teilflächen von Dächern), reicht dann die Trocknungsleistung nach innen noch aus? Oder sind durch Feuchteumlagerungen parallel und senkrecht zur Dachebene Feuchtekonzentrationen an kühleren Stellen zu befürchten?
Offen bleibt, ob die hier zu beachtenden Einschränkungen und die Prüfpflicht beim Einbau nicht einen Hinweis auf eine grundsätzlich nur eingeschränkte Zuverlässigkeit der neuen Rechenverfahren geben. Anwender sollten sich daher genau überlegen, ob sich der Aufwand lohnt, vor allem auch, weil einfache und bessere Lösungen zur Verfügung stehen.
Einordnung der Bauweisen
Bei Holzdächern wird zwischen belüfteten und nicht belüfteten Dächern unterschieden (Grafiken 1 und 2). Dabei kommt es auf die Belüftung der Wärmedämmung auf der raumabgewandten Seite an. Die Belüftung kann auch über einer Winddichtung liegen, wenn diese diffusionsoffen ist – Winddichtungen sind aus energetischen Gründen sogar zu empfehlen (Grafik 3). Diese Art der Belüftung von Dächern entspricht den heutigen Anforderungen, während das „klassisch“ belüftete Dach (Grafik 1) mit einer Luftschicht unmittelbar über der Wärmedämmung wegen der von außen in die Konstruktion eingetragenen oder umgelagerten Feuchtigkeit nicht mehr zu empfehlen ist. Bei allen drei dargestellten Dachkonstruktionen bewirkt das Holz mit seiner gegenüber der Wärmedämmung höheren Wärmeleitfähigkeit Wärmebrückeneffekte. Die zum Ausgleich dickeren Dämmschichten führen dazu, dass die Höhe der Holzbalken nicht mehr nach der Tragfähigkeit, sondern nach der Wärmedämmschicht bemessen wird.
Wenn die Wärmedämmung aber nicht zwischen, sondern unterbrechungsfrei über den Traghölzern als Aufdachdämmung angeordnet wird (Grafik 4), kann die Höhe der Hölzer nach der Tragfähigkeit bemessen und damit reduziert werden. Zusammen mit der nicht erforderlichen Luftschicht und der höheren Effizienz der Wärmedämmung mit der Option, Dämmstoffe mit geringeren Wärmeleitfähigkeiten verwenden zu können, ergeben sich in der Regel geringere Bauteilhöhen als bei Dächern mit Wärmebrücken der Hölzer und Belüftungen. Bei Dächern mit Aufdachdämmungen kann gemäß DIN 4108-3 zwischen den Hölzern eine zusätzliche Wärmedämmung nachweisfrei von bis zu 20 Prozent des gesamten Wärmeschutzes angeordnet werden. Ein höherer Anteil bedarf eines diffusionstechnischen, besser aber eines instationären Nachweises, wobei ein Anteil von 30 Prozent, maximal aber 50 Prozent nicht überschritten werden sollte.
Ergebnisse aus der Forschung
Im Oktober 2016 ist der Forschungsbericht „Bewertung von Fehlstellen in Luftdichtheitsebenen – Handlungsempfehlung für Baupraktiker“ erschienen, der sich mit der Frage auseinandersetzt, wie dicht „dicht genug“ ist. Die Untersuchungen bestätigen, dass eine gute Luftdichtheit ein wesentliches Kriterium zur Schadensfreiheit ist. Die Praxis zeigt aber, dass es keine absolute Luftdichtheit gibt, kleinste Fehlstellen sich allerdings nicht auswirken. Sichtbare Lecks kann man ohne Diskussion sofort verschließen. Schwieriger wird es, wenn Luftdichtheitsebenen hinter Innenverkleidungen liegen und nicht mehr zugänglich sind. Unter Zuverlässigkeitsaspekten sind dauerhaft einsehbare Innenbekleidungen als Luftdichtheitsebene besser, die aber dann in allen Details einschließlich aller Durchdringungen luftdicht auszubilden sind.
Der Forschungsbericht des AIBau „Zuverlässigkeit von Holzdachkonstruktionen ohne Unterlüftung der Abdichtungs- oder Decklage“ von 2014 schlägt vor, Holzdächer mit Dämmung in Tragwerksebene ohne außenseitigen diffusionsoffenen Aufbau durch Monitoringverfahren über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren zu überwachen. Besser ist es aber, auf solche Überwachungsmaßnahmen verzichten zu können. Auch deshalb sind Aufdachdämmungen zu empfehlen. Die PDFs mit den Ergebnissen beider Forschungsarbeiten und weitere Veröffentlichungen stehen unter www.aibau.de kostenfrei zur Verfügung.
Haftungsrisiko umgehen
Ausreichend dimensionierte Belüftungsebenen sind zwar zuverlässiger als beidseitig diffusionsdichte Dächer. Durch Belüftungen kann allerdings auch Feuchtigkeit von außen in den Dachaufbau eingetragen werden, die beispielsweise bei kühlen Oberflächen innerhalb des Dachs zu Tauwasser führen kann. Dieser Effekt ist von der Tauwasserbildung an Fahrzeugen bekannt, die insbesondere im Spätsommer im Freien über Nacht nass werden können. Bei flachen und flach geneigten, belüfteten Dächern sollten zur Vermeidung von Schimmelpilzbildungen innerhalb der Bauteile keine Holzwerkstoffe oder Holzfaserplatten angrenzend zur belüfteten Schicht verwendet werden, sondern Massivhölzer als obere, tragende Schalung und Unterdeck- beziehungsweise Unterspannbahnen. Architekten begeben sich in ein Risiko, wenn sie Konstruktionen planen, die bereits nach kurzer Zeit schadhaft werden können. Bei Flachdächern aus Holz lässt sich das Problem durch die Trennung von Tragwerk und Wärmeschutz einfach umgehen. Häufig sind diese Konstruktionen sogar schlanker als solche mit Wärmedämmung in Tragwerksebene und mit belüfteter Schicht.
Prof. Matthias Zöller ist Architekt und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden
Mehr Informationen zum Thema Technik erhalten Sie hier
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: