Text: Joachim Edeler
Durch die stetig gestiegenen energetischen Anforderungen an Gebäude hat auch die Dämmstoffdicke für Wärmedämm-Verbundsysteme zugenommen. 25 bis 30 Zentimeter dicke Dämmstoffplatten sind längt keine Seltenheit mehr. Zur Ausführung dieser Arbeiten werden zwangsläufig geeignete Gerüste benötigt, bei denen die Besonderheiten der Ausführung einer Fassade mit Wärmedämm-Verbundsystemen zu beachten sind. Der übliche Gerüstabstand muss der Dicke der Wärmedämmung entsprechend vergrößert und die Gerüstbreite muss dem Arbeitsverfahren angepasst werden, da das Dämmmaterial auf dem Gerüst zwischengelagert und verarbeitet wird. Darüber hinaus muss auch noch eine ausreichende Arbeitsraumbreite vorhanden sein.
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Gerüstbreite vom Dämmmaterial abhängig
In den meisten Fällen werden 1,00 x 0,50 Meter große Polystyrol-Hartschaumplatten oder 1,00 x 0,625 Meter große Mineralwolleplatten verwendet. Da diese Dämmplatten auf dem Gerüst gelagert und verarbeitet werden müssen, ist eine Gerüstbreite von mindestens 0,90 Metern erforderlich. Für den Gerüstbau bedeutet dies, dass hier ein Gerüst der Systembreitenklasse SW09 (DIN EN 12810-1:2004-03 Fassadengerüste aus vorgefertigten Bauteilen – Teil 1: Produktfestlegungen) oder ein Gerüst der Systembreitenklasse SW06 mit einer 0,30 Meter breiten Konsole errichtet werden muss.
Üblicherweise sind Gerüste der Systembreitenklasse SW09 für eine Lastklasse 4 (DIN EN 12811-1:2004-03 Temporäre Konstruktionen für Bauwerke – Teil 1: Arbeitsgerüste) bemessen. Bei der Ausführung dieser Wärmedämm-Verbund-Fassaden ist jedoch im Regelfall eine Lastklasse 3 mit einer zulässigen Belastung von 2 kN/m2 ausreichend.
Wandabstände und Seitenschutz
Ein etwas größeres Problem ergibt sich jedoch bei dem nötigen Abstand des Gerüstes zur Fassade. Ohne zusätzliche absturzsichernde Maßnahmen darf der maximale Wandabstand in keiner Ausführungsphase 0,30 Meter überschreiten. Um diese Forderung zu erfüllen, ist es erforderlich, dass das Gerüst während der Ausführung der Arbeiten verändert wird. Bevor die Wärmedämmung aufgebracht wird, ist auf der Innenseite des Gerüstes ein mindestens zweiteiliger Seitenschutz erforderlich. Im Schutze des innen liegenden Seitenschutzes können dann die Vorarbeiten zum Aufbringen der Dämmung erfolgen. Der Seitenschutz auf der Gerüstinnenseite wird entfernt, sobald die Wärmedämmung bis auf Höhe des Gerüstbelages angebracht ist.
Der Abstand zwischen Gerüstbelag und Wärmedämmung darf dann maximal 0,30 Meter betragen. Es ist daher unbedingt erforderlich, dass der Gerüstbauer exakte Angaben über den richtigen Gerüstabstand bei der Gerüsterstellung erhält. Auf der Innenseite eines Gerüstes muss nur ein zweiteiliger Seitenschutz, auf der Außenseite dagegen ein dreiteiliger Seitenschutz mit Bordbrett vorhanden sein. Denn wäre auf der Gerüstinnenseite auch ein Bordbrett vorhanden, würde der Beschäftigte beim Bearbeiten der Fassade ständig mit den Fußspitzen dagegentreten.
Verankerung an der Fassade
Die vor der Fassade aufgestellten 0,60 oder 0,90 Meter breiten Gerüste sind in der Regel nicht frei stehend standsicher und müssen daher an der Fassade beziehungsweise am Bauwerk verankert werden. Damit die auftretenden Kräfte, die durch Arbeitsbetrieb und Wind entstehen, in den Verankerungsuntergrund abgeleitet werden können, sind bei einem WDVS einige Randbedingungen zu beachten. Im Regelfall werden die Gerüsthalter über den inneren und äußeren Gerüstständer oder auch nur über den inneren Gerüstständer in der im Bauwerk verankerten Ringösenschraube (Durchmesser zwölf Millimeter) eingehakt.
Damit die parallel zur Fassade wirkenden Kräfte aus Arbeitsbetrieb und Wind von der Ringösenschraube aufgenommen werden können, darf diese maximal sieben Zentimeter aus dem tragfähigen Untergrund, Mauerwerk oder Beton, herausragen. Die in vielen Fällen in der Praxis verwendeten langen Ringösenschrauben dürfen daher nur an den Verankerungspunkten verwendet werden, an denen keine Kräfte parallel zur Fassade, sondern nur Zugkräfte auftreten. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn entsprechend der jeweiligen Aufbau- und Verwendungsanleitung des Gerüstsystems jede dritte oder fünfte waagerechte Verankerung so ausgeführt wird, dass diese die parallel zur Fassade wirkenden Kräfte aufnehmen kann. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass zusätzliche Druckabsteifungen zum Bauwerk erforderlich sind.
Dafür stellen Gerüsthersteller wie Alfix, Layher oder Harsco spezielle Verankerungselemente zur Verfügung. Zu beachten ist, dass diese Verankerungselemente nach Beendigung der Dämmarbeiten wieder ausgebaut werden und somit für eine spätere Fassadensanierung nicht mehr genutzt werden können. Um auch zu einem späteren Zeitpunkt Gerüste für die Fassadensanierung aufbauen zu können, empfiehlt die Technische Regel DIN 4426:2013-12 (Einrichtungen zur Instandhaltung baulicher Anlagen – Sicherheitstechnische Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege – Planung und Ausführung) in Abschnitt 7:
„Werden die tragenden Bauteile einer Außenwand mit Fassadenkonstruktionen versehen, die keine Verankerungskräfte temporärer Arbeitsplätze aufnehmen können, sind dauerhafte Vorrichtungen für die Verankerungen temporärer Arbeitsplätze für künftige Arbeiten an der Fassade vorzusehen. Der Montagebetrieb muss den Einbauort sowie die Tragfähigkeit in Übereinstimmung mit den Technischen Baubestimmungen bestätigen und dokumentieren.“
Zu diesen Fassadenkonstruktionen zählen unter anderem Vorhangfassaden, WDVS und zweischaliges Mauerwerk. Werden solche Daueranker mit Dübeln im Bauwerk verankert, so ist darauf zu achten, dass die Dübel bauaufsichtlich zugelassen sind. Der Zulassung sind die aufnehmbaren Kräfte und der Abstand der Dübel untereinander zu entnehmen. In Mauerwerk, dessen Steingüte nicht mehr bestimmt werden kann, können keine Dübelverankerungen für Daueranker eingebaut werden.
Alternative Sicherungsvarianten
Bei ein- und zweigeschossigen Gebäuden muss das Gerüst nicht unbedingt an der Fassade verankert werden. Ist vor ihm Platz für eine außenseitige Abstützung, bietet sich ein frei stehendes Gerüst an. Auch bei höheren Gebäuden besteht die Möglichkeit, Gerüste so zu errichten, dass keine parallel zur Fassade auftretenden Kräfte über die Verankerung in sie abgeleitet werden müssen.
Hier können zum Beispiel auf der Gerüstaußenseite Gitterträger montiert werden, die die Parallelkräfte über die Gebäudeecke leiten, wo sie als Druckkräfte in die Fassade abgeleitet werden. Alle frei stehenden Gerüste und sonstigen Sonderkonstruktionen erfordern jedoch immer einen Standsicherheitsnachweis für den Einzelfall. Diese Aufbauvarianten sind nicht Bestandteil der Regelausführung der Gerüstsysteme.
Für alle Verankerungen gilt, dass die vom Auftraggeber gewählte Art in jedem Fall in der Leistungsbeschreibung nach ATV DIN 18451 VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen [ATV]: Gerüstbauarbeiten) für die Gerüstbauarbeiten niedergeschrieben werden muss.
Zugänge zum Gerüst
Jedes Gerüst muss selbstverständlich auch Zugänge zu den einzelnen Belagsebenen erhalten. Bei den umfangreichen Arbeiten für ein WDVS muss als Zugang eine geeignete Treppe zur Verfügung stehen. Der innen liegende Leitergang, den der Gerüstbauer im Rahmen der Nebenleistung erstellt, reicht hier nicht aus.
Üblicherweise wird als Zugang zu den Belagsebenen die von den Gerüstherstellern angebotene Gerüsttreppe verwendet. Sofern in jeder Belagsebene ein gefahrloser Übergang von der Geschoss- zur Gerüstebene vorhanden ist, kann jedoch auch die Gebäudetreppe als Zugang eingesetzt werden. Auch die vorgenannte Gerüsttreppe ist in der Leistungsbeschreibung mit auszuschreiben.
Dipl.-Ing. Joachim Edeler ist Leiter Sachgebiet Hochbau im Fachbereich Bauwesen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) a.D.
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Werte Leser, dieser Beitrag ist äußert gut recherchiert und sehr wertvoll für Planer, Bauherren und Handwerker, denn leider haben sich Daueranker Noch immer nicht in allen Bereichen wie WDVS Fassaden etabliert, sogleich diese schon seit Jahrzehnten im Bereich der Vorhangfassaden Standard sind. Herr Dipl. Ing Edler hat mir seinerzeit auf einem Seminar in Lahnstein gesagt, das es für einen Kunstoff Gerüstdaueranker keine Zukunft geben wird, obwohl dieser durch thermische Entkopplung nahezu ein Novum am Markt ist, äußert kostengünstig und zudem noch schnell zu montieren ist ! Nun ja, dieser Kunstoff Daueranker ist nun der erste gerüstdaueranker der eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung hat und bislang auch der Einzige. Daher muss ich nun doch ein wenig Kritik an der Recherche äußern, denn wiederkehrende Befestigungen von Gerüsten, am Gerüstverankerungen die dauerhaft im Bauwerk verbleiben, bedürfen einer Zulassung oder einer Zustimmung im Einzelfall. Lediglich die Zulassung eines Dübels und oder Befestigungssystem ist in diesem Fall nicht ausreichend, wohl aber für eine temporäre Befestigung, welche gemäß der Handlungsanweisungen für dem Umgang mit Gerüsten der Berufsgenossenschaft für Bauwirtschaft unterliegt und keinerlei Zulassung Bedarf. Ich Beschäftigte mich nun seit über 3 Jahren intensiv und täglich mit dem Thema Gerüstdaueranker und stoße auch immer wieder auf Änderungen und Neuigkeiten zu diesem Thema, sowie das immer noch große Unsicherheit bei den Anwendern vorherrscht. Ich würde es begrüßen, wenn alle Verantwortlichen von BG Bau, gerüstbauinnung, Architekten Innung sowie die involvierten Behörden gemeinsam eine Richtlinie diskutieren würden, um die vielen noch immer offenen Fragen, abschließend aus der Welt schaffen zu können. Ich wünsche allen Lesern stets Sicherheit, Gesundheit und Erfolg bei der Umsätzung Ihrer Projekte !
Mit freundlichen Grüßen D. Lutzke