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Smart gespart

Ob Stahl oder Holz, Beton oder Lehm – dass der sparsame Umgang mit ­Ressourcen überall angekommen ist, zeigte der DAB Jahreskongress „Kunst – Material – Technik“. Die Herangehensweisen sind aber höchst verschieden

12.12.20184 Min. Kommentar schreiben
Das begehbare Dachtragwerk der Trumpf Smart Factory in Chicago von Barkow Leibinger Architekten mit den Ingenieuren von Knippers Helbig.

Von Heiko Haberle

Beton ist viel zu kostbar, um ihn überall einzusetzen“, so der Bauingenieur Manfred Grohmann (Bollinger + Grohmann Ingenieure) im November auf dem DAB Jahreskongress. Stattdessen plädierte er für Holz oder Stahl, wobei dank parametrischer Prozesse Konstruktionen optimiert und der Materialverbrauch minimiert werden können. Sein Berufskollege Thorsten Helbig (Knippers Helbig) zeigte anhand von Dachkonstruktionen, wie weit deren Eigengewicht reduziert werden kann. Die für Barkow Leibinger Architekten entwickelten, 45 Meter überspannenden Vierendeel-Träger der Trumpf Smart Factory in Chicago konnten trotz ihrer Begehbarkeit auf 75 Kilogramm pro Quadratmeter Dachoberfläche heruntergerechnet werden. Die nicht begehbare, frei geformte Dachkonstruktion des Einkaufzentrums MyZeil in Frankfurt wurde sogar auf 35 Kilogramm optimiert.

Das Bürohaus „Cube“ von 3XN Architects entsteht derzeit am Berliner Hauptbahnhof.

Virtuelle Prozesse helfen auch bei der Entwicklung von Glasfassaden, wie etwa am gerade im Bau befindlichen Bürohaus „Cube“ in Berlin. Im digitalen Fassadenmodell kann jede einzelne Verankerung angewählt und bearbeitet werden, wie Architekt Torben Øster-gaard (3XN) zeigte. Im Idealfall ist auch die Produktion digitalisiert, sodass es keine Rolle mehr spielt, ob Tausende gleiche oder Tausende unterschiedliche Scheiben und Anker gefertigt werden.

Der „Woodscraper“, den Partner und Partner Architekten in Woflsburg planen, besteht ganz überwiegend aus Holz.

Möglichst wenig Technik streben hingegen Jörg Finkbeiner und Klaus Günter (Partner und Partner Architekten) an: „Komplexe Fragen brauchen möglichst einfache Lösungen.“ So wird das Holzhochhaus, das sie derzeit in Wolfsburg planen, leimfrei bleiben und komplett rückführbar sein, denn „ein Rückbau soll keine Kosten verursachen, sondern Kapital freisetzen“. Das bedeutet auch einen Verzicht auf irreversible Verbundbauteile, wie etwa Fußbodenheizungen, und dafür einen stringenten Grundriss mit wenigen Installationsschächten und weitgehend frei aufteilbaren Geschossen.

 

Das Wohnhaus „Elli“ in Zürich planten Holzer Kobler aus Beton-Fertigteilen.

Holz war an diesem Tag bei der Energiebilanz kaum schlagbar, denn während eine Tonne Holz etwa zwei Tonnen CO2 bindet, könnte man für die Produktion einer Tonne Stahl zweimal den Äquator mit dem Pkw umrunden (ca. 3,8 t CO2). Und mit der grauen Energie, die in 100 Quadratmetern Betondecke (bei 24 Zentimetern Stärke) enthalten ist, würde man es zumindest um den halben Äquator schaffen, wie Thorsten Helbig und Jörg Finkbeiner vorrechneten. Beton sollte also, nicht nur angesichts immer knapperer Sandvorräte, mit Bedacht genau dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist. Solch ein Projekt stellte Barbara Holzer (Holzer Kobler Architekturen) mit dem Züricher Wohnhaus „Elli“ vor, das auf einem beengten Bauplatz an einer Brandwand entstand. Weil die Baukosten direkte Auswirkungen auf die Miete haben würden, sollte schnell, platzsparend und günstig gebaut werden, was dank Beton-Fertigteilen und deren geringer Konstruktionstiefe gelang.

Das „House of One“ von Kuehn Malvezzi wird massive Ziegelmauern haben.

Ungleich massiver werden die Ziegelwände des „House of One“ sein, das in Berlin als gemeinsames Gotteshaus von Judentum, Islam und Christentum geplant ist (siehe hier). Der uralte Baustoff Ziegel, der in fast allen Kulturen der Welt bekannt ist, diene dabei als verbindendes Element, wie Architektin Anna Naumann (Kuehn Malvezzi Architects) erläuterte. Als Sakralbau von der EnEV befreit, ist ein 95 Zentimeter starkes Mauerwerk ohne Dämmung und ohne Dehnfugen möglich. Die Haustechnik wird in den Wänden in Schächten verborgen.

Der Lehm für das „Haus Rauch“ stammt aus dem eigenen Aushub.

Noch elementarer sind wohl nur Lehmbauten, in denen noch heute ein Drittel der Menschheit lebe, wie Martin Rauch (Lehm Ton Erde) berichtete. Anhand aktueller Beispiele aus Afrika, Arabien oder China und historischer Beispiele aus Deutschland demonstrierte er, dass Lehm bis zu 20 Metern Höhe statisch eingesetzt werden kann und dauerhafter ist als Beton, weil keine Korrosion eintritt. Außerdem gleicht Lehm unterschiedliche Raumfeuchtigkeiten aus, braucht keine Dehnfugen und lässt sich als Fassadenelement oder als konstruktives Fertigteil vorfabrizieren, wobei Fugen wiederum mit Lehm kaschiert werden können. Doch alles Wissen und alle Techniken muss man sich heute selbst aneignen, denn seit der Industrialisierung habe man „vergessen“, den Lehmbau technisch und gestalterisch weiterzuentwickeln, so Rauch. Die Folge: kaum spezialisierte Firmen und nur wenige Fachleute. Sein eigenes Lehmhaus hat Rauch komplett aus dem Aushub errichtet, und auf Komfort muss er keineswegs verzichten, denn auch eine Fußbodenheizung konnte er integrieren.

Auch das international tätige norwegische Büro Snøhetta setzt bei einem Projekt in ­Saudi-Arabien mit Unterstützung von Martin Rauch Lehm ein, wie die Architektin Jette Hopp in der Keynote des Tages zeigte. Snø­hetta nutzt für seine Projekte, die vom Bienenstock bis zum Wolkenkratzer reichen, das komplette Materialspektrum und wählt je nach Bauaufgabe, was passt. Und man geht dabei beide Wege: mal den hoch technisierten mit digitalisierter Formfindung und Produktion, mal den traditionell-handwerklichen mit einfachen Lösungen.

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