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Software mit viel Energie

Energiesparhäuser werden in einigen Jahren Pflicht. Hilfe bei Planung, Berechnung und dem Nachweis von Passiv-, Null- oder Plusenergiehäusern bietet spezielle Simulationssoftware

30.01.20137 Min. Kommentar schreiben

Text: Marian Behaneck

Gut gerechnet: Studenten der TU Darmstadt gewannen 2009 den Wettbewerb „Solar Decathlon“ mit einem aufwendig berechneten Plusenergiehaus. Foto: ABB

Planung, Berechnung und der Nachweis von Passiv-, Null- und Plusenergiehäusern sind keineswegs trivial – und nur mit Software-Unterstützung wirtschaftlich realisierbar. Die EU-Gebäuderichtlinie 2010/31 gibt nur einen allgemeinen Rahmen für die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz vor, deutet aber schon die Komplexität der Berechnung an: Die Effizienz ist anhand der berechneten oder tatsächlichen Energiemenge zu bestimmen, die jährlich für Heizung und Kühlung sowie durch den Wärmebedarf für Warmwasser aufgewendet wird. Bei der Berechnung sind thermische Gebäudeeigenschaften einschließlich der Innenbauteile zu berücksichtigen, ferner die Heizungsanlage und Warmwasserversorgung, die Klimaanlage, Belüftung und Beleuchtung, die Gebäudegestaltung, -lage und -ausrichtung einschließlich des Außenklimas, ferner passive Solarsysteme und Sonnenschutz, Innenraumklima-Bedingungen sowie interne Lasten.

Mit herkömmlichen Rechenverfahren oder stationären Wärmebilanzverfahren lassen sich nur begrenzt Varianten bilden; die Aussagekraft ist gerade für Gebäude mit sehr niedrigem Heizwärmebedarf gering. Es werden nur ungefähre Richtwerte ermittelt. Wichtige Größen, wie etwa interne oder solare Wärmegewinne, werden mit Durchschnittswerten berücksichtigt. Hinzu kommen Sicherheitszuschläge, die häufig zu einer Überdimensionierung von Anlagenkomponenten führen. Da konventionelle Rechenverfahren für konventionelle Gebäude entwickelt worden sind, lassen sich aber auch umgekehrt Unterdimensionierungen von Heiz- und Kühlanlagen nicht ausschließen.

Das Wetter von morgen simulieren

Räume bilden: Raumzonen und ihre energetischen Eigenschaften lassen sich per Software in 3-D generieren, simulieren und berechnen. Darstellung: Hottgenroth
Ergebnisse zeigen: Monats- oder Stundenwerte geben einen Überblick über relevante Energiedaten wie Transmission, Lüftung oder Solarstrahlung. Diagramm: Hottgenroth

Für die Verwendung exakterer Planungswerkzeuge oder eines dynamischen Simulationsprogramms spricht, dass damit auch über die Temperaturen im Gebäude und die Behaglichkeit für die Nutzer verlässliche Aussagen getroffen werden können. Das ist gerade bei Niedrig- und Niedrigstenergiehäusern sinnvoll, weil einerseits die Gefahr sommerlicher Überhitzung droht, andererseits eine zu geringe Heizleistung im Winter. Weisen die Gebäude zudem eine besondere Form und Nutzung auf, sind Simulationen quasi Pflicht. Je größer ein Gebäude oder je ungewöhnlicher die Gebäudeform oder die Nutzungsart ist, desto sinnvoller ist der Einsatz von Simulationsprogrammen.

Die Gebäudesimulation kann mehrere Einflussfaktoren präzise darstellen – etwa die Außentemperatur, Sonneneinstrahlung und Luftfeuchte. Sie berücksichtigt auch reale Wetterdaten und Nutzer-Variablen wie Personen- und Gerätewärme oder das Lüftungsverhalten. Da auch Gebäudedaten wie die Gebäudegeometrie, der Bauteilaufbau, der Fensteranteil, die Verschattung oder die Gebäudetechnik berücksichtigt werden, ist eine realitätsnahe Simulation möglich. Dynamische Gebäudesimulationsprogramme erlauben tiefer ins Detail gehende Untersuchungen, denn sie ermitteln die gewünschten Daten in einer hohen zeitlichen Auflösung – in der Regel auf der Basis stündlicher Werte. Somit lassen sich insbesondere in kritischen Zeitabschnitten sehr genaue Vorhersagen hinsichtlich Energieverbrauch, Temperaturverhältnisse und Komforttreffen.

Dynamische Simulationen haben jedoch ein Problem: Der Eingabe- und Rechenaufwand ist aufgrund der Vielzahl zu berücksichtigender Daten hoch. Für ein einfaches Einfamilienhaus kommen schnell mehrere Tausend Eingabedaten zusammen. Alle Daten müssen korrekt und gemäß der tatsächlichen Gebäudegeometrie, dem Umfeld und anderen Randbedingungen berücksichtigt werden, wenn die Simulation zuverlässige Ergebnisse liefern soll.

Als Beispiel sei hier nur die Berücksichtigung der winkelabhängigen Strahlungstransmission durch die Gebäudeverglasung genannt. Dieses auf den ersten Blick unscheinbare Detail ist für die Untersuchung des sommerlichen Innenklimas nicht unerheblich, da beispielsweise eine vertikale Südverglasung im Sommer wegen des flachen Einfalls der Solarstrahlung einen niedrigeren Energiedurchlassgrad hat als im Winter. Sehr wichtig bei der Berücksichtigung solarer Gewinne ist die geometrisch exakte Ermittlung der Eigenverschattung durch Balkonüberstände oder Fensterlaibungen, aber auch die Fremdverschattung durch Nachbargebäude oder die Vegetation.

Genießen nach dem Rechnen: Am Ende solider Kalkulationen steht das schöne Leben der Bewohner – zum Beispiel auf dem „Sonnenschiff 4“ von Rolf Disch in Freiburg.
Aufklärung: Das Forschungs- und Lehr- programm „Casa nova“ der Universität Siegen will Verständnis für Einflussgrößen und Zusammenhänge vermitteln. Darstellung: CASAnova

Mut zur Datenlücke

Auch das beste Simulationsmodell kann jedoch nicht alle physikalischen Prozesse und Randbedingungen angemessen berücksichtigen. Zu komplex wären die Software und deren Bedienung, zu groß die Fehlerquote bei der Eingabe. Deshalb wurden Planungswerkzeuge mit vereinfachten Modellen entwickelt, die ein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten günstigeres Verhältnis von Eingabeaufwand und Ergebniszuverlässigkeit versprechen. Vereinfachte Berechnungsmodelle erleichtern die Dateneingabe und Bedienung, verringern damit die Fehlerwahrscheinlichkeit und beschleunigen die Berechnung. Ermöglicht wird dies unter anderem durch an die Planungsaufgabe optimal angepasste Rechenverfahren, die Berechnung von Monatsenergiebilanzen nach DIN EN ISO 13790 anstelle dynamischer Simulationen mit hoher zeitlicher Auflösung sowie die Berücksichtigung der Erfahrungen aus einer Vielzahl validierter dynamischer Simulationsmodelle. An einigen Stellen wird bewusst von der Norm abgewichen – etwa bei der Berücksichtigung interner Wärme­quellen, solarer Gewinne oder den Temperaturkorrekturfaktoren. Obwohl Vereinfachungen stets mit einem Verlust an Genauigkeit einhergehen, konnte das Darmstädter Passivhaus-Institut in einem Vergleich der Berechnungsergebnisse mit den Messwerten gebauter Passivhäuser eine hohe Übereinstimmung nachweisen. Für einige Anwendungsfälle sind sogar vereinfachte Modelle noch zu

Praxis: Die TU Berlin tourte mit einem selbst konstruierten und berechneten Plusenergiehaus durch Deutschland.

komplex. So stehen in sehr früher Projektplanungsphase (Grundlagenermittlung, Vor- und Entwurfsplanung) Parameter noch nicht fest, die für eine detaillierte Energiebilanz gebraucht werden. Deshalb werden auch Softwarelösungen offeriert (z.B. PHVP), die für diese Parameter Vorgabewerte vorschlagen. Einzugeben sind im Wesentlichen nur noch die Wohnfläche, die Flächen und Wärmedurchgangskoeffizienten der Gebäudehülle sowie die Auslegung der Lüftungsanlage. Auf der Grundlage der eingegebenen Daten kann mit geringem Mehraufwand der erforderliche Nachweis nach der Energieeinsparverordnung erstellt werden. Das vereinfachte Verfahren der Passivhaus-Vorprojektierung behandelt teilweise jedoch nur das Gebäude selbst und berücksichtigt weder die Haustechnik noch Umgebungseinflüsse.

Freie Programme fürs Passivhaus

Die angebotenen Software-Lösungen sind für die Auslegung und Berechnung von Passiv-, Null- und Plusenergiehäusern unterschiedlich gut geeignet. Die Online-Zusatzinformationen enthalten eine Anbieter-/Programmübersicht, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Passivhaus-Planungssoftware für die grobe Vorplanung oder für Lehrzwecke gibt es kostenfrei. Für ein vereinfachtes Einzonenmodell und für Monatsbilanzverfahren sind die Preise zwei- bis dreistellig. Umfassende dynamische Simulationslösungen kosten mehrere Tausend Euro.

Ergebnisse: Ein Programme für die energetische Gebäudeoptimierung der Hafencity-Universität Hamburg soll Entscheidungen in einer frühen Projektphase erleichtern. Darstellung: Primero

Beispielhaft sei hier das vom Passivhaus-Institut angebotene „Haus Projektierungs Paket“ (PHPP) für Wohn- und Nichtwohngebäude genannt. Es besteht im Wesentlichen aus Tabellenkalkulations-Rechenblättern und einem Handbuch mit Planungstipps. Enthalten sind Werkzeuge für die Berechnung von Energiebilanzen, inklusive U-Wert-Berechnung, die Projektierung der Fenster und der Lüftung, die Auslegung der Heizlast, die Voraussage für den sommerlichen Komfort, die Auslegung von Heizung und Warmwasserbereitung sowie weitere Werkzeuge wie der Nachweis für die Förderung von Passivhäusern (z.B. durch die KfW).

Die kostenlos herunterladbare Passivhaus Vorprojektierung (PHVP) ist eine stark vereinfachte Version des PHPP-Pakets. Sie dient zur groben Ermittlung des zu erwartenden Heiz-

wärmebedarfs eines Gebäudes in früher Planungsphase. Ebenfalls am Passivhaus Institut wurde das dynamische Simulationsprogramm DYNBIL entwickelt. Das Programm berücksichtigt dynamische Wärmeströme, konvektive Wärmeübergänge an Raumoberflächen, den Strahlungswärmeaustausch im Raum, den Einfluss des Einfallswinkels für den Strahlungsdurchgang an Fenstern und deren Verschattung, ferner Lüftungswärmeverluste, den Wärmeübergang an Außenoberflächen sowie interne Wärmequellen. Auch die vom Einfallswinkel abhängige Transmission und Strahlungsabsorption wird zu jedem Zeitpunkt in Abhängigkeit vom Sonnenstand und getrennt für die diffuse Strahlung berücksichtigt.

Neben kommerziellen Produkten gibt es auch für die Forschung und Lehre entwickelte Anwendungen (z.B. Casa Nova, EneC Gebäudesimulation oder Primero).

Auf den Input kommt es an

Die Unterschiede der Programme sind beträchtlich in Bezug auf den Eingabe- und Funktionsumfang, die Berechnungsverfahren, aber auch in Bezug auf die Benutzerführung und das vorausgesetzte Fachwissen. Angesichts unterschiedlicher Berechnungsalgorithmen sind auch Unterschiede in der energetischen Bewertung von Gebäuden unvermeidlich, wobei die Ergebnisse nicht nur von der Software abhängen, sondern auch von den Eingabewerten und der Sorgfalt bei der Eingabe. Werden beispielsweise Wärmebrücken, interne Energiegewinne oder Verschattungsfaktoren lediglich überschlägig erfasst oder durchschnittliche Vorgabewerte übernommen, sind zwangsläufig auch die Ergebnisse unpräzise.

Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz)

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