Dr. Klaus Fockenberg
Würde man nur vier Prozent der Sahara mit solarthermischen Kraftwerken ausstatten, wäre das Energieproblem so gut wie gelöst. Selbst dann, wenn der Energiebedarf weiter steigt. Jeden Tag schickt die Sonne etwa 15 000-mal mehr Energie zur Erde als die Weltbevölkerung derzeit verbraucht. Viele Wissenschaftler sehen deshalb die Zukunft in einer solaren Weltwirtschaft, doch es ist noch ein langer Weg bis dahin. Tatsache aber ist, dass sich mithilfe intelligenter solarer Bausysteme erhebliche Einsparpotenziale realisieren lassen.
Um Solarenergie wirtschaftlich zu nutzen, stehen die beiden Technologien der Solarthermie und Fotovoltaik zur Verfügung. Thermische Solaranlagen haben inzwischen einen hohen Grad an Zuverlässigkeit erreicht. Unterschieden werden Flach- und Vakuumröhrenkollektoren. Beide sind in der Lage, die komplette Warmwasseraufbereitung und Beheizung von Gebäuden sicherzustellen. In unseren Breiten dienen sie aufgrund der klimatischen Verhältnisse häufig nur als zusätzliche Wärmequelle. Sollen solche Systeme eingesetzt werden, müssen sich Architekt und Haustechniker sehr früh abstimmen. Sebastian Herkel, Experte für die Kombination von Solarenergie-Gewinnungsmethoden am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg: „Der Wirkungsgrad der Anlage hängt zum Beispiel stark vom Neigungswinkel der Kollektoren ab.“
Solarthermie und Fotovoltaik
Die Röhrenkollektoren besitzen noch einen weiteren, bisher aber wenig genutzten Vorteil: In Verbindung mit einer Klimaanlage können sie zur Gebäudekühlung herangezogen werden. Dabei wandeln die aus speziellen Gläsern gebauten Kollektoren die Sonneneinstrahlung in Wärme um und führen sie einer thermisch betriebenen Kälteanlage zu. Statt Strom wird so die Verdunstungskälte genutzt. Und: Gerade dann, wenn im Sommer die höchste Kühlleistung benötigt wird, ist die Ausbeute der Anlage am größten.
Der zweite Bereich der Solarenergienutzung ist die Fotovoltaik. Seit mehr als zehn Jahren erlebt diese Technologie zur Stromerzeugung insbesondere durch gezielte Markteinführungsprogramme in Japan, Frankreich und Deutschland einen Boom. Die weltweit installierte Spitzenleistung ist in diesem Zeitraum von wenigen hundert Megawatt auf rund sechs Gigawatt gewachsen.
Die Fotovoltaik arbeitet derzeit an zwei Verfahren, die sich durch die verwendeten Materialien unterscheiden: Solarzellen auf Siliziumbasis und Dünnschichtmodule mit Alternativstoffen wie einer Kupfer-Indium-Diselenid-Verbindung. Obwohl die Technologie der „grünen“ Energiegewinnung durch politische Lobbyarbeit sehr populär geworden ist, ist die tatsächliche globale Bedeutung noch gering. Herkel: „Sind Fotovoltaikmodule geplant, müssen absolut verschattungsfreie Flächen vorhanden sein. Selbst der Schatten einer Antenne würde die Leistung beeinträchtigen.“
Bis heute liefern Solarzellen weniger als 0,1 Prozent des weltweiten Energiebedarfs. Um diesen Zustand wirkungsvoll zu verändern, müssen die Fotovoltaikelemente vor allem preiswerter werden. Die Wissenschaftler des ISE forschen deshalb in diesem Bereich an Alternativen. Ein Ziel ist es, die Zellen immer dünner, sprich materialsparender, zu produzieren, bei gleichzeitig höherer Stromausbeute. Ein anderes Verfahren, eine höhere Stromausbeute zu erreichen, funktioniert über die Bündelung des Sonnenlichtes mittels Linsen. „Bisher rechnet sich diese Technologie aber nur bei großen Freiflächenanlagen in südlichen Ländern“, relativiert Sebastian Herkel.
Individuelle Gestaltung mit Dünnschichtmodulen
Deshalb arbeitet man beim Freiburger Institut auch verstärkt an Zellen, die nur noch ein Fünftel der bisher üblichen Menge des hochreinen Siliziums benötigen. Ein weiterer Zweig der Solarenergieforschung sucht nach alternativen Materialien. Dünnschichtmodule auf der Basis von Kupfer-Indium-Verbindungen als direkte Halbleiter werden ebenso wie die Siliziumvarianten in einem einzigen Arbeitsschritt auf Trägerelemente wie Glas aufgedampft. Die so produzierten Module sind variabel in Größe und Form, können durch Pfosten-Riegel-Konstruktionen befestigt werden, ohne dass die Leitungen sichtbar bleiben, und sind heute schon in der Gestaltung äußerst anpassungsfähig.
Solche dünnbeschichteten Solargläser erfüllen auch die baurechtlichen Vorschriften und erlauben dem Architekten fast jede gewünschte Fassadengestaltung. Sowohl hinterlüftete Kalt- als auch Warmfassaden lassen sich realisieren, ebenso starre oder bewegliche Sonnenschutzelemente. Punkt- und linienförmige Befestigungen sind ebenso möglich wie unsichtbare Halterungen. Selbst die Netzanschlusskabel der PV-Module können in den Unterkonstruktionen versteckt untergebracht werden.
Die neuen halbtransparenten Fotovoltaikmodule lassen nur zehn Prozent der Sonneneinstrahlung und der Wärme passieren. 90 Prozent des Sonnenlichts werden zur Energiegewinnung genutzt. Gleichzeitig bleibt die Sichtbeziehung zwischen Innenraum und Außenwelt erhalten. Das dahintergesetzte Flachglas wirkt isolierend und setzt ästhetische Akzente. Dabei wird zwischen reinen farbigen Gläsern und bedruckten farbigen Gläsern unterschieden, die sowohl eine Sonnenschutzfunktion übernehmen als auch durch das Wechselspiel des Lichts mit Schatten die Gestaltung des Bauwerks prägen.
Selbst frei stehende Brüstungen können als Solarenergiekollektor gestaltet werden dank der bi-facial PV-Module. Sie besitzen sogar zwei energieumwandelnde Oberflächen. Darüber hinaus lassen sich auf diese Weise sogenannte Indachmodule fertigen, die anstelle der typischen Ziegeldächer den oberen Abschluss eines Hauses bilden. In der Zukunft können die Architekten die Module in die Gebäudehülle integrieren, ja sie sogar durch entsprechende Färbungen optisch verschwinden lassen. Das alles erlaubt Freiheit zu gestalterisch überzeugenden Lösungen, die gleichzeitig die Forderungen des nachhaltigen und energieeffizienten Bauens erfüllen. Verschiedene Hersteller werben bereits mit Anwendungen der PV-Module als Dachdeckungsersatz, aber auch als Fassadenelemente, die alle Funktionen wie Witterungsschutz, Sonnen-, Sicht- und Schallschutz sowie Wärmedämmung übernehmen können.
Gibt es jetzt die schöne, neue PV-Anwendungswelt für die grenzenlose Phantasie der Architekten? Klaus Kiefer vom ISE und Georg Dasch vom Sonnenhausinstitut Straubing, einer der führenden Architekten des nachhaltigen Bauens, sind sich einig: Technisch umsetzbar ist vieles; doch „exotische“ Anwendungen als Dachziegelersatz, an Fassaden, auf Ost- und Westseiten oder mit Farbelementen sind noch zu teuer, um sich auf breiter Basis durchzusetzen.
Am Beispiel der Dachdeckung wird das deutlich: In der Praxis gibt es bisher noch keine architektonisch ansprechenden Lösungen zu vergleichbaren Kosten wie bei der Aufdachmontage. Letztlich ist der Bauherr derzeit besser beraten, ein konventionelles langlebiges Dach bauen zu lassen und eine Solaranlage daraufzusetzen. Auch die Anwendung von Fassaden-PV-Modulen hat noch ihre Tücken, denn die Ausbeute bei der vertikalen Position an der Fassade ist wesentlich geringer, aber trotzdem teurer als ein im optimalen Winkel aufgestellter Dachaufbau mit den Modulen.
Die Fokussierung auf die Fotovoltaik sieht der auf Sonnenhäuser spezialisierte Architekt Georg Dasch kritisch. „Soll die Energiebilanz eines Gebäudes wirklich nachhaltig sein, ist zuerst für einen niedrigen Energieverbrauch durch konventionelle Maßnahmen an der Gebäudehülle zu sorgen.“ Nur so lassen sich Solaranlagen effektiv betreiben.
Im Nanobereich
Die Forschung aber geht weiter. In der Zukunft wird es sogar Solarzellen geben, die durch einfachen Siebdruck produziert werden. Bei diesem technisch ausgereiften Verfahren wird die hauchdünne stromerzeugende Schicht zwischen zwei Glasscheiben aus Nanopartikeln im Siebdruck aufgetragen. Das macht es möglich, beliebige Motive, Bilder und Schriftzüge ohne nennenswerten elektrischen Leistungsverlust einzuarbeiten. Eine Glasfassade aus diesem Material lässt sich damit dekorativ und werbewirksam gestalten, zum Beispiel mit einem bunten Firmenlogo, das obendrein Strom liefert. An einer Farbstoffsolarzelle wird bereits seit 15 Jahren weltweit geforscht. Anders als bei herkömmlichen Solarzellen wandelt hier ein organischer Farbstoff Licht in elektrische Energie um. Bislang ist das Farbstoffmodul nur ein Prototyp, auch sein Wirkungsgrad ist im Vergleich zum bisherigen Material noch zu gering. „Deshalb sehen wir die Farbstoffsolarzelle nicht als Konkurrenz zur herkömmlichen Siliziumzelle“, erklärt Dr. Andreas Hinsch, Physiker am ISE Freiburg.
Wie dennoch ein funktionelles, formschönes und nachhaltiges Bauen mit Energieversorgung aus ausschließlich solarer Quelle aussehen kann, zeigt das Preisträgerhaus des „Solar Decathlons“. Das 70 Quadratmeter kleine Solarmusterhaus stellte die Technische Universität Darmstadt mit Unterstützung industrieller Partner beim „solaren Zehnkampf“ in den USA vor. Das Team war als einziges aus Deutschland zugelassen worden und gewann mit der innovativen Architektur den vom US-Ministerium für Energie ausgelobten Wettbewerb.
Beim Siegerentwurf wurden die energiegewinnenden Systeme Fotovoltaik und Solarthermie in die Gebäudehülle integriert. Fotovoltaikelemente aus perforierten, monokristallinen Zellen fungieren gleichzeitig als Sonnenschutz. Das opake Flachdach besteht aus monokristallinen Modulen. Die Holzlamellenfassade ist mit amorphen Siliziummodulen versehen. Warmwasseraufbereitung und Beheizung erfolgen über die direkte Umwandlung der Sonneneinstrahlung in Wärme durch die Sonnenkollektoren auf dem Dach. Der schlichte, geradlinige Flachdachbaukörper überzeugte schließlich die Jury nicht nur wegen seiner Funktionalität und räumlichen Flexibilität, sondern auch wegen seiner ästhetischen Qualitäten – Prädikat „eine Klasse für sich“.
Miteinander von Aktiv und Passiv
Auch das Zusammenspiel der verschiedenen passiven und aktiven Systeme an diesem Musterhaus ist zukunftsweisend. Ohne integrale Planung ist so ein Ergebnis nicht zu erreichen. „Ein integraler Planungsprozess ist notwendig, der alle Einflüsse auf die Energiebilanz berücksichtigt“, bestätigt auch Architekt Georg Dasch.
Eine verkürzte Betrachtung der aktuellen Systeme nach dem Slogan „bisher war es Haustechnik, ab jetzt wird es Kunst“ verfehlt seiner Meinung nach das Ziel des nachhaltigen Bauens. In Japan ist die Baubranche dabei schon etwas weiter. Klaus Kiefer vom ISE weist darauf hin, dass dort große Bauunternehmen dem Bauherrn Komplettlösungen mit von vornherein integrierten Solarenergienutzungssystemen anbieten.
So kann es bei der Ausführung auch nicht zu Problemen mit der Schnittstellenkoordination zwischen den verschiedenen Gewerken kommen, wie es in Deutschland derzeit öfter der Fall ist. Da gibt es noch viel Verbesserungspotenzial.
Dr. Klaus Fockenberg ist Architekt und Baufachjournalist.