Von Dietrich Hinz
Etwa 60 Millionen Quadratmeter an Flachdächern werden jedes Jahr saniert. Während früher dabei meist nach dem „Kahlschlag-Prinzip“ der gesamte Dachaufbau abgetragen wurde, erfolgt heute die Sanierung wesentlich differenzierter, denn zielgerichtete Maßnahmen an den tatsächlich beschädigten Flächen sind häufig kostengünstiger. Aber auch wenn sich die undichten Bereiche ziemlich genau lokalisieren lassen, sind weitere Untersuchungen nötig. Der Bestand muss genau analysiert werden; vor allem sind die geplanten Maßnahmen hinsichtlich ihrer bauphysikalischen und statischen Auswirkungen zu prüfen. Geschieht dies nicht, drohen neue und sogar noch schwerere Schäden. Das zeigt das folgende Beispiel.
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Schaden durch neue Abdichtung
Ein Massivdach aus Bimsdielen wurde feucht; in den Räumen darunter bildet sich Schimmelpilz. Das Dach wurde mit einer neuen Bitumendachbahn abgedichtet. Nun aber wurden die Deckenunterseiten erst recht schwarz (siehe Bilder auf Seite 55 oben). Die Ursache für die Durchfeuchtung lag nicht, wie vermutet, in einem undichten Dach, sondern in den neuen, dichten Fassadenelementen der Schaufenster. Durch sie konnte die Raumluftfeuchte nicht mehr entweichen und lagerte sich in den raumbegrenzenden Wänden und an der Decke an, die dann immer öfter die Taupunkttemperatur erreichten. Deshalb entsprach auch die Dämmwirkung der Bimsdachplatten nicht mehr den veränderten Anforderungen an die Mindest-Oberflächentemperatur im Raum. Das Dach hätte auf jeden Fall mit einer ausreichenden Wärmedämmung versehen werden müssen. Die Schwarzverfärbung der Deckenunterseite resultiert aus der diffusionsdichten Bitumenpappe, die als „Sanierungsschicht“ aufgebracht worden war. In diesem Fall waren im Endeffekt die Bimsbeton-Dachplatten regelrecht „abgesoffen“. In den Räumen roch es stark modrig. Die Hohlkammern der Bimsbeton-Platten waren bereits mit Mikroorganismen und Schimmelpilzen befallen. Der Schaden konnte am Ende nur durch Abriss und Neubau der Tragkonstruktion behoben werden.
Auf sd–Wert achten
Der Fall zeigt, dass beim Einbau luftdichter und gut wärmegedämmter Bauteile die Diffusionsvorgänge aller Flächen beachtet werden müssen, die die betreffenden Räume umschließen. Wasserdampf sollte bekanntlich von innen nach außen entweichen können. Bei diesem konkreten Schadensbeispiel hatten die Hohldielen einen kleinen sd-Wert von etwa 0,20 x 5 = 1 m. Sie sind also nur schwach diffusionshemmend. Die ursprüngliche Feuchteregulierung funktionierte nicht zuletzt deshalb einwandfrei. Auch die Wände aus Mauerwerk sind nur diffusionshemmend. In Verbindung mit den natürlichen Undichtigkeiten funktionierten die Gebäude.
Durch den heutigen Zwang zur Luftdichtigkeit ist jedoch ein Ausgleich zur Entfeuchtung der Räume notwendig geworden. Die raumseitige Windsperre, hier die Bimsbeton-Hohldielen, soll allerdings nur einen etwas höheren sd -Wert aufweisen als die außen liegende Dachabdichtung beim Warmdach oder die Hinterlüftungsschicht bei einem Kaltdach. Der sd -Wert innen/außen sollte bei etwa 1.000 m liegen. Eine moderne Unterspannbahn hat einen Wert von etwa sd = 0,2 m; die innere Dichtungssperre sollte daher etwa sd = 100–200 m aufweisen. Bei Dachbahnen ist darauf zu achten, dass nicht alle „regelgerechten“ Produkte über einen sd-Wert verfügen, der den jeweiligen Anforderungen entspricht. Es gibt Produktbeschreibungen einiger Hersteller, die bereits einen sd -Wert von 100 m als diffusionsdicht bezeichnen, was den Grenzwerten der DIN 4108 „Wärmeschutz im Hochbau“ völlig widerspricht und zu Fehlanwendungen bei Planern und Verarbeitern führt.
Eine 20 Zentimeter dicke Stahlbetondecke hat eine äquivalente Luftschichtdicke von etwa sd = 0,20×100 = 20 m. Dieser Wert ist noch zu gering, um als innere Schicht voll wirksam zu sein. Allerdings sollen nach den Untersuchungen der Betonindustrie Betonelemente ab 20 Zentimetern diffusionsdicht sein. Diese pauschale Meinung ist kritisch zu hinterfragen. Gerade bei massiven Dachkonstruktionen sind über die Durchbiegung raumseitig Mikrorisse vorhanden, die den Kernbereich mindern. Daher sollte bei Massivdächern üblicher bewährter Konstruktionen stets für eine kontrollierte Wohnungslüftung gesorgt werden. Die Dachbahnen müssen diffusionsoffen sein.
Wann die EnEV greift
Häufig geht die Sanierung von Flachdächern mit einer Nutzungsänderung einher. Dachterrassen oder Dachgärten mit intensiver oder extensiver Begrünung werden angelegt oder Sonnenkollektoren aufgebaut. Eine gründliche Bestandsanalyse ist hier besonders wichtig; auch eine Kooperation mit einem Tragwerksplaner ist sehr zu empfehlen.
Bei einer neuen Nutzung greift vor allem auch die EnEV, denn es werden bestehende wärmeübertragende Außenbauteile geändert. Die Vorgaben gelten auch, wenn auf mehr als 50 Quadratmetern lediglich die Abdichtung erneuert wird. Als Richtwert für Flachdächer sieht die EnEV beim Nachweis mit dem Referenzgebäude-Verfahren für das Referenzgebäude eine Raumtemperatur im Heizfall von mindestens 19 Grad Celsius und einen U-Wert von 0,20 W/(m²∙K) vor. Um diesen Wert zu erreichen, sind bei einem Dämmstoff der Wärmeleitfähigkeitsgruppe 040 circa 200 Millimeter Dämmstoffdicke erforderlich. Will man diese reduzieren, bietet sich eine Vakuumdämmung an. Experten raten hier jedoch wegen eines möglichen Verlustes des Vakuums bei der Berechnung der Wärmedämmung nur 50 Prozent des Wärmeleitfähigkeitswertes anzusetzen.
Gefahren durch Wärmedämmung
Die extrem hohe Wärmedämmung birgt aber auch Gefahren, denn es werden vom Gebäudeinneren keine Wärmeströme mehr bis zur Dachhaut durchgelassen. Schnee und Eis bleiben deshalb auf dem Dach länger liegen und mit jedem neuen Niederschlag erhöht sich die wasserführende Schicht. Die Abläufe sind in der Regel zugefroren. Setzt Tauwetter ein, läuft das Wasser über die Attika an der Fassade herunter oder verschwindet in Bauwerksfugen. Bei einem derart hohen Dämmniveau sollten deshalb generell geregelt beheizbare Abläufe geplant werden. Wegen der höheren Schnee- und Eislasten ist auch die Tragfähigkeit der Unterkonstruktion zu überprüfen und statisch nachzuweisen. Dipl.-Ing. (Univ.) Dietrich Hinz ist beratender Ingenieur und Bausachverständiger in Ascha (Bayern)
Regelwerke
In der Regel stellt das Flachdach eine Wasserwanne dar, die deshalb sorgfältig abgedichtet werden muss. Art und Ausführung hängen stark von der vorhandenen Dachneigung ab. DIN 18531 „Dachabdichtungen“ wird bei nicht genutzten und extensiv begrünten Dachflächen angewendet. Bei intensiv begrünten und direkt genutzten Dachflächen sollte nach DIN 18195 „Bauwerksabdichtung“ abgedichtet werden.
Michael Stahr und Dietrich Hinz:
Sanierung
und Ausbau von Dächern
Neben den grundlegenden Anforderungen und rechtlichen Vorschriften werden die Dachsanierungsarbeiten und Abdichtungsarten mit unterschiedlichen Werkstoffen erklärt. Dabei behandeln die Autoren auch ausführlich das Flachdach.
711 Seiten, gebunden, Vieweg+Teubner Verlag 2011,
54,95 Euro