Neue Mauerwerkskonstruktionen, schnelle Bauweisen, Preiskampf und nachlassendes Wissen über die Putztechnik führen immer wieder zu Schäden an Außenputzen. Zunehmend treten sie auch an vermeintlich einfachen Putzsystemen auf, weil die Putzrezepturen kaum mehr Reserven bieten.
Putze haben die Aufgabe, das Mauerwerk vor Witterungseinflüssen zu schützen und die Oberfläche zu gestalten. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts bestand das meist sehr dicke Mauerwerk aus schweren, druckfesten Vollsteinen. Mit dem Aufkommen von Kunstharzoberputzen mussten Unterputze zusätzlich hohe Druckfestigkeiten aufweisen, weshalb 1985 in der Putznorm DIN 18550-2 Mindestdruckfestigkeiten für die Putzmörtelgruppen festgelegt wurden. Aufgrund dessen wurden die Putze damals härter formuliert. Gegenläufig dazu entwickelte man aufgrund des höheren Wärmeschutzes poröse, leichtere Mauersteine mit geringeren Wärmeleitfähigkeiten. Gleichzeitig wurden damit die Druckfestigkeiten der Mauersteine reduziert, mit der Folge, dass sich auf zu weichen Mauerwerken Putzrisse zeigten. Seither hängt die Entwicklung der Putzmörtel an den Druckfestigkeiten moderner Mauersteine, was jahrelang durch Leichtzuschläge gelang. Heute ist man an einem Punkt angelangt, an dem die niedrigen Druckfestigkeiten der Putzmörtel nur noch durch extreme Zugabemengen an Leichtzuschlagstoffen erreicht werden. Doch damit nicht genug: Durch die Abkehr von rein hydraulisch abbindenden Mörteln mit Sanden in ausgeklügelten Sieblinien als Stützgerüst entstehen neue Probleme. Die Bindung weicher Zuschläge in Einkorngrößen kann ein mineralisches Bindemittel allein nicht schaffen. Um die gewünschten Mörteleigenschaften sicherzustellen, sind organische Zusätze erforderlich. Dies hat jedoch enorme Auswirkungen auf die Putzweisen und stellt neue Anforderungen an die Beschaffenheit des Untergrundes und die klimatischen Bedingungen bei der Applikation und während des Abbindeprozesses.
Bei Putzen ohne Zusätze mussten früher Haftbrücken (Spritzbewurf)
aufgespritzt, der Untergrund vorgenässt und mehrschichtig verputzt werden – immer mit genau definierten Wassermengen und bei Arbeit im Schatten. Die Nachbehandlung durch Verhängen und Benässung war eine obligatorische Leistung. Diesen Aufwand sollten Zusätze deutlich minimieren. Doch Methylcellulose, Hydrophobierungsmittel und Haftzusätze entfalten ihre Wirkung nur unter bestimmten Randbedingungen. Außerdem sind diesen Stoffen technische Grenzen gesetzt. Ihre Aufgabe erfüllen sie nur dann gut, wenn sie in ausreichender Menge werkseitig zugegeben werden. Doch aufgrund ihres erheblichen Anteils an den Rohstoffkosten dosieren die Putzhersteller die Zusätze mit spitzem Bleistift. So bleibt von ihren Vorteilen unterm Strich nichts übrig, wenn sie infolge von Verarbeitungsfehlern und sparsamer Anwendung versagen.
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Keine Erleichterung der Verarbeitungsbedingungen
Die Qualität des Außenputzes beginnt beim Untergrund. Bei der Erstellung eines Gebäudes wirken statische Kräfte auf das Mauerwerk, die Spannungen erzeugen. Ihr Abbau, beispielsweise durch Längenänderungen, Deckendurchbiegungen oder die verschiedenen Schwindprozessen, dauert mehrere Jahre. Auch jeder einzelne Mauerstein unterliegt solchen dynamischen Verformungen – zunächst aus dem Schwindprozess nach der Herstellung und später in der Rohbauphase infolge von Witterungseinflüssen. Diese Verformungen sollen durch vollständige Lagerfugenvermörtelung und knirsch ausgebildete Stoßfugen so minimiert werden, dass die Restdynamik mit dem Putzsystem überbrückt werden kann. Doch das funktioniert nicht ohne Weiteres.
Wird beispielsweise bei hohen Temperaturen und/oder auf stark saugendem Mauerwerk verputzt, steht dem Bindemittel aufgrund des höheren Wasserentzuges kein oder zu wenig Wasser zur Hydratation zur Verfügung. Dieses Defizit kann auch durch ein nachträgliches Feuchteangebot nicht ausgeglichen werden, denn die organischen Zusätze liegen im Trockenmörtel in Pulverform vor und werden im Anmachwasser gelöst. Sie bilden ihre Eigenschaften während des Abbindeprozesses parallel zur chemischen Reaktion aus und werden durch Wasserrückhaltung gesteuert. Durch zu schnellen Wasserentzug stockt neben der Hydratation auch der physikalische Prozess und die gewünschten Putzeigenschaften bilden sich nicht vollständig aus. Einen daraus resultierenden Schaden zeigt die verputzte Fassade auf Seite 48. Die Elastizität des Putzes ist zu gering, wodurch die Bewegungen jedes einzelnen Steins zu Rissen unter 0,1 Millimeter in jeder Stoß- und Lagerfuge führten. In diesem Fall konnte sich die Hydrophobierung des Leichtunterputzes nicht ausbilden, weil die Arbeiten bei zu großer Hitze stattfanden. Dies führt bei Regen zur Überfeuchtung der Rissflanken und das Mauerwerk zeichnet sich auf der Fassade ab. Ähnlich verhält es sich bei zu tiefen Temperaturen. Die chemische Reaktion setzt aus, während das notwendige Wasser verdunstet. Setzt die Reaktion dann später ein, steht dafür kein Wasser mehr zur Verfügung und der Putz „verbrennt“.
Ist ein zu schneller Wasserentzug durch Sonne, Wind oder Zugluft gegeben, muss die Fassade also auch bei heutigen Putzmörteln entsprechend geschützt und der Putz mindestens drei Tage feucht gehalten werden. Generell sollte auch zweischichtig nass in nass verputzt werden. Dadurch wird die Saugfähigkeit des Untergrundes egalisiert und das Anmachwasser für den Abbindeprozess zurückgehalten. Beim Verputzen in mehreren Lagen ist eine Standzeit der jeweiligen Lage von einem Tag pro zwei Millimeter Schichtdicke einzuhalten. Je dünner die applizierte Putzlage ist, desto größer und schneller ist der Wasserentzug. Empfehlenswert sind daher dickere Putzlagen, da sie über ein größeres Feuchtedepot verfügen.
Mörtelqualität nur unter optimalen Bedingungen erreichbar
Die spezifischen Mörteleigenschaften sind in den technischen Merkblättern angegeben. Dem aufmerksamen Leser entgeht dabei nicht, dass darin bei sämtlichen Putzmörteln derselben Anwendungsgruppe verschiedener Hersteller nahezu identische Werte angegeben sind. Das liegt daran, dass sich die Hersteller an den Vorgaben der Normen orientieren und ihre Produkte unter den vorgegebenen Prüfbedingungen formulieren. Dabei wird der Materialeinsatz, insbesondere der kostenintensiven Zusätze, ausgereizt. Bei der Herstellung von Laborprismen mit optimalen Abbindebedingungen und ohne Einfluss eines saugenden Putzgrundes mögen die Mindestwerte nach Norm erreicht werden. Auf der Baustelle jedoch beeinflussen ungünstige Witterungs- und Untergrundbedingungen die Mörtelqualität in hohem Maße. Um diese Unwägbarkeiten abzufangen, müssten die Mörtel über eine Reserve verfügen. Doch die hat in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen. Man darf davon ausgehen, dass Putzmörtel mittlerweile aufgrund des Wettbewerbs so gut wie keine Sicherheitsreserven mehr aufweisen. Die Folge ist, dass ein belastungsfähiger Fassadenputz mit den in den Normen vorgegebenen Eigenschaften nur unter optimalen Randbedingungen und nur bei absolut sorgfältiger Verarbeitung entstehen kann (Tabelle 1).
Die Schichtdicke des Putzes muss
Die Putzdicke hat neben dem Einfluss auf die Mörtelqualität auch eine Bedeutung im Hinblick auf die Rissanfälligkeit. Nun kann man sich der allgemein anerkannten Regeln der Technik bedienen und daraus die „richtige“ Putzdicke ablesen. In DIN V 18550 (Putz und Putzsysteme) beträgt die angegebene mittlere Putzdicke 20 Millimeter. Die Mindestputzdicke von 15 Millimetern muss sich auf einzelne Stellen (!) beschränken. Damit soll erreicht werden, dass die zwischen den Putzlagen sowie zwischen dem Untergrund und dem Putz auftretenden Spannungen aufgenommen werden können.
Während die DIN V 18550 nicht weiter zwischen den Unterputztypen differenziert, befassen sich die „Leitlinien für das Verputzen von Mauerwerk und Beton“ mit verschiedenen Unterputztypen. Dabei werden diese aufgrund ihrer Rohdichte unterschieden. Schon seit Mitte der 1980er-Jahre werden Leichtputze des Typs I angeboten und auf den damals üblichen wärmedämmenden Mauerwerken eingesetzt. Nach der Jahrtausendwende kamen Leichtputze des Typs II, auch unter der Bezeichnung Faserleichtputz, Ultraleichtputz oder Superleichtputz, auf den Markt, um der immer weiter sinkenden Druckfestigkeit der Mauerwerke zu begegnen. Damit wurde die Lücke zwischen den Leichtputzen des Typs I und den Wärmedämmputzen, die es ebenfalls seit den 1980er-Jahren gibt, geschlossen. Die DIN V 18550 legt die Mindest-Putzdicke für Wärmedämmputze bei 20 Millimetern fest. Sie liegt damit fünf Millimeter höher als bei Normalputzen.
Entkoppelungseffekt verhindert Risse
Nach der alten Regel für Putze mit mineralischen Bindemitteln soll die Festigkeit des Deckputzes immer geringer oder gleich der des Unterputzes sein. Entgegen der Putzregel können Leichtunterputze mit geringen Elastizitäts-Modulen (E-Modul) aufgrund des Entkoppelungseffektes bei ausreichender Dicke schadenfrei bleiben (Tabelle 1 und 2). Der Deckputz schwimmt hier sozusagen auf dem schubweichen Unterputz. Je größer die Distanz dieser schwimmenden Schicht zum Mauerwerk ist, desto stärker ist der Entkoppelungseffekt. Die Spannung im Deckputz bleibt gering und die Gefahr der Bildung von Rissen sinkt. Ist der Leichtunterputz hingegen zu dünn aufgetragen, findet keine Entkopplung statt und die Spannungen werden in den Deckputz übertragen. Auch wenn der Entkoppelungseffekt die Rissgefahr verringert: Bei hoch wärmedämmendem Mauerwerk sollte immer ein separater, vollflächig aufgebrachter Armierungsputz mit Gewebeeinlage zur Anwendung kommen, da in den Porengefügen des Leichtputzes kein ausreichender Verbund zwischen Gewebe und Putz aufgebaut werden kann und diese über keine Haftzusätze verfügen (Grafiken 1 und 2). Das bedeutet, dass Gewebeeinlagen in Leichtunterputzen nahezu wirkungslos sind. Zur Erläuterung: Ein Armierungsputz mit Gewebeeinlage besteht aus einem vergüteten Armierungsmörtel (Klebemörtel), der zusätzlich in Dicken zwischen fünf und acht Millimetern vollflächig auf Unterputzen aufgetragen wird. Er ist im Prinzip dasselbe wie ein Armierungsputz auf Dämmplatten (WDVS). Durch die Klebeeigenschaften des Armierungsmörtels zum Gewebe ist die Spannungsaufnahme und -verteilung groß. Leider wird viel zu häufig aus Kostengründen die „Standardvariante“ gewählt, bei der das Gewebe nur in Teilflächen, zum Beispiel bei Materialwechseln, in den Unterputz gelegt wird. Doch diese Putzweise reduziert die Rissgefahr so gut wie nicht.
Harry Luik ist Architekt, Stuckateurmeister und Sachverständiger für Schäden an Gebäuden und für das Stuckateurhandwerk in Reutlingen
Künzel, Helmut: Schäden an Fassadenputzen. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2000
DIN 18550: Putz und Putzsysteme – Ausführung 04/2005
DIN EN 13914-1: Planung, Zubereitung und Ausführung von Innen- und Außenputzen. Teil 1: Außenputz, Ausgabe 07/2005
DIN EN 13914-2: Planung, Zubereitung und Ausführung von Innen und Außenputzen. Teil 2: Planung und wesentliche Grundsätze für Innenputz, Ausgabe 07/2005
Merkblatt „Verputzen bei hohen und niederen Temperaturen“ ausgearbeitet vom ISK Internationalen Sachverständigenkreis für Ausbau und Fassade D-A-CH, Ausgabe 08/2001.
Leitlinien für das Verputzen von Mauerwerk und Beton, Hrsg.: Industrieverband Werkmörtel, Ausgabe 04/2014
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