DABonline | Deutsches Architektenblatt
Menü schließen

Mehr Inhalt

Services

DABonline | Deutsches Architektenblatt
Zurück Sonnenenergie

Vor dem Boom

Dass dem solaren Bauen die Zukunft gehört, steht außer Zweifel. Doch der Durchbruch lässt auf sich warten – Architekten können etwas dagegen tun.

01.05.20095 Min. Kommentar schreiben

Dr. Klaus Fockenberg, Liane Kotsch

Fotovoltaik ist ein Bereich, der in den vergangenen Jahren massiv gewachsen ist. Die Bandbreite an Produkten reicht von Solardachziegeln, Fotovoltaikdachfolien, Energiefassaden, kristallinen Modulen und Dünnschichtelementen bis hin zu kompletten Solardächern. Doch gerade die gebäudeintegrierte Fotovoltaik ist heute noch ein Nischenmarkt, weil es sich bei gestalterisch optimierten Modulen oft um kostenintensive Anfertigungen handelt. Zudem ist die Energieausbeute bei den dünnen Siliziummodulen, die mehr Freiheit beim Design erlauben, geringer als bei ihren kristallinen Verwandten.

In konkreten Zahlen: Den zirka 4 000 Euro für ein Kilowatt Fotovoltaikleistung mit Standardmodulen stehen rund 10 000 Euro für ein Kilowatt bei einer integrierten Lösung gegenüber. Zusätzlich werden im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Deutschland seit Jahresbeginn nur noch fünf Cent Bonus gezahlt – ein Betrag, der derzeit nicht ausreicht, um der gebäudeintegrierten Fotovoltaik zum vollständigen Durchbruch zu verhelfen.

Dabei haben die flexiblen Dünnschichtmodule zahlreiche Vorteile. Sie bieten vielfältige planerische und gestalterische Möglichkeiten und können überall dort Sonnenenergie nutzen, wo kristalline Fotovoltaik nicht einsetzbar ist – an Fassaden, als Sonnenschutzelemente oder halbtransparent gar an Fenstern. Ihr Schwachlichtverhalten lässt sie auch an Gebäuden mit partiellen Verschattungen, ungünstigem Neigungswinkel oder einer nachteiligen Ausrichtung Sonnenenergie nutzen. Für das klassische Einfamilienhaus eignen sich dagegen eher die kristallinen Elemente.

Solarthermie: Die Kollektorfläche der 2004 fertiggestellten Wohn- und Büroanlage Theodor-Körner-Straße in Graz (Neue Heimat, Graz) dient zur Wärmeerzeugung wie auch als Witterungsschutz für die Balkonflächen darunter. 61 Wohneinheiten, 1500 m2 Bürofläche, Kollektorfläche: 240 m² Energiespeicher: 20 m3, solarer Deckungsgrad (Warmwasser und Raumwärme): 14 %, Konventionelle Nach­heizung: Fernwärme

Solarwärme im Kommen

Neben der Fotovoltaik ist es vor allem die Solarthermie, die dank staatlicher Förderungen beziehungsweise veränderter Gesetzgebung an Bedeutung gewinnt. „Mit der seit Januar 2009 geltenden gesetzlichen Nutzungspflicht der erneuerbaren Energien zur Deckung des Wärmebedarfs bei Neubauten entsteht ein neuer Absatzimpuls für den deutschen Solarthermiemarkt“, sagt Michael Forst, Geschäftsführer des Europressedienstes. Das bestätigt ebenfalls die unabhängige Solarthemenumfrage des Bundesverbandes Solarwirtschaft in der Branche. Geschäftsführer Carsten Körnig fasst die Ergebnisse so zusammen: „Auf jede dritte in Deutschland verkaufte Heizung kommt inzwischen eine Solarwärmeanlage. Allein im letzten Jahr stieg die Nachfrage um 120 Prozent. Solarheizungen entwickeln sich zu einem Konjunkturmotor, sichern Arbeitsplätze in unsicheren Zeiten und sparen Heizkosten in Milliardenhöhe.“

Dabei geht es nicht nur um die kostensparende Beheizung von Gebäuden, sondern auch um die Kühlung im Sommer. Die Klimatisierung von modernen Häusern mit transparenten Fassaden lässt die Nachfrage nach Kühlgeräten weltweit wachsen. Dieser Zuwachs treibt den Strombedarf, besonders in wärmeren Klimazonen, nach oben. Eine energiesparende Alternative ist die Solarthermie. Grundlage der solarthermisch betriebenen Kühlung ist der thermochemische Vorgang der Sorption: Die Nutzkälte wird entweder durch die Anreicherung des verdampften Kältemittels an ­einen Feststoff (Adsorption) oder durch die Aufnahme des Kältemittels in ein Lösungsmittelgemisch (Absorption) erzeugt. Anschließend treibt zugeführte Solarwärme das Kältemittel wieder aus der Lösung oder dem Feststoff aus, damit der Kreislauf von vorn beginnen kann. In der Regel kommt Wasser als umwelt- und klimatechnisch unbedenkliches Kältemittel zum Einsatz, anders als bei den meist mit FCKW betriebenen konventionellen Anlagen.

Solare Klimatisierung spart Strom und ist gleichzeitig eine effiziente Klimaschutzmaßnahme. Zudem funktioniert sie immer dort und dann am besten, wo beziehungsweise wenn die Sonneneinstrahlung sehr hoch ist – und der höchste Klimatisierungsbedarf besteht.

1,4 bis zwei Kilowattstunden Solarwärme sind für die Produktion einer Kilowattstunde Nutzkälte nötig. Dieser nicht sehr günstige Wirkungsgrad und die momentan noch hohen Investitionskosten stellen aber kein wirkliches Hindernis für die neue Technologie dar. „Steigende Strompreise und immer mehr erfolgreich laufende Systeme versprechen diesem Sektor mittelfristig eine hervorragende Perspektive“, bilanzieren die europäischen Wissenschaftler der European Solar Thermal Technology Platform (ESTTP).

Dass die Solarthermie an Bedeutung zunimmt, sieht Architekt Georg Dasch vom Sonnenhaus-Institut Straubing als positive Entwicklung. „Zwei Drittel des Energiebedarfs eines Hauses werden meist für Wärme oder Kühlung verbraucht und nur ein Drittel als Strom. Bei einer solchen Verteilung macht eine riesige Fotovoltaikanlage unter ökologischen und Nachhaltigkeitsaspekten des Bauens keinen Sinn.“ Nicht nur die Gesamtenergiebilanz eines Gebäudes sei wichtig, auch die Verteilung über die Jahreszeiten muss berechnet und ausgeglichen werden. Passivhäuser ohne eigene Heizung etwa schneiden in dieser Hinsicht bereits deutlich schlechter ab als andere Konzepte, da sie trotz verstärkter Dämmung im Winter den heutigen Wohnkomfortstandard kaum halten können. So wird in der Praxis vielfach eine Heizung miteingebaut, um Kältespitzen abzufangen.

Kollektoren  zur Fassadengestaltung

Hinzu kommt das Problem der Speicherbarkeit sowie der Transportfähigkeit verschiedener Energieformen. Wärme ist relativ gut speicherbar, aber nur mit großen Verlusten zu transportieren, während es bei Strom genau umgekehrt ist. Bezieht der Planer den tatsächlichen Bedarf an Wärme und Strom mit ein, ergibt sich automatisch ein Nutzungsmix von Solarthermie und Fotovoltaik, wobei Erstere dem Bedarf entsprechend verstärkt berücksichtigt werden sollte, so ­Architekt Georg Dasch. Die heutige Solarthermietechnologie – bereits seit 30 Jahren mit unverändertem Grundprinzip auf dem Markt – ist ausgereift und flexibel einsetzbar, ergänzt der Praktiker. Neben den Vakuumröhrenkollektoren gibt es mittlerweile auch Flachkollektoren, und selbst formschöne Varianten für eine Fassadengestaltung werden angeboten. Es gilt, sie zu nutzen und Amortisationsanforderungen und größtmögliche Energieausbeute als relevante Faktoren schon frühzeitig planungsprägend miteinzubeziehen.

Fassadenwärme: Am 2005 fertiggestellten Altenwohnheim der Diakonie in Salzburg belegen Solarthermiekollektoren 94 Quadratmeter Fassadenfläche. Sie dienen zu Heizungsunterstützung (Pellets) und Warmwasserversorgung. Architekten: brandmüller+ brandmüller, Salzburg

Um solares Bauen selbstverständlicher zu machen, ist schlicht eine umfangreichere Anwendung notwendig. „Unter den Architekten und Planern überhaupt erst einmal ein Bewusstsein zu schaffen, welche Möglichkeiten vorhanden sind und wie sie sinnvoll aufeinander abgestimmt werden können, ist ganz wichtig“, meint Georg Dasch. Denn nur durch ganzheitliche gelungene Umsetzungen wird die Nachfrage steigen und werden die Hersteller ihre Angebote weiterentwickeln. „Bisher hat nur jeder eine Idee“, sagt der Spezialist, „aber wir haben noch kein schlüssiges Konzept, wie wir in 20 Jahren Energie sinnvoll gewinnen können.“

Dr. Klaus Fockenberg ist Architekt und Journalist, ­Liane Kotsch, M.A., ist Kunsthistorikerin und ­Journalistin.

War dieser Artikel hilfreich?

Danke für Ihr Feedback!

Weitere Artikel zu:

Schreibe einen Kommentar

Sie wollen schon gehen?

Bleiben Sie informiert mit dem DABnewsletter und lesen Sie alle zwei Wochen das Wichtigste aus Architektur, Bautechnik und Baurecht.

Wir nutzen die von Ihnen angegebenen Daten sowie Ihre E-Mail Adresse, um Ihnen die von Ihnen ausgewählten Newsletter zuzusenden. Dies setzt Ihre Einwilligung voraus, die wir über eine Bestätigungs-E-Mail noch einmal abfragen. Sie können den Bezug des Newsletters jederzeit unter dem Abmeldelink im Newsletter kostenfrei abbestellen. Nähere Angaben zum Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten und zu Ihren Rechten finden Sie hier.