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Was hat ein Bussystem mit Architektur zu tun?

Architekt Clemens August Brachtendorf wollte das genau wissen. Heute arbeitet er als Systemintegrator, berät Bauherrn und gibt sein Wissen an andere Architekten weiter

01.12.20156 Min. Kommentar schreiben
Vom Architekt zum Systemintegrator: Bussysteme haben Clemens August Brachtendorf so fasziniert, dass er sie heute programmiert.
Vom Architekt zum Systemintegrator: Bussysteme haben Clemens August Brachtendorf so fasziniert, dass er sie heute programmiert.

Interview: Marion Goldmann

Sie haben lange in einem renommierten Architekturbüro gearbeitet und 1999 ein eigenes Büro gegründet. Was hat Sie dazu gebracht, sich mit Bussystemen zu beschäftigen?

Mein erster Auftrag war ein Einfamilienhaus, das auf dem Fundament eines Schlosses errichtet werden sollte. Entsprechend weitläufig gestaltete sich der Neubau. Allein vom Wohnzimmer ins Schwimmbad sind es 80 Meter. Diese Wege sowie die enormen Raumgrößen musste ich bei der technischen Ausrüstung des Gebäudes berücksichtigen; vor allem bei der Lichtplanung. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass die Bewohner immer aufstehen wollen, um die Schalter zu betätigen. Auf der Suche nach einer Lösung fiel mir eine Werbung von Siemens auf, die anlässlich der 1. Light+Building im Jahr 2000 mit einem Bussystem Besucher ansprechen wollten. Ich hatte von solchen System schon einmal gehört, wollte jetzt aber genau wissen, was mit so einer Installation überhaupt gemeint ist und was sie leisten kann.

Sie haben daraufhin die Messe besucht?

Ja, und ich erinnere mich noch sehr genau daran. Ein Standbetreuer lief mit einen ganz kleinen Tablet-Computer herum, auf dem der Bowser Netscape Navigator installiert war. Das Besondere daran war: Er schaltete über das Internet das Licht ein und aus und hatte mit diesem Browser eine herstellerunabhängige, quasi gebührenfreie Bediensoftware. Für mich war das damals sensationell und ausschlaggebend dafür, das Haus mit dieser Technik auszustatten. Auch deshalb, weil sich damit Lichtstimmungen erzeugen ließen.

Konnten Sie die Installation leicht realisieren?

Das erste Projekt: Auf der Suche nach einer Lösung für die Lichtsteuerung in diesem weitläufigen und großräumigen Einfamilienhaus entdeckte er Bussysteme.
Das erste Projekt: Auf der Suche nach einer Lösung für die Lichtsteuerung in diesem weitläufigen und großräumigen Einfamilienhaus entdeckte er Bussysteme.

Nein, das glich eher einem Experiment. Zunächst habe ich einen Elektriker beauftragt, der für 5.000 DM einen Musteraufbau installieren sollte. Allerdings benötigte er allein für die Programmierung vier Wochen. In dem Haus sollten jedoch etwa 450 Geräte montiert und miteinander verknüpft werden. Diesen Elektriker wollte ich nicht mit den Arbeiten beauftragen.

Wie haben Sie das Problem gelöst?

Es gab zwei Bücher von einem Busanbieter, in denen der Aufbau und die Strukturen beschrieben wurden. Mit diesem Wissen erstellte ich eine Ausschreibung, die die Funktionen, aber auch die anzuwendende Struktur beschrieb. Außerdem kaufte ich die Software und erlernte die Programmierung. Das war ein Lernprozess, bei dem ich auch die Hotlines von Herstellern nutzte.

Wie ging es dann weiter?

Ich durfte ein zweites Projekt mit ähnlichen Anforderungen in Cannes übernehmen. Auf Grundlage des Bussystems werden hier die Verschattung, die Heiz- und Klimatechnik sowie die Einbruchsicherheit gesteuert. Der Eigentümer, ein US-Bürger, kann dadurch sein Haus jetzt von Amerika aus kontrollieren. Und das war etwa im Jahr 2003. Schon damals konnte dieser Kunde mithilfe von Handheld PCs von Compaq sein Haus übers Internet steuern.

Und deshalb sollten sich Architekten für ein Bussystem interessieren?

Ein Bussystem bietet viele Funktionen, denn es überträgt Daten. Es handelt sich also um ein „sprechendes System“. Demnach kann es zum Beispiel der Heizung „sagen“, dass das Fenster offen steht, damit diese sich ausschaltet. Klimatische Einflüsse können ebenfalls leicht ausgewertet werden: Regen oder Wind fahren die Markise ein und Dachfenster werden geschlossen, bei Dämmerung schaltet sich das Außenlicht ein. Auch Alarmanlagen können mit dem System verbunden werden, so dass die Rollläden hochgefahren werden und bei Rauchalarm und Einbruch das Licht eingeschaltet wird. Ich kann zahlreiche weitere Möglichkeiten nennen, die unterschiedliche Gewerke im Blick haben – und der Architekt ist die einzige Person, die das Gebäude während der Planung und Ausführung in seiner Gesamtheit erfasst.

Aber wie funktioniert die Kommunikation mit den Fachhandwerkern?

Artikel_DSC03652Das ist noch immer sehr schwierig, denn die Gebäudeautomation, also die Vernetzung von Funktionen verschiedener Gewerke, wird bei weitem nicht in jedem Gebäude realisiert. Hinzu kommen eine heterogene Anbieterstruktur sowie eine Vielzahl von Systemen auf dem Markt. Architekten sollten sich deshalb in erster Linie mit den Begriffen auseinandersetzen, damit alle Beteiligten die gleiche Sprache sprechen. Man muss also beispielsweise wissen: Was ist ein Sensor, was ist ein Aktor? Wie sehen die Bauteile aus und welche Funktionen können sie erfüllen? Wer das versteht, kann auch mit dem Elektriker, dem Fachplaner oder Systemintegrator kommunizieren. Auch ist es hilfreich, den Aufbau eines Bussystems zumindest dem Prinzip nach zu kennen. Nur dann kann der Architekt seinen Bauherren zu diesem Thema beraten und begleiten. Und sie könnten, wie bei den traditionellen Baugewerken auch, als Regulativ wirken sowie ihr Wissen um die Funktionalität eines Bauwerks einbringen. Dass es gar nicht so schwer ist, ein Bussystem zu verstehen, erfahre ich immer wieder durch Bauherren, die sich in das Thema eingearbeitet haben und uns bereits mit fundiertem Vorwissen kontaktieren. Das sollten auch Architekten leisten können. Durch solches Fachwissen wäre es auch möglich, die Kundigkeit eines Elektrikers zu hinterfragen, denn wenn ein Projekt mal schief läuft, kann das unter Umständen auch daran liegen, dass der Handwerksbetrieb mit der Aufgabenstellung überfordert war.

Aber gegen Bussysteme wird doch gerade häufig wegen ihres höheren Preises und mangelnder Zuverlässigkeit argumentiert.

Artikel_1004-20030728-004-klIch habe einige Businstallationen realisiert, die nur unwesentlich teurer als herkömmliche Elektroinstallationen waren. Wichtig bei solchen Projekten ist, dass sie strukturiert aufgebaut sind und keine Fehler auftreten. Ich bin schon zu vielen Projekte gerufen worden, die nicht optimal eingerichtet waren, seit ich mich mit Businstallationen beschäftige. Funktionieren solche Systeme nicht absolut perfekt, entsteht schnell ein schlechter Ruf. Doch das liegt nicht am System, sondern an denjenigen, die es planen, installieren und programmieren.

Ihre ersten Projekte waren Wohnhäuser. Ist es dabei geblieben?

Nur solange, bis ich eine Anfrage erhielt, ob ich auch ein Verwaltungsgebäude bearbeiten könnte. Zuerst hatte ich Bedenken, denn bei einem solchen Projekt sind wesentlich mehr Geräte zu vernetzen. Doch am Ende war es deutlich einfacher als Wohngebäude und seitdem kamen noch einige Objektbauten hinzu. Unser Büro entwirft, plant und programmiert Hausautomationssysteme auf Basis EIB/KNX in jeder Größenordnung von Doppelhaushälften mit rund 40 Geräten bis hin zu Objektbauten mit tausenden von Geräten.

Sie geben inzwischen ihr Wissen auch an andere Planer und Architekten weiter?

Ja, es handelt sich hierbei um ein eintägiges Grundlagenseminar, das auch von der Architektenkammer Nordrhein-Westfahlen als Fortbildungsmaßnahme anerkannt ist. Ich erläutere die Möglichkeiten einer Businstallation sowie die wesentlichen Unterschiede und Vorteile gegenüber konventioneller Installation. Außerdem erkläre ich die grundlegenden Begrifflichkeiten und Strukturen eines Bussystems. Ziel ist es, den Teilnehmern das Prinzip zu vermitteln, so dass sie Bauherrn darüber informieren können.

Interessenten finden hier weitere Informationen.

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