Text: Thomas Wilken, Lars Altendorf
Um Wärme aus regenerativen Energiequellen zu nutzen, eignen sich Niedertemperaturheizsysteme mit einer Wärmeübergabe über luft- und wassergeführte Systeme. Ein großes Potenzial bieten vor allem wassergeführte Flächenheizungen, wie sie heute bereits vielfach in Neubauten eingesetzt werden. Grundsätzlich gibt es drei Systeme für die Wärmeübergabe (Abb. 1): freie Heizflächen, Luftheizung und bauteilintegrierte Heizflächen.
Freie Heizflächen, wie Radiatoren oder Konvektoren, erfordern meist Vorlauftemperaturen von mehr als 50 Grad Celsius, was im Allgemeinen zu höheren Verlusten bei der Wärmeverteilung führt. Die Heizleistungen hängen von der Vorlauftemperatur, der Temperaturspreizung und der Größe der Übergabeflächen ab. So erwärmt das heute gebräuchlichste System der Konvektionsheizung die umgebene Luft meist nur unterhalb der Fenster und verteilt diese durch eine Luftwalze in den Raum. Nachteilig sind dabei Staubverwirbelungen und der geringe Anteil von Heizwärme, der in die massiven Umgebungsflächen eingespeichert werden kann. Da Wärmeerzeuger im Hochtemperaturbereich – mit Ausnahme von Biomassekesseln, Fernwärme und Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung – zunehmend an Bedeutung verlieren, sind freie Heizflächen nur bedingt zukunftsträchtig.
Luftsysteme übertragen ihre Wärme zwar im Niedertemperaturbereich, haben im Vergleich zu wassergeführten Systemen zur Bewegung der Luft über die Ventilatoren aber einen erhöhten Strombedarf. Die Heizleistung von Luftsystemen ist bei geringen Luftwechseln, die die hygienischen Anforderungen erfüllen, je nach Temperatur der Zuluft auf etwa 5 bis 10 W/m² begrenzt. Daher ist sie als alleiniges System zur Wärmeübertragung nur in Verbindung mit einer hochwärmegedämmten Gebäudehülle und hohen Wärmerückgewinnungsgraden der Lüftungsanlagen von über 75 Prozent nutzbar. Typischer Einsatzbereich sind daher Passivhäuser. Da ihre Kanalquerschnitte die Maße herkömmlicher Heizleitungen bei Weitem übersteigen, ist ihre bauliche Integration eine gestalterische und technische Aufgabe.
Durch integrierte Heizflächen strömt niedrigtemperiertes Heizwasser; sie aktivieren Fußboden, Wand oder Decke. Niedrige Systemtemperaturen senken die Verluste bei der Wärmeverteilung im Gebäude, ermöglichen aber vor allem den optimierten Einsatz regenerativer Energien im Gesamtkonzept. Für Niedertemperatur-Wärmeerzeuger wie Wärmepumpen, Solarkollektoren und Brennwerttechnik sind Flächenheizsysteme deshalb besonders gut geeignet (Abb. 2).
Vorteile integrierter Lösungen
Bei bauteilintegrierten Heizflächen erzeugt die abgegebene Strahlungswärme eine hohe thermische Behaglichkeit. Gleichzeitig wird die Speichermasse des Bauteils thermisch aktiviert. Da die Oberflächentemperaturen eines Raumes durch die Heizflächen angehoben werden, erfüllt zum Beispiel eine um 1 bis 2 Kelvin reduzierte Raumlufttemperatur die gleichen Ansprüche an die thermische Behaglichkeit, wie sie für freie Heizflächen mit Konvektion notwendig wäre. Hochwärmegedämmte Gebäude ermöglichen zudem Oberflächentemperaturen des Flächenheizsystems, die nur 3 bis 4 Kelvin über der gewünschten Raumlufttemperatur liegen. Unbehagliche Temperaturdifferenzen, sogenannte Strahlungsasymmetrien, werden weitestgehend vermieden. Die Wärmeabgabe reduziert sich automatisch. Dafür sorgt der Selbstregelungseffekt bei einer Erhöhung der Raumlufttemperatur durch Nutzung der thermischen Bauteilspeichermasse. Da sich die aktivierte Masse an Temperaturänderungen von außen nur langsam anpasst, reguliert sie die Umgebungstemperatur durch Aufnahme oder Abgabe von Wärme. Trägheit kann man dem System damit nicht mehr vorwerfen. Der Selbstregelungseffekt wirkt sich umso günstiger aus, je geringer die Differenz zwischen mittlerer Oberflächentemperatur und der gewünschten Raumlufttemperatur ist. Das reduziert zugleich den technischen Aufwand für die Regelung erheblich (Abb. 3).
Um Flächenheizungen richtig zu dimensionieren, ist jeder Raum einzeln zu betrachten; Kriterien wie Nutzung und Orientierung sind zu berücksichtigen. Außerdem gilt: Je dichter sich die Rohre an der Bauteiloberfläche befinden, desto leistungsstärker ist das System. Auch ist die Raumakustik einzubeziehen und unter Berücksichtigung der Nutzeranforderungen mit dem Bauherrn abzustimmen.
Bei niedrigem Wärmebedarf hochgedämmter Gebäude bieten sich Flächenheizungen auch bei der Sanierung an. Dazu muss nicht einmal der Estrich ersetzt werden, wie es Nass-Systeme erfordern. Dünnschicht-Systeme mit Aufbauhöhen von 10 bis 15 Millimetern lassen sich direkt auf der vorhandenen Konstruktion verlegen. Je nach baulicher Situation besteht die Möglichkeit, den alten Estrich für die Aufnahme eines Rohrsystems zu schlitzen. Die Bodenbeläge sind in Abstimmung mit den Herstellerangaben zu wählen und zu verlegen. Eine weitere Option zur nachträglichen Installation eines Flächensystems bieten Kapillarrohrmatten, die in den Wand- oder Deckenputz und gegebenenfalls sogar in Leichtbauwände integriert werden.
Kombiniertes Heizen und Kühlen
Werden bei einem Flächenheizsystem die Funktionen Heizen und Kühlen kombiniert, wird durch den damit möglichen Ganzjahresbetrieb der Nutzen solcher Systeme wesentlich erhöht. Das macht sie besonders für Nichtwohngebäude interessant. Abbildung 4 beschreibt die möglichen Kühlleistungen der Bauteile Decke, Wand und Boden. Gebräuchlich ist die Betonkernaktivierung, bei der sich die wasserführenden Rohre innerhalb der Betondecke befinden. Die Wärme- und Kälteabgabe kann sowohl nach oben als auch nach unten erfolgen, wobei die Leistungen von der Einbausituation und den Betriebstemperaturen abhängen.
Sowohl bauteilintegrierte als auch oberflächennahe Systeme können den Heiz- oder Kühlenergiebedarf vollständig decken, wenn gleichzeitig sämtliche Randbedingungen in der Planung berücksichtigt sind, etwa niedrige interne und externe Lasten. Da die Heiz- und Kühlanforderungen in den Übergangsjahreszeiten häufig wechseln, sind die Algorithmen der Regelungstechnik entsprechend anzupassen. Alternativ kann die Anlage ganz außer Betrieb genommen werden, da die Trägheit der Gebäudemasse genug Ausgleich bietet.
Flächensysteme sind immer im Kontext des Gesamtkonzeptes aus Gebäudehülle, Energieträger und -erzeuger sowie Übergabesystem zu betrachten. Konkurrierende Wärmeübergabesysteme wie Flächen- und statische Heizungen sowie die Lüftung sind regelungstechnisch unbedingt aufeinander abzustimmen. Durch die Aktivierung der Bauteilmassen als thermischer Speicher lassen sich in Kombination mit einem intelligenten Management zusätzlich Heiz- und Kühllasten im Gebäude zeitlich von der Erzeugung entkoppeln. So können Wärme- und Kälteerzeuger effektiver genutzt und effizienter eingesetzt werden. Kältemaschinen arbeiten beispielsweise nachts bei niedrigeren Außentemperaturen wirtschaftlicher, beladen die thermischen Speicher und stehen zusätzlich am Tag zur Deckung von Spitzenlasten oder für dynamische Kühlprozesse zur Verfügung.
Durch die vergleichsweise hohen Temperaturen zur Kühlung von 18 bis 22 Grad Celsius können regenerative Quellen wie das Erdreich oder das Grundwasser direkt zur Raumkonditionierung genutzt werden. In Kombination mit frei abgehängten Systemen, wie Deckensegeln oder Kühldecken, sind auch höhere spezifische Leistungen realisierbar. Auf diese Weise lassen sich sogar die hohen Lasten intensiv genutzter Räume decken, wie das Beispiel des Schulungszentrums SMA Solar Academy zeigt (Abb. 5, 6).
Für einen Systemvergleich hat das Institut für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig (IGS) im Rahmen des Forschungsprojektes „future:workspace“ Fußboden, Decken und Wände mit unterschiedlichen Systemen der Konditionierung und Automation ausgestattet (Abb. 7). Im Kühlfall ermöglichen optimierte Deckensysteme bei einer Temperaturdifferenz zum Raum von maximal zehn Kelvin eine Leistung von bis zu 90 W/m². Bei Einsatz von Kapillarrohrmatten lassen sich im Vergleich zu konventionellen Einzelrohr-Systemen bei identischer Leistung zusätzlich deutlich kürzere Reaktionszeiten erreichen. Ziel der wissenschaftlichen Analyse ist es, deren Energieeffizienz und Komfort zu bewerten.
Innovationen für mehr Energieeffizienz
Weltweit dominierend ist aktuell in Bürogebäuden die Übertragung von Wärme und Kälte über die Luft mittels Voll- oder Teilklimatisierung. In einem Systemvergleich für ein Bürogebäude in einer feucht-heißen Klimaregion hat das IGS konventionelle Klimaanlagen mit statisch konditionierten Zonen verglichen und diese energetisch sowie hinsichtlich des Nutzerkomforts bewertet. Der Kühlenergiebedarf wird für die erste Variante durch einen bis zu zehnfachen Luftwechsel gedeckt. Die strahlungsgekühlten Bereiche haben ein aktives Flächensystem in Kombination mit einer hygienischen Grundbelüftung, die gleichzeitig die Entfeuchtung der Luft gewährleistet. Das Raumklima der statisch gekühlten Büros wird als komfortabler empfunden; zudem lässt sich messtechnisch durch die wassergeführten Systeme eine Verbesserung der Energieeffizienz von 35 Prozent belegen (Abb. 8).
Vorteile bieten thermisch aktivierte Speichermassen von Decke und Fußboden vor allem dann, wenn sie in ein intelligentes Lastmanagement eingebunden sind und erneuerbare Energien genutzt werden. So lassen sich die Anlagen zur Wärme- und Kälteerzeugung mit dem Strom aus Dach- und/oder gebäudeintegrierter Photovoltaik betreiben. Diese Konzepte der Eigenstromnutzung sind für die Kühlung von Gebäuden auch unter wirtschaftlichen Aspekten interessant. Denn wenn im Sommer die solaren Erträge am höchsten sind, wird die meiste Kühlenergie gebraucht.
Dipl.-Ing. Architekt Thomas Wilken ist stellvertretender Leiter und Dipl.-Ing. Lars Altendorf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig.