Aber für unseren Berufsstand gehört es in die stolze Reihe: Mit den Regeln für das Kammersystem gibt es eine Art Grundgesetz für den Architektenberuf, variiert von Bundesland zu Bundesland. Und nach dem Mauerfall sind auch diese Grundgesetze auf ganz Deutschland ausgedehnt worden. Seitdem hat die Bezeichnung „freier Architekt“ überall im Land einen schönen Doppelsinn.
Aber wie frei sind wir? Viele von uns fühlen sich eingeklemmt zwischen Bauherren und Bürokratien, wirtschaftlichen Zwängen und technischen Normen, Termindruck und Haftungsrisiken. Jüngere werden durch all das von Anfang an gebremst, Ältere sagen: Das war früher nicht so schlimm. Und viele fragen: Was tun da die Kammern? Zur Antwort bitte ich Sie, sich kurz die Situation ohne Kammern vorzustellen. In unserem Metier müssten dann Sie als Hochqualifizierte mit einer Unzahl an selbst ernannten Bauexperten, auch mit Hochstaplern und Pfuschern konkurrieren. Wir hätten noch viel weniger Wettbewerbe und längst keine HOAI mehr, keinen Tag der Architektur und auch kein „Deutsches Architektenblatt“.
Mit der BAK aber haben Architekten und Planer eine Institution, die seit 40 Jahren demokratisch legitimiert gegenüber Politik, Wirtschaft und Medien auftreten kann. Auch wenn wir nicht immer alle einer Meinung sind, können wir in wichtigen Fragen mit einer Stimme sprechen. Die HOAI war der letzte große Anlass. Sie sollte erst abgeschafft, dann auf fünf Leistungsphasen und mickrige Tabellenendwerte verstümmelt werden. Beides konnten wir verhindern. Und dass die aktuellen Änderungen noch nicht befriedigend sind, ist uns ein erneuter Grund zum Zusammenrücken und Kämpfen.
Das tun wir auch bei anderen aktuellen Themen, etwa der Haftungslast für Architekten, die wir auf gesetzlichem Weg erleichtern wollen. Oder beim Bachelor- und Master-Chaos, wo wir für Transparenz arbeiten, Mindeststandards definieren und sie bei Hochschulen und Politik einfordern. Beispielhaft ist in diesem Heft ein Thema dargestellt, für das sich die Kammern in Ländern und Bund engagieren: das barrierefreie Bauen. Hier leisten wir, wie auf vielen anderen Gebieten auch, Vernetzung, Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit. Auch hier kämpfen wir für sinnvolle Normen, die nicht jeden Millimeter regulieren, sondern die Freiheit für die jeweils beste Lösung zugunsten der Barrierefreiheit lassen.
Das alles können Kammern nur leisten, weil viele Architekten und Planer sich hier engagieren – in den Ländern wie in den Gremien der BAK. All denen, die hierfür weite Reisen, lange Sitzungen und anstrengende Telefonkonferenzen auf sich nehmen, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Dass wir etwas zu feiern haben, liegt vor allem an ihnen.
40 Jahre sind beim Menschen etwa die Lebensmitte. Welches Alter wir als Institution erreichen – wer wagt eine Prognose? Damit es noch viele Jahre werden, müssen wir uns ständig modernisieren und verjüngen. Auch das geht nur mit Impulsen von Architekten und Planern aus der Praxis. Bringen Sie solche Impulse ein; arbeiten Sie weiter mit an einer zeitgemäßen, wirksamen Vertretung des ganzen Berufsstands – egal, ob Sie selbst älter oder jünger sind als 40. Kammern sind ein Mehrgenerationenprojekt – von dem noch viele Generationen profitieren sollen.
Prof. Arno Sighart Schmid, Präsident der Bundesarchitektenkammer.
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