Neulich fiel mir ein kleines Buch in die Hand, das gerade unter fachlicher Federführung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege herausgegeben wurde: „Genuss mit Geschichte – Baden in bayerischen Denkmälern – Thermen, Schwimmhallen und Naturbäder“ heißt es. Und auch wenn ich Ihnen – ob Sie nun in Bayern leben oder uns besuchen – unsere großartigen historischen Badestätten natürlich nur wärmstens ans Herz legen kann, so hat mir das Buch, nicht nur dank der vielen Abbildungen der denkmalgeschützten Bauten, wieder einmal bewusst gemacht, wie sehr Baukultur dem Menschen dient und dafür sorgt, dass er sich wohlfühlt. Vor allem jedoch hat es mich dazu angeregt, mich mit einem Begriff zu beschäftigen, über den man schon im ersten Kapitel des Buches, in dem es um die römische Badekultur geht, stolpert: „Wellness“.
Nimmt man ihn wörtlich, dann bezeichnet er schlicht das Wohlbefinden – und damit die Gesundheit, so wie die Weltgesundheitsorganisation sie 1946 definierte: Gesundheit, so wurde damals festgelegt, ist physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden. Inzwischen wird der Begriff „Wellness“ jedoch inflationär verwendet. Es gibt Wellness-Brot und Wellness-Joghurt, Wellness-Wochenenden oder Wellness-Urlaub. Wellness steht dabei meist für passive Gesundheitsangebote, für Saunagänge, Lomi-Lomi- oder Klangschalen-Massagen. Nichts gegen eine Massage. Aber bei Gesundheit respektive Wohlbefinden an passive Entspannung zu denken, greift meiner Ansicht nach viel zu kurz: Wer ein physisch, psychisch und sozial ausgeglichenes, anregendes und damit gesundes Leben führen will, der muss aktiv werden, und das sowohl körperlich als auch geistig. Das gilt für den Bürger, dem ein gesundes Umfeld wichtig ist, das gilt aber natürlich auch für uns Architekten, Landschaftsarchitekten, Innenarchitekten oder Stadtplaner – schließlich gehören die Planung und Gestaltung eines gesunden Lebensumfelds zu unseren Kernkompetenzen!
Womit ich allerdings nicht nur das Bauen für die Gesundheit, also den Krankenhausbau, und auch nicht nur das Bauen mit gesunden, also schadstoffarmen Baustoffen meine. Gesundes Bauen – das ist so viel mehr! Es ist das nachhaltige Bauen, das allen Menschen zugutekommt, es ist das barrierefreie Bauen, das für eine Gesellschaft sorgt, in der alle, egal ob jung oder alt, stark oder schwach, gesund oder krank, am sozialen Leben teilhaben können. Gesundes Bauen ist eine kluge, weitsichtige Stadtplanung. Und selbstverständlich ist es auch die Schaffung von Räumen, die das Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit – und in diesem Sinne auch nach Entspannung – befriedigen. Und nicht zuletzt gehört zum „Gesunden Bauen“ auch das Vermitteln dessen, was wir als Architekten für die geplante und gebaute Umwelt tun. Denn Bildung, die zu Partizipation führt, ist nötig, wenn ein lebendiges, ein lebens- und liebenswertes Umfeld entstehen soll. Dann ist „Genuss mit Geschichte“ ein wunderbarer Aspekt unseres Lebens. Wohlbefinden mit Zukunft allerdings ist unser Ziel.
Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer