
Robert Marlow, Präsident der Architektenkammer Niedersachsen
Detlef Juerges
Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Bauwende jetzt!“ im Deutschen Architektenblatt 04.2025 erschienen.
Warum eine Bauwende? Betrachtet man die Umweltwirkungen wie den Primärenergiebedarf im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, also von der Herstellung und der Errichtung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung, so verliert der bei heute hoch energieeffizienten Neubauten relativ geringe Energieaufwand im Betrieb an Bedeutung gegenüber dem Aufwand, der in den Phasen Bau und Rückbau entsteht. Erst mit zunehmender Nutzungsdauer relativieren sich hier die Anteile für die graue Energie.
Gebäude für lange Lebensdauer planen
Dieser Aspekt wird jedoch noch immer unterschätzt. Die Debatte um Klimaschutz darf nicht nur bei Dämmwerten und Heiztechnologien stehen bleiben – sie muss das gesamte Leben eines Gebäudes in den Blick nehmen. Insofern sind Neubauten nicht nur mit guter Architektur zu planen, sondern auch auf große Langlebigkeit und zukünftig mögliche Nutzungsänderungen auszulegen, sozusagen passend für den Umbau von morgen.
Hier sind wir als Architektenschaft gefragt: Wir müssen nicht nur kreativ und innovativ entwerfen, sondern auch strategisch denken und Bauherren für langfristig offene Lösungen begeistern.
Landesbauordnungen werden vereinfacht
In Niedersachsen konnten wir im vergangenen Jahr mit der Novelle der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) vor allem im Bestand wichtige gesetzliche Rahmenbedingungen und Erleichterungen für einfacheres Bauen schaffen. Und schon diskutiert der Niedersächsische Landtag über weitere Erleichterungen. Gut so. Andere Landesbauordnungen haben nachgezogen. Das sogenannte „Gebäudetyp-E-Gesetz“ wurde auf Bundesebene diskutiert.
Umbaukultur braucht Flexibilität
In Bewegung ist vieles, doch das reicht nicht. Viel zu oft und an zu vielen Stellen stehen noch überholte Normen, pauschale Brandschutzanforderungen oder komplizierte Genehmigungsverfahren im Weg. Eine echte Umbaukultur braucht einen regulatorischen Paradigmenwechsel – hin zu mehr Flexibilität, weniger Bürokratie und besseren Anreizen für Bauherren und Investoren.
Das bedeutet aber auch, dass Architektinnen und Architekten mehr Verantwortung übernehmen müssen. Das stärkt unsere Bedeutung und unsere Rolle beim Bauen. Aber es setzt auch voraus, dass wir alle auf dem neusten technischen Stand sind, vor allem durch Fortbildung.
Umbauordnung als neue Musterbauordnung
Der Weg zu einer umfassenden Umbaukultur stellt einen Prozess dar, der nicht nur technisches Fachwissen, sondern auch ein tiefes Verständnis für die kulturellen und historischen Werte unseres baulichen Erbes erfordert. Ein Satz aus einem meiner früheren Beiträge: Eine neue Musterbauordnung ist der Weg zu einer neuen Umbaukultur.
Ich würde es heute sogar noch bestärken: Sie ist nicht nur der Weg – sie ist der Schlüssel! Wir brauchen eine Bauordnung, die Umbau nicht als Sonderfall behandelt, sondern als Regel. Eine Bauordnung, die die Weichen stellt für ressourcenschonende Sanierungen, mutige Umnutzungen und die kreative Symbiose von Alt und Neu.
Von Gebäudeenergiegesetz zum Gebäuderessourcengesetz
Vor wenigen Wochen wurde ein neuer Bundestag gewählt, die neue Bundesregierung bildet sich gerade. Das bedeutet: Jetzt ist der Moment, auch politisch dafür die Weichen zu stellen! Es bleibt zu hoffen, dass sich (auch) die kommende Bundesregierung der Bedeutung der klimapolitischen Herausforderungen bewusst ist.
Ein Ziel dabei: Wir sollten aus dem Gebäudeenergiegesetz ein Gebäuderessourcengesetz machen. Denn wir haben keine Zeit mehr für halbherzige Kompromisse oder vertagte Entscheidungen. Die Architektenschaft steht bereit. Aber wir warten nicht nur – wir fordern eine Baupolitik, die die Realität anerkennt und mutig gestaltet. Gemeinsam mit uns Architektinnen und Architekten.
Robert Marlow, Präsident der Architektenkammer Niedersachsen
Die BAK ruft gemeinsam mit dem ACE dazu auf, die Kampagne HouseEurope! zu unterstützen, um Bestandserhalt, Umbau und Sanierung in Europa zu befördern. Jetzt unterschreiben auf houseeurope.eu
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