Text: Wolfgang Riehle
Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat das neue Jahr unter das Motto „einfach gestalten“ gestellt. Weshalb? Weil wir in unserem Spagat zwischen Ordnungs-, Dienstleistungs-, Lobbying- und Kulturauftrag die Förderung der Baukultur nicht als gleichrangig mit den anderen Aufgaben verstehen, sondern als diejenige, die im Erfolgs- wie im Versagensfall die gesellschaftlich nachhaltigste Wirkung unseres beruflichen Tuns hinterlässt. Denn die Ergebnisse unserer Arbeit haben ein erstaunliches Beharrungsvermögen und stehen gerade bei der Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien auch nach einem ersten Lebenszyklus noch keinesfalls zur Disposition.
Die intensive Befassung mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ hat uns deutlich gemacht, wie rasant die Anforderungen an das Planen und Bauen in den letzten Jahren gestiegen sind und wie sie unsere tägliche Arbeit immer komplexer und nicht selten komplizierter machen. Dieser Umstand fordert eine inhaltliche Rückbesinnung auf unsere eigentliche Aufgabe als Architekten und Stadtplaner geradezu heraus: die Rückbesinnung auf das Gestalten! Der gebauten Umwelt aktiv Gestalt zu geben, ist unsere eigentliche Berufsaufgabe. Unsere Kernkompetenz muss auch künftig an der überzeugenden Gestaltung von Städten und Gebäuden, von Innenräumen und Freiflächen erkennbar sein. Im Übrigen: Ist es nicht das Gestalten, das die Faszination unseres Metiers ausmacht? Bewegt nicht gerade dies junge Menschen dazu, den „Traumberuf Architekt“ zu ergreifen, und uns, daran begeistert festzuhalten – trotz mancher Widrigkeiten?
Gestalten – ja! Weshalb aber „einfach“ gestalten? Es ist unbestritten, dass den Menschen eine Sehnsucht nach dem Einfachen innewohnt. Antoine de Saint-Exupéry formulierte: „Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“ Denn es gibt kaum etwas Schwierigeres, als komplexe Sachverhalte auf einfache Botschaften einzudampfen. Und dies gilt ganz besonders in der Architektur, deren Qualität sich nicht nur Fachleuten, sondern vor allem den Menschen ohne Architekturausbildung nonverbal mit nachvollziehbaren, spür- und erlebbaren Botschaften mitteilen sollte. Die Architekten der Moderne haben dies zu ihrem Grundsatz erhoben und sich der Einfachheit und Klarheit verschrieben. Heinrich Tessenow hat es auf den Punkt gebracht mit der Formulierung: „Das Einfache ist nicht immer das Beste. Aber das Beste ist immer einfach.“
Deshalb „einfach gestalten“ und dies, je nach Betonung, bewusst doppeldeutig: Weil wir einfach immer damit anfangen sollten, unseren Aufgaben ganzheitlich Gestalt zu geben, statt zunächst zahllose Detailaspekte abzuarbeiten – und weil wir eben keine vornehmere Aufgabe haben, als einfach zu gestalten!