Text: Markus Müller
Eigentlich ist alles schon gesagt und eigentlich weiß es auch jeder. Erstens: Energie ist eine der Leitwährungen unserer Gesellschaft. Und zweitens: Wir müssen Energie sparen oder zumindest klimaneutral herstellen, wollen wir nicht unseren Planeten in seiner Existenz gefährden. Existenzielle Wohlstandsmehrung in weiten Teilen der Welt und gleichzeitige Reduzierung des CO2-Ausstoßes sind zentrale Aufgaben unserer Zeit. Ich finde: Seit der Mondlandung gab es vielleicht keine so eindeutig positiv besetzte Zielsetzung der Forschung – ökologische Verträglichkeit, erneuerbare Energie und Effizienz. Die Frage, ob die technologisch hoch entwickelten Staaten dieser Erde in der Lage sein werden, für alle verträgliche Produktionsmethoden und Lebensweisen zu entwickeln, ist ohne Zweifel ein Innovationstreiber ersten Ranges. Sie ist aber auch eine zivilisatorische Fragestellung an die ethische Integrität der klassischen Kulturnationen. Sind unsere Gesellschaften in der Lage, in generationen- und nationenübergreifenden, weil globalen Dimensionen zu handeln?
Ich bin für unseren Beruf sehr optimistisch. Architektur und Stadtplanung müssen qua se komplexe, langfristige Zusammenhänge planerisch verarbeiten und zu einem Ergebnis führen. In unterschiedlichen Intensitäten, mit unterschiedlichen Konzepten beteiligen sich viele Kolleginnen und Kollegen an den Diskussionen. Die Debatte um die Weiterentwicklung der Energieeinsparverordnung zeigt: Wir sind heute in der Lage, thermische Prozesse in einem Gebäude sehr viel genauer zu verstehen, als dies noch in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts der Fall war. Deshalb sind heute passgenaue, dynamische und damit effizientere Raumkonditionierungssysteme möglich. Sie können deshalb technologisch extrem unterschiedlich gestaltet werden. Wir haben heute eine zwar nicht sehr breite, aber dennoch fundierte Datengrundlage zur Evaluierung von Gebäudestandards an der Hand und können den Unterschied zwischen Modellrechnung und tatsächlichem Energieverbrauch in Relation zu den jeweiligen Nutzungen setzen. Darüber hinaus sind die Frage des Ressourcenverbrauchs und die Einbeziehung von Bestandsgebäuden in den Fokus der Betrachtung gerückt. Und wir sehen den Gesamtenergieverbrauch auch in einem städtebaulichen Kontext.
Klimaschonende Technologien und Kompetenzen sind genauso wie andere Exportgüter Teile eines globalen Wissensmarktes. Es war deshalb richtig, dass die Bundesarchitektenkammer einen Innovationssprung in der Rahmengesetzgebung zur Energieeinsparung gefordert hat. Diese Erkenntnis hat nun in die Politik Einzug gehalten. Die Bauministerkonferenz der Länder hat die Bundesregierung aufgefordert, die EnEV nicht einfach fortzuschreiben, sondern eine Generalrevision vorzunehmen (mehr zum Thema hier). Offen gestanden, hätte ich nicht geglaubt, dass eine solche Ausweitung der Gesetzgebung auf Fragen der Herstell-Energie und eine energetische Lebenszyklusbetrachtung je möglich werden könnte. Ich finde diese Entwicklung ziemlich ermutigend.
Architektur und Stadtplanung haben immer dann an Relevanz gewonnen, wenn sie sich in den Kontext zentraler Fragen menschlicher Lebensbedingungen gestellt haben. Die weltweite klimaneutrale Sicherung eines Mindestwohlstands für alle Menschen ist ohne jeden Zweifel eine solche epochale Aufgabe. „Energie“ ist deshalb ein chancenreiches Thema, dem wir uns mit aller Professionalität widmen müssen.
Markus Müller, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg.