Es ist Europäisches Kulturerbejahr! Das von der EU-Kommission initiierteThemenjahr fordert unter dem Motto „Sharing Heritage“ jeden auf, unser kulturelles Erbe – eingebettet in die europäische Geschichte – für sich und andere neu zu erschließen und es dann zu teilen: mit seinen Nachbarn und deren Gästen, mit seinen Bauherren in angeregten Gesprächen und mit staunenden Touristen, dort wo kulturelles Erbe bereits gut präsentiert ist, aber der kleine Schatz zwei Straßen weiter noch in keinem Reiseführer steht. Teilen – vor allem das vorhandene Wissen über unsere Kultur und alles, was uns ausmacht. Und mit wem kann man das besser als mit Kindern und Jugendlichen in Deutschland und ganz Europa?
Die Antwort auf die Frage, wie in der heutigen Zeit vergänglicher Banalitäten der Blick für das Dauerhafte und Schöne, das Verständnis für geschichtliche Entwicklungen und die Verantwortung für das Erbe zu fördern sind, wird entscheidend dafür sein, wie unser Lebensraum künftig wertgeschätzt wird und wie unser Lebensstandard und unsere Lebensumstände dem Maßstab nachhaltiger Qualität standhalten können.
Erbe teilen heißt auch zu erkennen, wie ähnlich doch unsere Wurzeln sind. Für uns in Sachsen-Anhalt, dem Kernland deutscher Geschichte, steht nach der Beschäftigung mit Mittelalter und Reformation nun die Vorbereitung des Bauhaus-Jubiläums 2019 im Fokus – und das ganz eng im Zusammenhang mit Sharing Heritage. Der Gedanke des „Neuen Bauens“ verband in den frühen 1920er- und 1930er-Jahren Architekten in ganz Europa und der Welt miteinander. Viele Aufgaben, vor denen heute Stadtplaner und Architekten stehen, waren auch damals aktuell. Vergleichen wir nur den sozialen Wohnungsbau in Wien mit dem in Rotterdam, in Berlin oder in Magdeburg. Die Siedlungen, städtebaulich beispielhaft gelöst, sind bis heute uneingeschränkt beliebt und manchmal gehören sie bereits zum UNESCO-Welterbe. Herausragende Einzelbauwerke jener Zeit finden sich in allen Ländern. Unsere landesweiten Aktivitäten zum Bauhaus-Jubiläum werden von Salzwedel bis Zeitz, von der Lutherstadt Wittenberg über Magdeburg und Dessau bis Sangerhausen in einem Schülerwettbewerb gebündelt. Eng sind wir mit unserem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie bei der Durchführung dieses Projektes verknüpft, dessen Ergebnisse deutschlandweit und international bekanntgemacht werden sollen.
Wer Erbe teilt, schaff t zugleich ein Netzwerk. Als eines von 34 nationalen Projekten wird beispielsweise das von der Landesarbeitsgemeinschaft Architektur und Schule und der Bayerischen Architektenkammer erdachte Projekt „LostTraces“ auf die Suche nach „verlorenen“ Orten gehen, die nicht auf Bayern beschränkt bleiben soll. Gefragt sindbundesweit Mitstreiter, die neugierig genug sind, vor Ort auf Spurensuche zu gehen, die Fragen nach dem Gestern, Heute und Morgen stellen und die „verloren“ geglaubte Orte gemeinsam gestalten und damit wieder in das öff entliche Bewusstsein rücken.
Nicht zuletzt setzt das Teilen des Erbes auch Impulse. Die Zahl der deutschland- undeuropaweiten Initiativen ist groß und vielfältig und das nicht nur, weil viele Projekte auchfinanziell unterstützt werden. In unserer Verantwortung liegt es, das Verbindende herauszustellen, denn heute geht es darum, das Gemeinschaftliche als Grundlage zu nutzen, um Netzwerke zu knüpfen und miteinander in Kontakt zu kommen. Unsere belastbare Basis sind gemeinsame Werte und Wurzeln. Nicht nur Parlament, Rat oder Kommission, sondern WIR sind Europa! Wenn diese Erkenntnis am Ende des Themenjahres steht und Jugendliche – die Zukunft Europas – mehr voneinander wissen und Trennendes in den Hintergrund tritt, ist genau das erreicht, was die Initiatoren verfolgten. Selten war Teilen so leicht und wirkungsvoll.