Herr Dr. Buschmann, das Bundeskabinett hat am 6. November den Regierungsentwurf eines Gebäudetyp-E-Gesetzes verabschiedet. Noch am selben Tag ist die Ampel-Koalition zerbrochen. Ist das Projekt damit gestorben?
Buschmann: Es wäre ein großer Fehler. Daher darf das nicht sein und es muss auch nicht so sein. Aktuell wird bis in den Januar hinein mit Sitzungstagen des Deutschen Bundestages geplant. Es gibt also ein Fenster für einen Abschluss im Parlament. Der Gebäudetyp-E-Gesetzentwurf ist verabschiedungsreif und sollte daher auch noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Ich bin überzeugt: Die Stimmen der FDP-Fraktion hätte der Gebäudetyp E sicher. Die noch amtierende Regierungskoalition und die sie tragenden Parlamentsfraktionen sollten den Weg dafür frei machen, dass der Gebäudetyp E zügig im Bundestag beraten wird – ohne Tricks und doppelten Boden.
Frau Gebhard, wie sieht die Bundesarchitektenkammer den Gesetzentwurf?
Gebhard: Zunächst möchte ich dem Bundesjustizministerium und insbesondere Ihnen, lieber Herr Dr. Buschmann, auch ganz persönlich sehr herzlich danken. Es war ja die Bundesarchitektenkammer, die das Thema der Überregulierung durch Normen und Regeln maßgeblich thematisiert hat. Und es war auch die Bundesarchitektenkammer, die eine zivilrechtliche Flankierung der Idee des Gebäudetyps E in die Diskussion eingebracht hat. Die Notwendigkeit einer solchen gesetzlichen Absicherung im BGB wurde und wird ja von einigen immer noch bestritten. Nur: wenn das so ist, fragt man sich schon, warum in der Praxis jahrzehntelang nichts passiert ist, beziehungsweise warum es immer schlimmer wurde mit den Normen und Regeln. Und deshalb finde ich es großartig, dass Herr Dr. Buschmann unsere Anregung aufgegriffen und eine Anpassung des Bauvertragsrechts vorgeschlagen hat. Es wäre wirklich eine vertane Chance, wenn das Gesetz jetzt kurz vor Schluss noch scheitern würde.
Was ist das Hauptziel des neuen Gebäudetyp-E-Gesetzes?
Buschmann: Bauen ist in Deutschland viel zu teuer. Das ist ein wesentlicher Grund für den Wohnungsmangel. Die Kosten müssen also runter – insbesondere beim Neubau von Wohnungen. Genau daran setzt der Gebäudetyp E an. Im Kern geht es um mehr Wahl- und Gestaltungsfreiheit beim Bauen. Das erreichen wir, indem wir den freiwilligen Verzicht auf Komfortstandards erleichtern. Denn Komfortstandards sind oft Kostentreiber. Grundsätzlich ist es auch jetzt schon möglich, dies zu vereinbaren. Aber: Planer und Bauausführende sehen sich aktuell dem Risiko ausgesetzt, von Bauherren wegen vermeintlichen Sachmängeln in Anspruch genommen zu werden. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir also auch das Prozessrisiko für Planer und Ausführende reduzieren. Was kleinteilig klingt, ist tatsächlich ein großer Schritt nach vorne: Fachleute schätzen das Einsparpotenzial auf mehr als acht Milliarden Euro pro Jahr.
Frau Gebhard, stimmen Sie dem zu?
Gebhard: Absolut. Wichtig zum Verständnis ist, dass Kosteneinsparungen am Bau auch mit Ressourceneinsparungen einhergehen. Noch in den Neunzigerjahren reichten circa 14 Zentimeter starke Rohdecken zwischen den Wohnungen. Heute sind es üblicherweise bis zu 22 Zentimeter. Jetzt stehen die Häuser aus den Neunzigern immer noch und Menschen wohnen gerne dort. Könnte man dahin nicht wieder zurück? Das würde neben Kosten auch Ressourcen sparen und das muss möglich sein. In keinem Fall dürfen aber die dann hoffentlich kostengünstigeren Wohnungen weiterhin zu hohen Preisen vermarktet werden. Die Kosteneinsparungen müssen auch bei den Käufern oder Mietern von Wohnungen ankommen, sonst werden wir die Unterstützung nicht nur der Verbraucherverbände verlieren. Wir glauben aber, dass das Gesetz uns in diese Richtung weiterbringt, auch wenn es im Detail auch aus unserer Sicht noch Verbesserungsvorschläge gäbe.
Herr Dr. Buschmann, wie soll das Gesetz sicherstellen, dass sowohl Kosteneffizienz als auch architektonische Qualität gewährleistet bleiben?
Buschmann: Die Kosteneinsparung ist eines der Hauptziele des Gesetzentwurfes. Das Beispiel von Frau Gebhard macht dies sehr gut deutlich. Es zeigt auch, dass ein weiterer positiver Effekt die Einsparung von oft CO2-intensiven Ressourcen sein kann. Dabei ist mir wichtig zu betonen: Es geht um Wahlfreiheit beim Wohnkomfort – nicht um Kompromisse bei der Sicherheit. Niemand muss sich Sorgen machen, dass es Abstriche bei Gebäudesicherheit oder Gesundheit gibt. Da der Gesetzentwurf den Profis am Bau mehr Gestaltungsfreiheit lässt, kann es sogar ein Mehr an architektonischer Qualität geben. Denn überbordende Regularien sind oft ein Hindernis für Kreativität und Qualität.
Frau Gebhard, wie bewerten Sie diese vorgesehenen Flexibilitäten? Genügen sie Ihrer Meinung nach den Anforderungen der Praxis?
Gebhard: Wie Dr. Buschmann gerade schon sagte, kann mehr Freiheit in der Anwendung von Regularien auch zu besserer Architektur führen. Natürlich wird diese Maßnahme allein das noch nicht sicherstellen. Wir als Architektenkammern wünschen uns schon lange mehr Wertschätzung für die Arbeit unserer Mitglieder. Diese sind es, die dafür ausgebildet sind, lebenswerte und nachhaltige Lebensräume für alle Menschen zu entwickeln. Dafür brauchen sie aber mehr Rückhalt in der Gesellschaft. Das neue Gesetz ist dabei ein Baustein, der uns schon hilft.
Was erwarten Sie beide von der künftigen Zusammenarbeit in Bezug auf das Gebäudetyp-E-Gesetz?
Buschmann: Die Bundesarchitektenkammer ist ein wichtiger Impulsgeber mit großer Praxisexpertise. Ich bin davon überzeugt, dass dieser gute Austauchkanal auch in Zukunft bestehen wird. Denn die Politik kann von den Praktikern lernen.
Gebhard: Die Bundesarchitektenkammer wird sich weiterhin aktiv einbringen und darauf achten, dass die architektonische Qualität und der Gedanke der Ressourcenschonung nicht verloren gehen. Wir sehen es als gemeinsame Aufgabe, zukunftsfähige Bauprozesse zu gestalten. Nur durch ein echtes Miteinander kann das gelingen.
Vielen Dank Ihnen beiden für das gute Gespräch!
Das Gespräch führte BAK-Bundesgeschäftsführer Dr. Tillman Prinz.