Frau Gebhard, die Architektenkammern haben den Begriff des Gebäudetyps E geprägt und gemeinsam mit den Ingenieurkammern in die Politik getragen. Warum ist das aus Ihrer Sicht so wichtig, und welche Maßnahmen erhoffen Sie sich von der Bundesregierung?
Gebhard: Wir sehen, dass gerade der Wohnraummangel in den Metropolen mittlerweile gefährlichen sozialen Sprengstoff darstellt. Wir brauchen also mehr Wohnungen, sowohl im Bestand als auch im Neubau. Spätestens mit dem Ende der Nullzinsphase im Jahr 2022 ist klar geworden, dass wir uns im Wohnungsbau genau überlegen müssen, welchen „Luxus“ wir uns noch leisten können, denn es ist nicht mehr alles finanzierbar. Darüber hinaus stellen viele Abstriche bei der ein oder anderen Regel auch gar keinen Verzicht dar. So sinnvoll Standards im Grundsatz sind, das System wird auch missbraucht, wenn Normen herangezogen werden, nur um einen vermeintlichen Mangel zu begründen. Hier muss mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, dann kommen wir auch weiter mit dem kostengünstigen und damit auch ressourcenschonenden Bauen. Einiges erreicht haben wir auch beim Thema Bauordnung.
Geywitz: Ich teile Ihre Einschätzung, dass der Gebäudetyp E ein wichtiger Baustein für die Zukunft ist. Deshalb setzen wir uns im Ministerium bereits für die Optimierung der Rahmenbedingungen ein. Wir haben deshalb mit unseren Partnern im Bündnis bezahlbarer Wohnraum die „Leitlinie und Prozessempfehlungen Gebäudetyp E“ entwickelt, um allen am Bau Beteiligten einen Weg aufzuzeigen, wie sie Abweichungen von Standards rechtssicher vereinbaren können.
Ein weiteres zentrales Thema ist die HOAI. Im August 2022 wurde der Prozess der Novellierung der über zehn Jahre alten aktuellen Fassung der HOAI eingeleitet. Nach den Planungen sollte der Bundesrat im Juni 2025 die neue Fassung verabschieden. Frau Geywitz, ist mit der Koalition auch die HOAI-Novellierung geplatzt?
Geywitz: Die HOAI ist ein wichtiges Instrument und eine Voraussetzung für faire Bedingungen und eine leistungsgerechte Honorierung im Planungswesen. Eine Novellierung war und ist dringend erforderlich. Die federführende Zuständigkeit liegt beim Bundeswirtschaftsministerium, das ja bereits erläutert hat, warum ein Abschluss des Verordnungsverfahrens vor den Neuwahlen nicht möglich ist. Mit den durch das Bundesbauministerium durchgeführten gutachterlichen Untersuchungen zur Aktualisierung der Leistungsbilder und dem Honorargutachten im Auftrag des BMWK liegen aber umfassende Ergebnisse vor, die eine zügige Fortsetzung des Verordnungsverfahrens durch die neue Bundesregierung ermöglichen. Auch wenn die Unterbrechung für alle Beteiligten bedauerlich ist, möchte ich an dieser Stelle ein großes Kompliment aussprechen: In beiden Gutachtenprozessen haben sich die Bundeskammern und Verbände der Planenden Berufe intensiv eingebracht. Insbesondere im Rahmen unserer Leistungsbereichsuntersuchungen haben sie durch ihren Input und ihr großes Engagement erheblich die guten Ergebnisse befördert. Dieser kontinuierliche Austausch und die Abstimmung tragen ganz wesentlich zu einer tragfähigen Reform bei, die hoffentlich bald weiter umgesetzt werden wird.
Gebhard: Vielen Dank, Frau Geywitz. Das sehe ich ganz genauso. Mir ist aber auch noch wichtig zu betonen, dass nach einer Novellierung sofort wieder ein weiterer Novellierungsprozess gestartet werden muss, und zwar aus folgenden Gründen: Wir müssen uns sehr ernsthaft Gedanken darüber machen, ob die HOAI die Erfordernisse der Bauwende strukturell hinreichend abbildet. Ich nenne nur das Stichwort Baukosten als wesentlicher Maßstab für das Honorar bei den Objekt- und Fachplanungen. Dies führt immer wieder zu Diskussionen, nicht nur bei der Bauherrschaft, sondern auch innerhalb der Planerfamilie. Denn bei den Flächenplanungen spielt die Entwicklung der Baupreise bei der Bemessung des Honorars keinerlei Rolle. Dies hat in der Vergangenheit zu stark unterschiedlichen Honorarentwicklungen geführt. Genauso wichtig ist, dass jetzt ganz schnell eine echte Evaluierung der wirklichen Planungsaufwände durchgeführt wird und nicht eine sehr verdienstvolle, aber eben doch sehr ergraute Formel fortgeschrieben wird. Dies hat der Bundesrat schon vor über einem Jahrzehnt gefordert.
Lassen Sie uns über das Thema Digitalisierung sprechen. Frau Gebhard, die BAK hat sich in der Vergangenheit für eine stärkere Integration digitaler Tools in die Bauplanung ausgesprochen. Welche Fortschritte gibt es in diesem Bereich?
Gebhard: Die Integration digitaler Tools in die Bauplanung hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Ein zentrales Werkzeug ist Building Information Modeling (BIM), das zunehmend in der Branche eingesetzt wird. Dennoch gibt es hier weiterhin Handlungsbedarf, vor allem in der breiten Anwendung und bei der Ausbildung. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die bundesweit weitgehend einheitliche Einführung digitaler Bauanträge. Hierzu haben wir die „digitale bundesweite Auskunftsstelle der Architekten- und Ingenieurkammern“, di.BAStAI, etabliert, die den Behörden die Überprüfung der Bauvorlageberechtigung erleichtert. Der nächste Schritt sollte sein, auch den BIM-basierten Bauantrag voranzubringen, um den Genehmigungsprozess weiter zu beschleunigen. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Digitalisierung im Bauwesen nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, um effizienter und nachhaltiger zu arbeiten.
Geywitz: Digitalisierung ist für uns ein zentrales Thema. Wir fördern die Einführung von BIM als Standard. Dafür haben wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und Digitales „BIM Deutschland“ als nationales Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens etabliert. Es informiert und unterstützt alle Akteure im Bauwesen. Einheitliche und abgestimmte Standards sind eine gute Basis für die erfolgreiche Digitalisierung. Um digitale Prozesse in der gesamten Bauwirtschaft zu verankern, entwickeln wir Maßnahmen für die weitere Ausrichtung von „BIM Deutschland“. Wir fördern die Einführung des digitalen Bauantrages im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und unterstützen das Ziel der bundesweit weitgehend einheitlichen Vorgaben für den BIM-basierten Bauantrag.
Frau Geywitz, die Bundesarchitektenkammer und die Bundesingenieurkammer werden mit dem Bundesregister Nachhaltigkeit ein neues Instrument zur Förderung nachhaltigen Bauens einführen. Wie bewerten Sie die Rolle eines solchen Registers aus Sicht der Bundesregierung und welche Erwartungen haben Sie an die Architektenschaft?
Geywitz: Das Bundesregister Nachhaltigkeit ist eine interessante Initiative des Berufsstands der Architekten und der Ingenieure. Sie kann zur Förderung von Transparenz und Nachhaltigkeit im Bauwesen beitragen. Es wäre gut, wenn das kammergeführte Register und die zugehörigen Qualifizierungsmaßnahmen die Aktivitäten der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG) unterstützen und dabei auch mit der Expertenliste für Förderprogramme des Bundes der Deutschen Energie-Agentur korrespondieren. So werden wir gemeinsam einen einfachen und damit auch in der Breite anwendbaren Nachweis für nachhaltiges Bauen schaffen, der auf die Leistungen von entsprechend qualifizierten Planungsbeteiligten abstellt.
Gebhard: Das Bundesregister Nachhaltigkeit etabliert eine neue Expertise, die „Nachhaltigkeitskoordinatorinnen und -koordinatoren“. Sie helfen Bauherren, qualifizierte Expertinnen für Beratungs- und Planungsaufgaben im nachhaltigen Bauen schnell und unkompliziert zu finden. Das neue Register integriert auch weitere im Rahmen der Bundesgebäudeförderung anerkannte Qualifikationen, wie Energieeffizienz-Expertinnen, BNB-Koordinatoren oder DGNB-Auditorinnen. Ein Kriterium, um dabei sein zu können, ist die Kammermitgliedschaft. Das Register steht also für eine hohe fachliche Grundqualifikation und hat den Anspruch, Nachhaltigkeit nicht nur messbar zu machen, sondern als festen Bestandteil der Planungskultur zu verankern.
Eine letzte Frage: Wie sehen Sie die Rolle des Bundesregisters Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft der Zukunft?
Gebhard: Das Bundesregister Nachhaltigkeit hat das Potenzial, ein wichtiges Werkzeug für das nachhaltige Bauen in Deutschland zu werden. Entscheidend ist jedoch, dass es flexibel bleibt und sich an die Anforderungen der Praxis anpasst. Es könnte Vorbildcharakter haben, wenn es gelingt, die Interessen aller Beteiligten – von Bauherren bis zu Planenden – zu integrieren.
Geywitz: Mit dem QNG haben wir in den letzten Jahren viel erreicht, um die Ziele des Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutzes im Baubereich zu stärken, dennoch sind wir vom nachhaltigen Bauen in der Breite noch weit entfernt. Ein Grund dürften hier die bestehenden Zertifizierungsverfahren für Nachhaltiges Bauen sein. Diese werden von vielen Beteiligten als zu komplex abgelehnt. Wir müssen daher verstärkt auf die ohnehin am Planungs- und Bauprozess Beteiligten setzen. Dazu brauchen wir eine Qualifizierungsoffensive, die aber die Akteure nicht überfordern darf. Die Initiative der Kammern greift dies auf und kann so die nachhaltige Transformation der Bauwirtschaft fördern. Ich sehe darin eine Chance, Innovation und Verantwortung miteinander zu verbinden.
Vielen Dank Ihnen beiden für diesen wertvollen Austausch.
Das Gespräch führte BAK-Bundesgeschäftsführer Dr. Tillman Prinz.
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