Wolfgang Tiefensee
Städtische Identität entsteht vor allem dort, wo sich das bauliche Umfeld am Menschen und seinen Bedürfnissen orientiert. Nur wer gern in seinem Haus und seinem Stadtviertel wohnt, hat ein Auge für die Anliegen und Interessen anderer Stadtbewohner. Baulich attraktive Städte schaffen für ihre Bewohnerinnen und Bewohner Identitäten und unterstützen ihre Identifikation mit dem Ort. Attraktive Straßen und Plätze stellen Angebote für Kommunikation und soziale Begegnungen dar. Deshalb stellt Baukultur das gute Bauenin den Mittelpunkt. Dabei geht es nicht allein um einzelne architektonische „Highlights“. Baukultur ist mehr als Architektur und Architektur ist mehr als Bauen. Mehr Baukultur bedeutet vor allem, eine durchgängige Gestalt- und Verfahrensqualität zum festen Bestandteil aller Projekte und Programme der Stadtentwicklungspolitik zu machen. Und zur Baukultur gehört, diejenigen zu hören, die letzten Endes in und mit ihr leben müssen: die Nutzer und Bewohner.
Die Bundesregierung unterstützt Länder und Kommunen in Fragen der Stadtentwicklung seit vielen Jahren. Zu den Instrumenten der klassischen Städtebauförderung sind in den letzten Jahren neue, an veränderte Bedingungen angepasste Programme wie „Soziale Stadt“ oder „Stadtumbau Ost und West“ hinzugetreten. Mit dem Programm „Stadtumbau West“ engagiert sich die Bundesregierung besonders für die vom wirtschaftlichen Strukturwandel und von der Schließung von Militärstandorten betroffenen Kommunen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Anpassung von Wohngebieten der 1950er- bis 1970er-Jahre an den aktuellen Bedarf sowie die Schaffung familiengerechter und generationenübergreifender Wohnformen. Wir wollen die Kommunen ermutigen, vorausschauend und vorbeugend zu handeln, damit Leerstände in den Größenordnungen, wie sie in den neuen Ländern entstanden waren und dort inzwischen erfolgreich abgebaut werden, gar nicht erst entstehen.
Die neue Bundesstiftung Baukultur verleiht der Baukultur eine gewichtige Stimme und wird sich Autorität in der Gesellschaft erarbeiten. Aber Baukultur ist keine Zuständigkeitsfrage, die wir auf eine Institution delegieren könnten. Uns geht es um die notwendigen Rahmensetzungen für eine nationale Baukulturpolitik. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geht diesen Weg seit einigen Jahren und hat gemeinsam mit den Partnern in der Initiative Architektur und Baukultur der Baukultur zu einer größeren Wahrnehmbarkeit in der Szene und in der Gesellschaft verholfen. Wir werden daher die Initiative auch fortführen.
Mit dem Klimawandel ist eine weitere Herausforderung hinzugekommen. Die dadurch erforderlichen Maßnahmen und Projekte werden das Bild von und das Leben in Städten wesentlich verändern. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind damit auch zentrale Herausforderungen für die Architektur. Ich werbe dafür, frühzeitig integriert zu denken, denn die Chancen der „Green Industries“ existieren nicht nur für Automobilindustrie und Energieerzeugung, sie liegen auch im Baubereich. Deutsche Architekten haben gerade im Nachhaltigkeitsbereich einen hervorragenden Ruf. Diesen Vorteil gilt es zu nutzen.
Der „Tag der Architektur 2008“ bietet unter dem Motto „Architektur belebt“ ein umfangreiches Programm. Ich wünsche allen Projekten viel Besucherzuspruch!
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