Wann ist ein hohes Haus ein Hochhaus? Bauordnungsrechtlich bereits dann, wenn die Fußboden-oberkante des obersten Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über 22 Meter liegt. Doch die Spanne zwischen dem, was baurechtlich bereits als Hochhaus gilt, und dem, was technisch heute möglich ist, reicht sehr viel weiter: 818 Meter hoch ist das augenblicklich höchste Gebäude der Welt, das Burj Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wie gehen wir mit dieser Bandbreite um?
Nachdem bereits einige Hochhäuser mit Bauhöhen von bis zu 146 Metern entstanden waren, haben sich im November 2004 die Münchnerinnen und Münchner in einem Bürgerentscheid dafür ausgesprochen, dass in München keine Häuser über 100 Meter Höhe gebaut werden dürfen. Als Maß aller Dinge galten dabei die Türme der Frauenkirche, die in ihrer städtebaulichen Vorrangstellung nicht weiter beeinträchtigt werden sollten, um – wie der Initiator des Bürgerbegehrens, Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter, betonte – das Stadtbild zu erhalten. Allerdings ist die Bindungswirkung dieses Bürgerentscheides mittlerweile bereits wieder abgelaufen, sodass die nächsten Bauanträge für Hochhäuser nur eine Frage der Zeit sein dürften.
Anders agiert die Kommunalpolitik in anderen deutschen Großstädten, allen voran Frankfurt am Main: Mit dem 259 Meter hohen Commerzbank-Tower hatte „Mainhattan“ zwischen 1997 und 2003 das höchste Gebäude Europas vorzuweisen (inzwischen hält Moskau diesen Rekord). Und auch in der Bundeshauptstadt will man höher hinaus als – zeitweise – im „Millionendorf“ München: Die höchsten Gebäude Berlins weisen immerhin eine Höhe von 125 Metern auf, wenngleich sie sich damit noch nicht mit der offiziellen Bezeichnung „Wolkenkratzer“ (ab einer Höhe von 150 Metern) schmücken dürfen. Im internationalen Vergleich liegen die deutschen Großstädte damit aber eindeutig im konservativen Bereich – und gerade deshalb dürfen wir uns ohne Weiteres zutrauen, diesen auch entsprechend auszufüllen.
Das Hochhaus, ein Bautypus der Neuzeit, ist gleichsam ein Spiegelbild der Entwicklung unserer Architekturauffassung. Es scheint, als wolle die Architektur immer höher hinaus. So optimal die Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Grundfläche auf den ersten Blick erscheint, sind Planung und Bau hoher Häuser doch mit einer ganzen Reihe von Problemen behaftet: von der Verschattung der Umgebung über den Energieverbrauch und die Nutzflächeneffizienz bis zur Unterbrechung von Sichtachsen. Es bedarf daher immer einer genauen stadtplanerischen Analyse, wo und in welcher Größenordnung Hochhäuser sinnvoll sind. Auch die Klimatechnik ist in besonderem Maß gefordert, wenn die Energiebilanz solcher Bauten den immer stärker wachsenden Anforderungen an den Klimaschutz gerecht werden soll.
Das bedeutet aber keineswegs, dass wir uns der Entwicklung gänzlich verschließen sollten. Wie so oft ist die Sensibilität von Architekten und Stadtplanern hier besonders gefragt: Fortschritt ja – aber nicht um jeden Preis! Hochhäuser ja – wenn sie Teil einer durchdachten Stadtplanung sind, entsprechend genutzt werden können und die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Wenn dann noch die Energiebilanz stimmt, sollten wir den Mut haben, die vorhandenen Spielräume zu nutzen. Stillstand ist Rückschritt.
Lutz Heese, Präsident der Bayerischen Architektenkammer.