Text: Heiko Haberle
Nachwuchs-Journalisten erhalten den ersten Preis: Fünf Volontärinnen und ein Volontär der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), die auf einer Website über die geplante „Wasserstadt“ im Stadtteil Limmer berichten. Für diesen klassischen Lokaljournalismus in zeitgemäßer Form gibt es den Medienpreis der Bundesarchitektenkammer. Mit Texten, Fotos und Videos erzählen Katharina Derlin, Sabine Gurol, Lisa Malecha, Nils Oehlschläger, Isabell Rollenhagen und Linda Tonn die Entwicklung vom Industriestandort zur Brache und irgendwann zum neuen Stadtteil aus verschiedenen Perspektiven: etwa des Investors, der zukünftigen Bewohner und der Einwohner des benachbarten Dorfkerns. Dabei wird besonders anschaulich, wie vielschichtig der Prozess ist, ein neues Stück Stadt zu bauen. Die fortlaufend aktualisierte Seite hat die Adresse digital.haz.de/wasserstadt.
„Mit der Vergabe des Preises will die Bundesarchitektenkammer die engagierte Arbeit von Journalisten und Publizisten, die die Gestaltung der gebauten Umwelt offen und kritisch begleiten, würdigen.“
Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer
Erstmals nach über 13 Jahren hat die Bundesarchitektenkammer wieder ihren Medienpreis für Beiträge zum gebauten Raum verliehen. Dafür hatten sich 63 Einreicher mit über 140 Beiträgen beworben, darunter feuilletonistische oder tagesaktuelle Zeitungsartikel, Radio- oder Fernsehsendungen, Websites und Blogs. Dabei erstaunte es durchaus, dass die klassischen Print-Medien und der Hörfunk den Wettbewerb zahlenmäßig dominierten und von den wenigen Beiträgen aus neueren Medien nur einzelne vollends überzeugen konnten – darunter das Projekt der Gewinner.
Hoffnungen auf einen Sieg konnte sich machen, wer „die Bedeutung unserer gebauten Umwelt einem breiten Publikum vermitteln und damit das Bewusstsein für Baukultur stärken konnte“, so Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer (BAK). Fachlich fundiert und zugleich laienverständlich sollte es also sein, weswegen ausdrücklich nicht nur Beiträge aus Fachmedien gefragt waren. Entsprechend breit war auch das Themenspektrum: Architektur-Reiseberichte, Häuserporträts, essayistische Betrachtungen und scharfe Analysen. Stark vertreten waren auch Formate rund um die diesjährige Architektur-Biennale in Venedig, ihre Akteure und den dort thematisierten Anspruch an eine soziale Architektur. Neben den Volontären der HAZ überzeugten übrigens auch andere engagierte Lokaljournalisten, die das Baugeschehen in ihrer Stadt aufmerksam begleiten und, wo nötig, kritisieren – ob in Heilbronn, Darmstadt, Magdeburg oder Nürnberg.
Den zweiten Preis erhält Gerhard Matzig von der Süddeutschen Zeitung. Mit einem Bericht über die neue Wehrhahn-Linie der Düsseldorfer U-Bahn lenkt er den Blick auf die Infrastruktur als Bauaufgabe, an der Architekten selten beteiligt sind. In einem anderen Text beschreibt er die Metamorphose der Hamburger Elbphilharmonie vom architektonischen Traum zum Bauskandal und weiter zur Ikone mit Ausstrahlung auf die gesamte Stadtgesellschaft. Mit einem Beitrag über die Architektin Regina Dahmen-Ingenhoven (Ehefrau von Christoph Ingenhoven) thematisiert er das noch immer herrschende Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern im Architektenberuf.
Dem Drittplatzierten Joachim Goetz von der Münchener Abendzeitung gelingt es, im Umfeld und durchaus auch im Stil des Boulevard-Journalismus aktuelle Themen der Stadtentwicklung knapp und prägnant auf den Punkt zu bringen. Wo und wie eine Verdichtung der Stadt für den Wohnungsbau sinnvoll ist und wo nicht, wird so auch dem fachfremden Leser verständlich. Und dank Goetz lernt er vermutlich bisher unbekannte Bauten der Nachkriegszeit kennen oder fragt sich, was eigentlich typisch münchnerisches Bauen ist.
Den Förderpreis für Teilnehmer unter 30 Jahren erhält Adrian Lobe, der in seinen Beiträgen für die Neue Zürcher Zeitung einen besonders weiten Blick auf das Thema Stadt öffnet. Er stellt fest, dass Städte angesichts von Terrorangst immer stärker kontrolliert werden, bis sie ihre urbanen Qualitäten verlieren und letztendlich sogar Privatstädte mit eigenen Regeln entstehen. Das Handyspiel Pokémon Go ist für ihn ein Beispiel, wie der reale Stadtraum durch neue Technologien wieder als Spielwiese entdeckt werden kann, aber auch durch eine privatisierte virtuelle Ebene überlagert wird.
Die Jury
Die Jurymitglieder waren: Prof. Dr. Riklef Rambow (Jury-Vorsitz, KIT Karlsruhe, Fachgebiet Architekturkommunikation), Barbara Ettinger-Brinckmann (Präsidentin BAK), Gerold Reker (Präsident AK Rheinland-Pfalz), Dr. Tanja Deuerling (Medienberaterin, Innovationsexpertin TV), Michael Fabricius (Redakteur Immobilien Die Welt/N24), Heiko Haberle (Redakteur Deutsches Architektenblatt).
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: