Was in diesen Wochen für ganze Staaten besonders augenfällig ist, gilt auch für einzelne Berufe und die, die sie ausüben: Niemand ist eine Insel. Die Tätigkeit von uns Architekten und Planern ist mehr als die anderer Berufsgruppen tief und vielfältig mit der Gesellschaft verflochten: Der Staat setzt den Rahmen und ist oft Bauherr. Unternehmen prägen in Abhängigkeit von Konjunktur und eigenem Erfolg mit uns das Geschehen im Wirtschaftsbau (mehr dazu hier) . Der Wohnungsbau bildet mit unserer Tätigkeit den Rahmen für die Lebensführung der Menschen.
Viele schauen auf uns: Wie keine andere Berufsgruppe werden wir bei unserer Arbeit von Feuilletons und verschiedensten Fachblättern ästhetisch, technisch und ökonomisch beurteilt; Gerichte und Vergabestellen begleiten uns oft allzu intensiv; Massenmedien urteilen nach Glamour-Gesetzen und Wettbewerbsjurys umfassend. Höchste Zeit, unser Verhältnis zur Gesellschaft und unsere Verantwortung für sie einmal grundsätzlich zu diskutieren. Dem dient der Deutsche Architektentag am 14. Oktober in Dresden (siehe auch hier) . Miteinander und mit Vertretern von Politik, Bauherren, Wirtschaft und Wissenschaft stellen wir Grundfragen, wie wir der Gesellschaft dienen können – und was wir brauchen, um sachgerecht dienen zu können. Mehr zu den Themen, zur Organisation und zum Rahmenprogramm finden Sie unter www.deutscher-architektentag.de.
Schon vor dem Deutschen Architektentag präsentieren wir uns in einem engeren, aber für uns sehr bedeutender Kreis: der Immobilienwirtschaft. Ihr wichtigstes jährliches Treffen in Deutschland ist die Messe Expo Real in München (zum Artikel) . Hier bauen wir einen bereits preisgekrönten Stand auf und bieten ein Podium, auf dem Architekten, Bauherren und Investoren gemeinsame Projekte präsentieren oder Kontakte dafür anbahnen können.
Ein drittes Ereignis ist weniger auf unser deutsches Innenleben gerichtet als auf unsere Chancen in aller Welt: die 9. Architekturbiennale im brasilianischen São Paulo, die am 1. November beginnt. In einem sorgsamen Verfahren war die Bundesarchitektenkammer an der Auswahl von Beiträgen beteiligt, die unter dem Motto „Baukultur made in Germany“ unser Schaffen auf diesem globalen Podium darstellen. Nachhaltiges Bauen spielt dabei eine besonders wichtige Rolle.
Zurück nach Deutschland: Auf dem Architektentag wie auf der Expo Real werden wir nicht verhehlen, dass unser Verhältnis zu Politik und Wirtschaft oft fruchtbar, aber manchmal auch spannungsreich ist. Dies nicht etwa, weil Architekten und Planer egomanisch nur ihre eigenen Ideen im Kopf hätten, sondern im Gegenteil: weil wir unsere Verantwortung für die Gesellschaft sehr umfassend verstehen. Wir konfrontieren nüchterne Industrie-Bauherren mit gestalterischen Maßstäben, erinnern reglementierende Auftragsausschreiber an die Chancen des freien Wettbewerbs und stellen im Wohnungsbau nicht nur die Frage nach Kosten und Lebensstil, sondern behandeln gleichrangig das Thema Nachhaltigkeit. Oft ecken wir damit an, und oft ist das sehr ehrenvoll. Thema unserer Diskussionen im eigenen Kreis, aber auch unserer gemeinschaftlichen Selbstdarstellung nach draußen muss immer wieder die Balance zwischen umfassender Verantwortung, zwischen der Treue zu vielen Prinzipien und den teils spitz fokussierten Wünschen der Bauherren und Nutzer sein. Diese Themen können wir auf einzelnen Tagungen und Messen zwar vertieft ansprechen. Sie können uns auch helfen, unseren Kompass dafür zu justieren und immer wieder zu prüfen. Das ist Aufgabe jedes Einzelnen. Aber es ist auch eine wichtige gemeinsame Aufgabe, für die die Architektenkammern da sind. Wir gehen mit unseren Themen und Fragen nach draußen. Kammern sind das genaue Gegenteil vom stillen Kämmerlein.
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