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Zurück Nachwuchs-Kolumne #122

Gebäudetyp E: mehr Freiheit für Architektinnen und Architekten?

Normen begrenzen den Spielraum für kreative Lösungen von Architekt:innen – ein neuer Gebäudetyp könnte zum Experimentieren einladen

Von: Fabian P. Dahinten
Fabian P. Dahinten schreibt über den Einstieg ins Berufsleben, über...

28.09.20224 Min. Kommentar schreiben
Frau auf einem Berggipfel im Schattenriss, sie hat die Ketten an ihren Armen gesprengt.
Die Kette der Vorschriften sprengen? Ein Gebäudetyp E würde mehr Spielraum für kreative Lösungen von Architekt:innen erlauben.

Je länger man sich in einem Haus oder einer Wohnung eingerichtet hat, desto mehr Dinge sammeln sich an. Spätestens beim Umzug merken viele, dass über die Jahre immer mehr Gerümpel dazugekommen ist. Doch statt für neue Dinge alte Sachen zu entsorgen, werden die Bestände in Schränken nachverdichtet, auf den Dachboden exportiert und im Keller eingelagert. Exakt das gleiche passiert mit Bauvorschriften und Normen. Einerseits sollen mit Vorschriften Veränderungen herbeigeführt werden, andererseits kämpft die Industrie für Standards, die am einfachsten mit ihren System-Produkten erfüllt werden können.

Kurzum: Planen und Bauen wird immer komplexer, zeitaufwendiger und teurer. Das Schlimmste dabei ist jedoch, dass die Standardlösungen immer weniger hinterfragt werden und kreative neue Ansätze nur mit sehr viel Kraft und Überzeugungsaufwand umsetzbar sind. Eine völlig falsche Entwicklung, gerade jetzt wo wir eine Bauwende herbeiführen müssen.

Das Konzept Gebäudeklasse macht vieles einfacher

In Deutschland wurden 2021 jeden Tag knapp 432 Baugenehmigungen für Gebäude erteilt. Damit nicht bei jeder einzelnen das Rad neu erfunden werden muss, werden weit verbreitete Häusertypen einer Gebäudeklasse (bzw. einem Gebäudetyp) zugeordnet. Gerade bei Ein- und Mehrfamilienhäusern und mittleren Bürobauten können sich Planende so gut an einem vorgegebenen Rahmen orientieren, in dem sie sich ohne Gefahr bewegen.

Standards sind nicht per se schlecht, gerade beim Brandschutz, für den die Gebäudeklassen in erster Linie relevant sind. Aber insbesondere bei Umbauten kommen Standards schnell an ihre Grenzen. Zwar sind Abweichungen und Befreiungen auch heute schon möglich, doch sie produzieren mehr Aufwand und schaffen Unsicherheiten. Daher werden diese – wenn möglich – vermieden.

Zum Beispiel mehr unters Dach bekommen

Ein Beispiel ist der Dachbodenausbau, der zusätzliche Wohnungen schaffen könnte, wenn dadurch die Gebäude nicht in eine andere Gebäudekategorie rutschen würden. Denn damit werden viele teure Planungen und bauliche Maßnahmen notwendig, die nicht in Relation zum Dachbodenausbau stehen.

Ein weiteres Beispiel sind auch widersprüchliche Vorgaben. Klassisches Beispiel: Brandschutz vs. Denkmalschutz. Eine gewendelte Treppe ist als Fluchtweg nicht zugelassen. Doch was tun im denkmalgeschützten Gebäude? Hier wird zum Glück oft das Schutzziel der Landesbauordnungen herangezogen. Wenn qualifizierte Planer:innen das Schutzziel, dass Personen sicher und rechtzeitig aus dem Gebäude flüchten können, erfüllt sehen, darf auch ein hunderte Jahre altes Haus weiter benutzt werden. Diesen Vorteil haben neue experimentelle Gebäude nicht. Hier gibt es kaum Möglichkeiten, von den vielen Vorgaben abzurücken, auch wenn das übergeordnete Ziel zwar erreicht wird – jedoch auf einem anderen Weg.

Welcher Gebäudetyp? Gib mir ein E!

Mitglieder der Bayerischen Architektenkammer haben eine Idee entwickelt, die hierbei Abhilfe schaffen könnte. Der Ansatz bezieht sich unter anderem auf das Bauhaus, wo man sich vor rund 100 Jahren von Standards und überlieferten Vorbildern löste und mit innovativen Ideen das Bauen revolutionierte. Der Vorschlag aus Bayern lautet: Neben der schon bestehenden Klassifizierung „Sonderbau“ könne auch ein Gebäudetyp E (oder synonym eine Gebäudeklasse E) eingeführt werden – E wie Experiment (oder E wie einfach).

„Gebäudetyp E“ soll sich von den klassischen „Gebäudeklassen“ lösen und ein Label werden, das in den Landesbauordnungen verankert ist, jedoch über diese hinausgeht. So soll dieser Gebäudetyp ausschließlich von fachkundigen Auftraggeber:innen genutzt werden, die gemeinsam mit den Planer:innen auf Augenhöhe und mit ihrer Erfahrung entscheiden können, ob ein gewisser Standard gesenkt wird oder nicht.

Diese Idee zieht bereits Kreise. Um besagte Hürden zu senken – gerade im Hinblick auf die steigenden Baukosten, die Materialknappheit und nicht zuletzt den Klimawandel – und kreativen Architekt:innen wieder mehr Luft zum Atmen zu geben, hat die Bundeskammerversammlung das Parlament der 16 Länderkammern, eine Erklärung für mehr Spielraum für Innovationen beschlossen. Genau den kann der Gebäudetyp E bringen.

Nicht nur experimenteller, sondern auch schneller, günstiger und schöner: Was mit einem Gebäudetyp E alles erreicht werden könnte, lest ihr genauer in einem weiteren Beitrag.


Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Johanna Naara Ziebart.

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