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Kundige Blicke auf die Baukultur

01.09.20153 Min. Kommentar schreiben

06-Artikel_5Architektur, Stadt, Planungsprozesse und ihre Gestaltung sind mittlerweile Themen verschiedenster Bildungsformate. 128 Universitäten/Hochschulen bilden gegenwärtig deutschlandweit in den baukulturell relevanten Professionen wie Architektur, Stadtplanung, Fachingenieurwesen, Bauwirtschaft und Kunst aus. Die akademische Ausbildung wird durch 70 Institute und Akademien ergänzt. Die Nachfrage nach Studienplätzen in der Architektur, dem Bauingenieurwesen oder in der Raumplanung steigt seit 2008 stark an. Die Hochschulen müssen immer mehr Studierende aufnehmen – und das bei gleichbleibendem oder auch reduziertem Lehrpersonal. Ebenso werden die Studiengänge zunehmend auf ein interdisziplinäres, fachlich-integratives Denken ausgerichtet, das in der praktischen Tätigkeit hoch bedeutsam ist, um die komplexen Zusammenhänge baukultureller Fragen angemessen behandeln zu können. Mit beispielhaften Ansätzen, wie dem Projekt „InterFlex“ der Fachhochschule Potsdam, wird die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit den Fachdisziplinen Sozialwesen, Architektur und Städtebau, Restaurierung und Kulturarbeit sowie Design strukturell verankert.

Baukulturelle Bildung in der Breite gewinnt angesichts der zunehmend gewünschten und eingeforderten Einbindung der Bevölkerung bei Bauvorhaben auch jenseits der Ausbildung zu Bau- und Planungsprofessionen an Bedeutung. Die Mitwirkung von Bürgern bei der Planung ihrer Umwelt setzt jedoch ein Verständnis für Planungs- und Bauprozesse voraus, das eine Sensibilisierung sowohl für gestalterische Aspekte als auch für rahmensetzende Einflussfaktoren umfasst. Öffentlichkeitsarbeit und Architekturvermittlung können in diesem Zusammenhang viel bewirken. Eine Affinität zum Planen und Bauen ist in der Bevölkerung durchaus vorhanden: Knapp jeder Fünfte hat während der Zeit der Ausbildung einmal den Wunsch gehegt, einen Beruf im Bereich des Planens und Bauens zu ergreifen.

Vor diesem Hintergrund spielt die baukulturelle Bildung in der Schule eine zunehmend wichtige Rolle. Positiv wirken entsprechende Projekte – wie beispielsweise die Initiative „Architektur macht Schule“ von zwölf Architektenkammern der Länder sowie der Bundesarchitektenkammer – durch das Engagement interessierter Pädagogen, der Verbände sowie fachnaher Vereine. Sie werden meist im Rahmen von Nachmittags-AGs oder Projekttagen organisiert.

Unter anderem hierdurch gewinnt die architektonische Bildungslandschaft seit kurzem an Fahrt: Neben den Kammern entwickeln auch Stiftungen wie beispielsweise Wüstenrot, Siemens, Mercator, Montag oder die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung übertragbare Mentorenmodelle sowie Lehrmaterialien und verknüpfen Schulbauplanung mit baukulturellen Bildungsfragen. Beispiele aus anderen europäischen Ländern verdeutlichen aber auch, dass eine viel weiter gehende Verankerung des „Schulstoffs Baukultur“ möglich ist: In Finnland ist baukulturelle Bildung beispielsweise in die Kernlehrpläne integriert, und das österreichische Unterrichtsministerium unterstützt herausragende Vermittlungsprojekte.

Hier zeigt sich, wie eine Integration baukultureller Themen in die allgemeine Bildung auf einem breiten Fundament erfolgen kann. Sie ist wesentliche Grundlage für eine Sensibilisierung und aktive Teilnahme an der Gestaltung unserer gebauten Umwelt und sollte daher auch in Deutschland noch stärker gefördert werden.

Reiner Nagel ist Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur.
Die Erstfassung dieses Textes steht in ihrem Baukulturbericht 2014/15, den Sie über www.bundesstiftung-baukultur.de kostenlos herunterladen können.

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