Über das Ziel sind sich alle einig: Energiewende heißt so viel erneuerbare Energien wie irgend möglich! Baden-Württemberg setzt auf die Windkraft und macht mit der Novellierung des Landesplanungsgesetzes aktuell den Weg frei für den Bau von über 1.000 Windkraftanlagen – ein Horrorszenario für das Landschaftsbild, denn es sind gerade die exponierten, weithin sichtbaren Standorte, die sich für die Windkraft am besten eignen. Wegen der Verlärmung der Umgebung kommen besiedelte Gebiete für die Aufstellung nicht infrage mit der Folge, dass die Störung genau dorthin verlagert wird, wo Mensch und Tier die Ruhe suchen: in die Natur. Dieser hat der Mensch schon vieles zugemutet und zwischenzeitlich so manchen Irrtum bereits wieder korrigiert – denken wir nur an die Flussbegradigungen oder die Versiegelung von Retentionsflächen mit der Folge gewaltiger Hochwasserschäden …
Kulturlandschaften mit regionalen Besonderheiten gehören zu den großen Werten unserer Gesellschaft. Wir brauchen deswegen eine intensive Auseinandersetzung mit ihrer Vielfalt, Schönheit und Eigenart und dürfen sie nicht leichtfertig der Strömungsgunst oder anlagen- und immissionsschutztechnischen Belangen opfern. Vielmehr müssen gerade die aufgrund ihrer Höhe auf große Distanzen sichtbaren Windräder Teil eines ganzheitlichen Versorgungskonzeptes sein, das die Aspekte des natürlichen und kulturellen Erbes der Landschaft, der Flächennutzung, der regionalen Kultur und des Tourismus einbezieht. Dazu bedarf es transparenter Planungsprozesse mit offensiver Kommunikation und Beteiligung, die an Gemarkungsgrenzen nicht haltmachen dürfen. Wind, Sonne, Wasser, Biogas und Geothermie – alle regenerativen Energiepotenziale sind nicht selektiv, sondern im Verbund zu betrachten und nach der besonderen Eignung von Regionen möglichst dezentral und jeweils mit großer Sensibilität einzusetzen und zu nutzen.
Ein wahrhaft interdisziplinärer Prozess, den gerade wir Architekten nicht allein der Politik und der Energiewirtschaft überlassen dürfen. Wir nehmen für uns in Anspruch, Verantwortung für unsere gebaute Umwelt zu übernehmen. Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten müssen sich deswegen konstruktiv und flächendeckend in die Diskussionen einmischen, der unbedachten Zersiedelung der Landschaft entgegenwirken und zusammen mit Ingenieuren unterschiedlicher Fachrichtungen verträgliche Lösungen aufzeigen. Was spräche denn gegen landschaftsarchitektonische Wettbewerbe, um in besonders geeigneten Gebieten gute Lösungen für Windfarmen zu ermitteln? Im Bodenseeraum haben ehrenamtlich tätige Kolleginnen und Kollegen aus drei Kammergruppen ein Hearing zum Thema „Windkraft und Landschaft“ organisiert und sich damit in Zeiten der Energiewende kompetent zu Wort gemeldet (www.akbw.de). Zur Nachahmung empfohlen!
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Es ist schon etwas befremdlich, wenn im Jahr 2012 ein Architekt sich urplötzlich mit der Gestaltung von Windrädern in der freien Landschaft befasst. Der Norden ist seit fast 20 Jahren mit derartigen Ungetümen zugepflastert, erlebt bereits die Phase des Repowers. Was hat Sie denn dazu bewogen, ihren Standpunkt so rechtzeitig abzugeben? Die Tatsache, das auch im Süden der Republik zunehmend ein Beitrag zur Energiewende geleistet werden muss? Es wird nicht reichen, sich um die Gestaltung der Landschaft zu sorgen, es müssen auch Opfer gebracht werden. Auch eine akademische Auseinandersetzung mit der Problematik und die Forderung große Sensibilität an den Tag zu legen, wird nicht helfen….mindestens die Stromtrassen müssen sie ertragen.
Architekten werden nicht an der Gestaltung der Umwelt beteiligt werden, das übernehmen die Menschen der Region in Zukunft selbst.
Reinhard Seevers, Architekt, Burweg (Bossel)
Sehr geehrter Herr Riehle,
Ihr Statement zur Bauleitplanung von Windkraftanlagen lässt außer dem eher vagen und in einer Demokratie sicherlich für alle Bürger geltenden Aufruf zu Verantwortung und Einmischung leider keine fachspezifische Kompetenz erkennen, warum Architekten besonders prädestiniert wären, geeigneten Standorte für Windräder vorzuschlagen. Oder glauben Sie, dies wäre eine Selbstverständlichkeit? Ihr Verdikt, das Ziel von 1000 Windrädern für ganz Baden-Württemberg sei eine „Horrorvorstellung“, v.a., da diese dummerweise auf strömungsgünstigen Lagen, also sichtbar, stehen müssen, lässt den Artikel in meinen Augen eher auf das Niveau „Erneuerbare Energien ja, aber bitte nicht (sichtbar) bei mir“ fallen. Noch freue ich mich über jedes neue Windrad und denke, diese werden ein selbstverständlicher Bestandteil unserer Kulturlandschaft werden und sein , solange Sie und ich Strom nutzen wollen.
Christoph Rein, Architekt, Zorneding
„Keine Windräder“ ist absolut richtig!
Der Stromverbrauch muß klug und kompetent so weit wie möglich
verringert werden.
Kein Windrad kann allein Strom herstellen, jedes Windrad benötigt
konventionelle Energie, die das Funktionieren des Netzes sichert und
die zufällige Stromerzeugung der Windräder absichert oder bei Bedarf
ersetzt.
Also bitte: Vor jeglicher Ideologie und Beschimpfung die technischen Grundlage klären und besser (viel) nachdenken!
Als Architekt soll man sich auf jeden Fall einmischen und hier auf keinen Fall Politik und Energiewirtschaft auf Kosten der Allgemeinheit allein agieren lassen.
Baufachleute und bauliche Energiesparer haben das fachliche Potential, der gesamten sogenannten Energiewende eine richtige Tendent Richtung Energie- EINSPARUNG zu geben, und das ist
der allererste und klügste Schritt.
Architekten, wo seid Ihr?
Ludger Sikora, Tragwerksplaner, Lüdenscheid
Malt nicht nur ´rum, nachdenken und handeln!
Keine Zeit verlieren
Ja, wir nehmen für uns in Anspruch, Verantwortung für unsere gebaute Umwelt zu übernehmen. Ja, Herr Riehle, sie haben vollkommen recht mit ihrer Äußerung, aber dieser wohlgemeinte Anspruch wird für die Windenenergie zum Spielball rot-grüner Politik. Wenn die Landesregierung den Turbo zur Energiewende zündet und 1.000 Windmühlen einfordert, dann sollte vorab ein ausgereiftes Planungsheft vorliegen, das es ermöglicht die Forderungen aus dem neuen Landesplanungsgesetz effektiv umzusetzen, und keine fragenden und verzweifelten Planer vor spannungsgeladene Aufgaben stellt, den Belangen des Landschafts-, Natur- und Umweltschutzes übermäßig gerecht zu werden. Ein Blick in den simulierten Windatlas lässt schnell erkennen, dass Baden – Württemberg im Bereich der Windkraftnutzung nie einen vorderen Spitzenplatz einnehmen wird. Und die wenigen Gebiete, die rot bis dunkelrot leuchten, stehen nun im besonderen Fokus der Landschaftsbildschützer. Die Bildmontagen im Windkrafthearing lassen wenig Gutes erhoffen, täuschen in etwas übertriebener Unmaßstäblichkeit die Landschaftsapokalypse vor. Der Alpenblick ist gefährdet, die Heimat bedroht und das Landschaftsbild auf lange Sicht verunstaltet. Privilegierte Bauwerke, die einen Beitrag dazu leisten müssen, dass auch zukünftige Generationen die Vielfalt unserer Kulturlandschaft erleben können, mutieren zum Hassobjekt. Windnutzung ist aktiver Klimaschutz, gestern und zukünftig. Warum also die Sache immer kleinteiliger thematisieren oder verschärfen, womöglich noch die Zwangsweste „Landschaftsarchitektonischer Wettbewerb“ drüberstülpen, wenn man angesichts bestehender Autobahntrassen oder in den Himmel aufsteigender Kondenswolken neu errichteter konventioneller Kraftwerke das Essentielle längst aus den Augen verloren hat. Wo andere in der Welt die Windkraft als Chance betrachten und nutzen, treten wir im Land der Denker und Tüftler auf der Stelle und brüten Erlasse aus. Stadtplaner und Landschaftsarchitekten sollten daher im Planungsprozess keine Zeit durch immer höhere bürokratische Hürden verlieren. Unser Anspruch auf Verantwortung für die gebaute Umwelt ist nicht allein auf den gestalterischen Ansatz begrenzt. Vielmehr müssen wir dafür eintreten, den Klimaschutz nicht an zu hohen gestalterischen Maßstäben scheitern zu lassen.
Thomas Kölschbach, Architekt u. Stadtplaner, Emmingen-Liptingen
aus aktuellem Anlass:
Gestern Abend bei Maybrit Illner sagte der Bürgermeister von Tübingen, Herr Palmer, Bündnis 90/DIE Grünen: ….Windräder und Freileitungen sind doch gegenüber Autobahnen nur Eingriffe ins Erscheinungsbild, mehr nicht…., so jetzt weiß man wie der Hase läuft….und wo er läuft.
Reinhard Seevers, Architekt, Burweg (Bossel)
Dass die Nutzung erneuerbarer Energieformen sehr sinnvoll ist, ist inzwischen für (fast) Jeden nachvollziehbar: Photovoltaik, Windkraft, thermische Solartechnik, etc., sollten jeweils dort eingesetzt werden, wo sie die größten Ernteerträge erbringen.
Ob im Norden oder im Süden Europas, meinetwegen auch in der Sahara. Im Sinne einer großräumigen Lastverteilung werden wir allerdings, so wie es sich z.Zt. darstellt, wahrscheinlich nicht um den Ausbau der europäischen Übertragungsnetze, evtl. in Hochspannungsgleichstromtechnik, herumkommen. Vielleicht sollten die „Experten“ sich, bevor die Landschaft weiter verspargelt wird, zunächst einmal mit _dieser_ immer dringender werdenden Problematik zielorientiert auseinandersetzen. Wenn man es clever anstellt, könnte man sogar vorhandene Freileitungssysteme nutzen, indem man Leiterseile austauscht. Aber auch hier gilt offensichtlich das Motto „Warum einfach wenn es auch kompliziert und teuer geht?“. Ab und zu einmal über den Tellerrand sehen hilft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Robert Stavenhagen, Berlin
Schön, dass die Diskussion um die Gestaltung der Kulturlandschaften der Zukunft allmählich in der Fachöffentlichkeit ankommt. Die Kulturlandschaft verändert sich momentan so schnell wie noch nie. Seit über 15 Jahren bemühen wir uns daher auch als Landschaftsarchitekten darum, wie die Erneuerbaren Energien in das Landschaftsbild integriert werden könnten (siehe ZB http://www.energiegarten.de). Und dabei geht es nicht nur um Windkraft: Auch Solarfreianlagen und Biomasseanbau (ZB gentechnisch veränderter Energiemais und Kurzumtriebsplantagen) verändern unsere Kulturlandschaften. Das ist ein Fakt, auch in Baden- Würtemberg. Bisher sind die Steuerungsinstrumente der Regionalplanung sehr eingeschränkt und die Windeignungsgebiete werden meist auf den Flächen ausgewiesen die halt übrig bleiben wenn alle anderen Interessen (Naturschutz, Eigentumsverhältnisse, Denkmalschutz, Windhöffigkeit, Abstand zu Wohnbebauung etc.) einigermaßen berücksichtigt wurden. Auf diesen Restflächen stellt der Windmüller seine Windräder dann halt so auf, daß sie den meisten Ertrag bringen. Ganzheitliche und verbindliche Entwicklungskonzepte mit einem landschaftsästhetischen Ansatz für die Kulturlandschaften der Zukunft gibt es leider -noch- nicht.
Claus Herrmann, Landschaftsarchitekt, Berlin
Windkraftanlagen sollten aus meiner Sicht nur dort gebaut werden, wo auch viel Wind ist. In bereits mehr als 150 km Entfernung von der Küste ist kaum dauerhafter Wind. Diese Windräder stehen dann die meiste Zeit still und bringen für die Betreiber nur wegen der hohen Förderung Ertrag. Ansonsten ist es der blanke Unsinn Windräder quer verteilt über das ganze Land zu stellen. Wohl gemerkt bin ich ein Verfechter der Erneuerbaren Energien. Es gibt auch noch andere erneuerbare Energien, z.B. die Erdwärme, Fotovoltaik und Solarthermie, Bioethanol und viele andere. Unsere Kulturlandschaft darf durch solche Anlagen nicht weiter verschandelt werden, das gilt auch für Fotovoltaikfreianlagen. Fotovoltaik gehört integriert in die Dächer und Gebäude und nicht auf Wiesen und Äcker, zumal sie dort landwirtschaftliche Nutzfläche zerstören. Neben dem Umbau hin zu erneuerbaren Energien liegt mir auch sehr viel an der Erhaltung der Lanschaft und wohl keiner möchte an jeder nächsten Stelle eine Windkraftanlage, eine Biogasanlage oder flächendeckende Fotovoltaikfreianlagen. Weit im Landesinneren sollte man Windkraftanlagen deshalb nur in ausgedehnten Wäldern bauen dürfen, auf keinen Fall auf Wiesen und Äckern. In den Wäldern sieht man die Windräder kaum und weit oberhalb der Baumwipfel können sich die Windräder drehen. Die erforderlichen Stromtrassen kann man sicher gut im Kabelgraben, vorzugsweise neben Bahn-und Autobahn verlegen.
Sebastian Meyer, Architekt, Ingolstadt