„Du hast nen Pulsschlag aus Stahl, man hört ihn laut in der Nacht …“. Was Herbert Grönemeyer einst über seine Heimatstadt Bochum sang, gilt für jeden städtischen Organismus: Eine Stadt, die lebt, hat einen Puls, hat Adern, durch die das städtische Leben strömt, hat einen Blutdruck, den man spüren kann.
Auch als Besucher merkt man sehr schnell, wie lebendig eine Stadt ist, wie vital, wie attraktiv. Wenn Sie in diesen sommerlichen Tagen in den Kern europäischer Städte reisen, werden Sie es oft erleben. Ob auf der Piazza del Campo in Siena, beim Spaziergang auf dem Montmartre oder beim Bummel durch die Prager Altstadt: Es gibt viele Orte in Europa, die uns faszinieren, die uns halten wollen und uns manchmal auch nie wieder so ganz loslassen.
Diese Magie der gelungenen europäischen Stadt ergibt sich erst in der richtigen Mischung von Architektur und Infrastruktur, von Geschichte und Kultur, von Bewohnern und Besuchern. Allen erfolgreichen Orten gemein ist in der Regel eine hohe städtebauliche Dichte. Ein Thema, das sich in Zeiten von Wohnungsmangel und einer boomenden Neubautätigkeit gegenwärtig mit Nachdruck auf die Agenda von Stadtplanern und Baupolitikern drängt.
Entsprechend kann eine Nachverdichtung unserer Stadtkerne dem städtischen Organismus neue Impulse geben und einseitige Bewohnerstrukturen positiv beeinflussen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine zunehmende Dichte den Druck erhöht. Notwendig ist ein behutsames Nachverdichten mit Augenmaß, so dass dem System lediglich etwas mehr Druck zugeführt wird – und das kann überaus vitalisierend wirken. Was wir brauchen, sind keine neuen Großstrukturen, sondern eine konsequente, qualitätvolle Erweiterung des Bestandes: eine lichte Dichte. Es ist erfreulich zu sehen, dass viele Kommunen ihre Planungshoheit (wieder) aktiv nutzen und dass sie in diesem Bereich durchaus innovative Wohnungsbauprojekte wagen.
Der Vorstand der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen erarbeitet gegenwärtig ein Grundsatzpapier zur Frage der städtebaulichen Dichte. Im Kern geht es darum zu klären, welche Stadt wir wollen. Welche Vision von Urbanität haben wir? Welches Ideal verfolgen wir?
Zu einer gelungenen Rezeptur von Stadt gehören Wohnen und Arbeiten, Kultur und Geschichte. Eingebettet in guten Städtebau und ortsbezogene Architektur kann in einer solchen Mischung ein aufgeladenes urbanes Gewebe entstehen. Insofern sind die Begriffe „Dichte“ und „Urbanität“ geeignet, um die Merkmale der Stadt zu beschreiben, die erstrebenswert sind.
Baut dicht, dabei stets durchmischt! So bekommt die Stadt einen starken Puls, einen gesunden Blutdruck und eine vitale Ausstrahlung.
Ernst Uhing ist Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
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Zum Standpunkt: „Lichte Dichte“
Nachverdichtung ergibt sich in Städten früher oder später zwangsläufig. In der Regel gesteuert durch hohe Grundstückspreise und Nachfragen nach zentraler innerstädtische Lage ist hier immer wieder eine Baulückenschließung oder Nachverdichtung in Form von Anbauten, Hinterhofbebauung und Aufstockung gewährleistet. Vielleicht nicht in der von Städtebauern gewünschten Dichte und Entwicklungsgeschwindigkeit, aber erkennbar.
Jedoch wie gestaltet sich die bauliche Entwicklung in den Dörfern? Gerade im strukturschwachen ländlichen Raum, wo durch Abwanderung mit schwindenden Einwohnerzahlen gekämpft wird. Wie gestaltet sich dort die städtebauliche Entwicklung? Die Entscheidungsträger in den Gemeinden sehen sich gezwungen mit attraktiven Grundstücken Neubürger herbeizulocken bzw. Nachkommen der Altbürger zu halten. Die von sanierungsbedürftigen bis hin zu baufällige Gebäuden geprägt dörflichen Strukturen will niemand retten, Nachverdichtung wird selten thematisiert. Meist werden Neubaugebiete ausgewiesen, welche wie tumorgleiche Wucherungen entlang der Ortsränder am Altort angeheftet werden- Die Ortsmitte blutet aus.
Der Erwerb von Bauland ist keine einfache Sache. Infolge der niedrigen Zinssätze ist jedem der Grund wertvoller als das nicht ertragreich anlegbare Geld. Deshalb müssen die Gemeinden nach dem Motto arbeiten: Wo Grundbesitz erworben werden kann wird geplant. Egal ob der Ort ein weiteres Neubaugebiet in seiner Gesamtgröße aufnehmen kann oder es sich strukturell, verkehrstechnisch und vor allem siedlungsplanerisch um eine sinnvolle Dorferweiterung handelt.
Für die Gemeinden muss die Kosten-Nutzenrechnung stimmen. Gerade vom Einwohnerschwund betroffene Gemeinden befinden sich oft in finanzschwachen Zustand. Freie Mittel für öffentliches Grün oder Straßengestaltung ist nicht zu erübrigen. Die Festsetzungen werden großzügig gehalten, um eine breite Masse von Bauwerbern anzusprechen und denen freie Hand zu lassen – jeder ist willkommen, egal mit welchem Baustil er sich darstellen möchte. Dies führt uns in den sensiblen Bereich der planerischen Festsetzungen in der Bauleitplanung. Für Festsetzungen zur gestalterischen Erhaltung unserer Dorflandschaft interessiert sich nur selten ein Gemeinderat. Im Gegenteil, deren persönliche Kränkungen bei Einschränkungen privater Baumassnahmen werden als Begründung aufgeführt um die Festsetzungen für ein Neubaugebiet breit gefächert anzubieten und damit der Verschandlung unseres ländlichen Kulturraumes Tür und Tor zu öffnen. Wo sind hier gewichtige Redner und Schreiben die sich engagieren um den Ausverkauf der Dörfer außerhalb der Ballungszentren zu verhindern?