Auf Stufe 2 des Fortschritts, dem Komplizierten, agieren momentan oft Gesetzgeber, Normenausschüsse und auch manche Bauherren. Da muss jede Maßnahme bis ins Kleinste geregelt werden, da wird das Haus so lange mit Technik aufgerüstet, bis das eigentliche Gebäude nur noch Umhüllung und Halterung für alle möglichen Steuerungen und Regelungen, für Lüftungs- und Kühlaggregate, Wärmetauscher und Grauwasseranlagen, Fenstermotoren und Sonnenschutzmechanismen ist. Maßvoll eingesetzt, kann das alles sehr sinnvoll sein, bei übermäßiger Ballung erleidet der Bewohner das Schicksal Charlie Chaplins, der in „Moderne Zeiten“ vom Räderwerk seiner Maschine verschluckt wird.
Da Baukultur viel mehr ist als Energiesparen, da es also mit all den ästhetischen, sozialen, technischen, praktischen Anforderungen unter einen Hut zu bringen ist, die an jedes Haus gestellt werden dürfen, steigt diese Komplexität um ein Vielfaches. Um herauszufinden, wie sich all das in Übereinstimmung bringen lässt, muss man auch baukulturell experimentieren können.
Stufe drei des Fortschritts, das Einfache, heißt schlicht, mit Architektur die Umwelt bereichern, sie aber ökologisch möglichst wenig belasten. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der einfachen Freiheit für Bauherren und Architekten, jeweils den individuell besten Weg zu gehen. Nehmen wir das Ziel „Plusenergiehaus“: Wie hier die Erzeugung erneuerbarer Energien, eine effiziente Haustechnik und eine vernünftig dosierte Dämmung miteinander kombiniert werden, kann nicht vorgeschrieben, sondern nur individuell geplant werden. Das gilt erst recht für die Königsdisziplin der Energieplanung, die Zusammenführung ganzer Stadtteile und Städte zu einem klugen Energieverbund, in dem zum Beispiel Gewerbebetriebe ihren Überschuss an Wärme nahen Wohnhäusern oder Schulen abgeben.
Ein Veranstaltungstyp, der an wechselnden Orten neue Wege zum Fortschritt sucht, ist die Internationale Bauausstellung, die in diesem Jahr in Hamburg ausgerichtet wird. Sie bildet das Schwerpunktthema dieses Hefts. Den Hamburgern ist jeder Erfolg zu wünschen, wenn sie in diesem Jahr den aktuellen Stand und den Variantenreichtum der Nachhaltigkeits-Debatte baulich präsentieren. Gerade aus Berlin blicken wir aufmerksam in die Hansestadt, da auch wir über eine IBA im Jahr 2020 nachdenken. Architekten sind überall engagiert dabei. Und nicht nur auf IBAs, sondern täglich aufs Neue beweisen wir, dass unser Berufsstand nicht zu den Ignoranten und Bremsern in Sachen Nachhaltigkeit gehört, sondern zu deren leidenschaftlichsten Verfechtern.
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Eigentlich wollte ich zum Gespräch mit Prof. Heiner Lippe zum Thema: „Die Zukunft des Bauens liegt in der Nachhaltigkeit“ Stellung nehmen. Leider ist der Artikel nicht eingestellt, so dass ich meine Meinung hier einstelle.
Ich bin immer wieder verwundert, wie mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ inflationär von allen Menschen dieser Republik umgegangen wird. Jeder bezieht diesen Begriff auf sein persönliches oder geschäftliches Umfeld, ohne eine wirkliche Definition abgeben zu müssen, oder zu können. Bauen ist grundsätzlich niemals nachhaltig, schon gar nicht in einer kapitalistisch orientierten Wohlstandsgesellschaft. Bauen verschwendet immer Ressourcen und Energie. Wie viel davon wird ausschließlich vom Kapital bestimmt. Der wohlhabende Bauherr kann eine 500m² Villa entsprechend der intellektuellen Definition der Nachhaltigkeit bauen, der weniger Wohlhabende kann ein 120m² Wohnhaus ohne das Siegel der Nachhaltigkeit errichten und dennoch hat der weniger Wohlhabende weniger Ressourcen und weniger Energie verbraucht, er hat sich einfach mit weniger zufrieden gegeben.
Ich habe ein Rethdach, das ist per definitionem nicht nur Nachhaltig, sondern auch ökologisch. Der Aufwand für die Herstellung und Unterhaltung erfordert aber so viel Kapital, dass ich es eigentlich als nicht nachhaltig bezeichne, weil der Aufwand so viel Arbeitszeit und damit Ressourcen und Energie verbraucht, dass der Begriff hier völlig negiert werden darf.
Wenn man sich den materiellen Aufwand zur Erstellung eines Projektes anschaut, dann ist aufgrund der wuchernden Bürokratie und des erhöhten Anspruchs der Individualgesellschaft, um den Faktor 10 gestiegen. Es wird mehr Papier produziert und mehr Energie verbraucht.
„Rebound- und Backfire – Effekte“ machen alle Versuche einer Energie- oder Ressourcen-Einsparung zunichte, das zu erkennen ist nicht einfach, aber notwendig, um nicht weiter über diese inflationäre Verwendung des Begriffes „Nachhaltigkeit“ zu schwadronieren.