Frau Gebhard, wie kam es dazu, dass sich die Architektenkammern an dem runden Tisch beteiligen?
Der runde Tisch der Bundesstiftung Bauakademie soll die Bundesregierung beraten, wie das serielle, modulare und systemische Bauen in größerem Umfang eingesetzt werden kann. Wir sehen das Potenzial dieser Bauweise durchaus – gerade angesichts des Wohnungs- und Fachkräftemangels. Die Herausforderung ist es, eine Bauweise zu etablieren, die nicht nur wirtschaftliche Vorteile bietet, sondern auch hohen architektonischen und städtebaulichen Ansprüchen genügt.
Wenn wir uns aktiv einbringen, haben wir die Chance, sicherzustellen, dass der Fokus nicht allein auf Kostensenkung liegt, sondern Qualität und Baukultur gleichwertig berücksichtigt werden. Bleiben wir außen vor, überlassen wir den Diskurs Akteuren, deren Interesse häufig auf kurzfristige wirtschaftliche Vorteile gerichtet ist. Serielles Bauen kann und muss aber zu lebenswerten und attraktiven Quartieren führen – das ist unser Anliegen.
Wie positionieren sich die Architektenkammern grundsätzlich zu diesem Thema?
Serielles Bauen kann einen wichtigen Beitrag zur Wohnraumversorgung leisten, wenn es richtig eingesetzt wird. Die Vorfertigung einzelner Module und die beschleunigte Bauweise sind zweifellos attraktiv, um rasch auf den Bedarf an Wohnraum zu reagieren. Gleichzeitig darf die architektonische und städtebauliche Qualität nicht vernachlässigt werden.
Für uns ist das serielle Bauen nur ein Werkzeug von vielen. Eine Förderung darf nicht blind an die Bauweise gekoppelt sein – sie muss auf den Mehrwert für die Baukultur und den Nutzen für die Gesellschaft ausgerichtet sein. Ziel muss es sein, durch serielle Ansätze nachhaltige, ästhetisch ansprechende und gut integrierte Quartiere zu schaffen. Dies erfordert die Einbindung von Architektinnen und Architekten, die über den gesamten Prozess hinweg beratend und gestaltend wirken.
Welche Vorteile sehen Sie in der seriellen, modularen und systemischen Bauweise?
Die Vorteile des seriellen Bauens liegen auf der Hand: Durch Vorfertigung und standardisierte Prozesse lassen sich Bauzeiten erheblich verkürzen und oft auch Kosten einsparen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann dies einen entscheidenden Unterschied machen. Serielle Bauweisen bieten auch Flexibilität in der Gestaltung – vom modularen Grundriss bis zur späteren Anpassung oder Erweiterung von Gebäuden. Dies macht sie attraktiv für unterschiedlichste Einsatzbereiche, vom sozialen Wohnungsbau bis hin zu Schulen oder Bürogebäuden.
Doch der entscheidende Erfolgsfaktor ist und bleibt die planerische Qualität. Wenn Architektinnen und Architekten von Anfang an involviert sind, können innovative und ortsangepasste Lösungen entstehen, die die Vorteile des seriellen Bauens optimal mit gestalterischer Vielfalt und Qualität kombinieren.
Wie könnte die Aufgabenverteilung zwischen freischaffenden Architekturbüros und Systembauherstellern im Sinne der Qualitätssicherung gestaltet werden?
Die Zusammenarbeit zwischen Architekturbüros und Systembauherstellern sollte auf den Stärken beider Partner basieren. Freischaffende Architekturbüros bringen Planungs- und Gestaltungsqualität in den Prozess ein. Sie entwickeln Konzepte, die den städtebaulichen Kontext, die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer und die architektonische Gesamtwirkung in den Fokus rücken. Dabei gehen sie unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen einzelner Anbieter vor.
Systembauhersteller bringen hingegen ihr technisches Know-how und die industrielle Effizienz in die Umsetzung ein. Gemeinsam können beide Partner sicherstellen, dass serielle Bauprojekte nicht zur bloßen Massenproduktion verkommen. Durch eine enge, abgestimmte Zusammenarbeit entstehen Gebäude, die funktional, nachhaltig und architektonisch ansprechend sind.
Der Architekt bleibt in diesem Modell der Planer und Koordinator, der den Blick auf die Qualitätssicherung richtet, während der Systembauhersteller für die technische und produktionstechnische Umsetzung sorgt.
Welche Ziele verfolgen die Architektenkammern konkret?
Unser Ziel ist es, die Baukultur im seriellen Bauen zu bewahren und sogar zu stärken. Es darf nicht geschehen, dass Bauherren sich rein an Modulbauanbieter wenden, ohne unabhängige Architekten einzubeziehen. Über qualitätssichernde Verfahren muss gewährleistet werden, dass Architekten die Planung begleiten und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln können.
Dies betrifft nicht nur die architektonische Gestaltung, sondern auch die Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten und die langfristige Nutzbarkeit von Bauwerken. Nur so können wir sicherstellen, dass das serielle Bauen mehr als eine reine Kostenfrage ist und in einen Leistungswettbewerb überführt wird, bei dem Qualität das entscheidende Kriterium bleibt.
Was sind die heiklen Punkte am runden Tisch?
Ein kritischer Punkt ist das Vergaberecht. Serielles, modulares und systemisches Bauen setzt oft funktionale Ausschreibungen voraus, was zu einem frühen Festlegen auf bestimmte Bauweisen führt. Einige Systemanbieter möchten den Grundsatz der losweisen Vergabe vollständig aufheben und durch funktionale Ausschreibungen ersetzen, was wir kritisch sehen. Es besteht die Gefahr, dass die architektonische Qualität und die ortsspezifische Anpassung auf der Strecke bleiben.
Eine Lösung muss sein, dass Architekten als unabhängige Planer mit einer umfassenden Betrachtung der städtebaulichen und sozialen Anforderungen agieren. Andernfalls erhalten Bauherren nicht das Beste für den jeweiligen Standort und die Nutzung, sondern nur das, was gerade günstig produziert werden kann.
Wie reagieren Sie, wenn Baukultur als Kostentreiber abgetan wird?
Wir werden das nicht unwidersprochen hinnehmen. Baukultur schafft Werte, die langfristig Bestand haben und sich auszahlen – sei es in der Lebensqualität der Bewohner, der Nachhaltigkeit oder in der städtebaulichen Identität. Ohne die planerische Expertise von Architekten, die unabhängig denken und handeln, können serielle Bauprojekte leicht zu unattraktiven, problematischen Siedlungen werden, die künftige Sanierungen oder Anpassungen erforderlich machen.
Unser Ziel ist es, durch einen offenen Diskurs klarzustellen, dass Baukultur nicht verhandelbar ist und für die Qualität unserer Städte und Gemeinden unerlässlich bleibt. Architekten sorgen dafür, dass serielle Bauweisen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch nachhaltig und architektonisch wertvoll sind. Unser Ziel ist es, einen echten Leistungswettbewerb zu fördern, in dem Innovation, Qualität und langfristiger Nutzen im Mittelpunkt stehen – nicht allein der Preis.
Konzept der BAK zum Vergaberecht
Die von der Bundesarchitektenkammer am runden Tisch „Serielles, modulares und systemisches Bauen (smsB)“ vorgeschlagene Vergabesystematik sieht vor, dass Auftraggebende auch bei smsB-Projekten zunächst eine unabhängige Architektin oder einen unabhängigen Architekten über ein qualitäts- und nicht preisorientiertes konkurrierendes Verfahren beauftragen. Nur so kann systemunabhängig die städtebauliche und architektonische Qualität sichergestellt werden. Mehr erfahren Sie in einem weiteren Beitrag auf DABonline.
<<< Jump Mark: links >>>
Beispiele und Meinungen zum seriellen und modularen Bauen
Erfahren Sie auf DABonline mehr über die verschiedenen Akteure und Aspekte des seriellen, modularen und systemischen Bauens – dazu Meinungen und Projektbeispiele:
- die Position der Architektenkammern, insbesonderer zur Auftragsvergabe
- berufspolitischer Kommentar „Keine Angst vor Vorfertigung!“
- Nachwuchs-Kolumne „Serielles Bauen: Segen oder Fluch?“
- Schulbauprojekte aus Holzmodulen
- Wohnungsbauprojekte, die aus dem bundesweiten Bieterverfahren hervorgingen
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: