Kaum zu glauben, aber wahr: Am 12. Juni hat der Bundesrat der sechsten HOAI-Novelle seine Zustimmung erteilt. Damit haben Architekten und Ingenieure sowie ihre Kammern und Verbände ein wichtiges Ziel erreicht. Aber ist das wirklich so? Vieles von dem, was der Bundesrat und die betroffenen Berufsstände bereits seit 1995 gefordert haben, ist auf der Strecke geblieben. Und so liegt es allein im Auge des Betrachters festzustellen, ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist.
Dennoch, es wurde viel erreicht. Denken wir nur zurück an den „Masterplan Bürokratieabbau“ des einstigen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement, der die HOAI als verbindliches Preisrecht ganz abschaffen wollte. Oder an den Referentenentwurf vom Februar 2008, der nur die Leistungsphasen 1 bis 5 verbindlich regeln wollte. Oder an die unwürdigen Diskussionen um die Tabellenendwerte, die das Ministerium zunächst auf zwei, später auf fünf Millionen Euro begrenzen wollte – kaum ein öffentliches Bauvorhaben wäre dann noch unter die HOAI gefallen. Durch sachlich begründete Interventionen konnten alle bisherigen Tabellenendwerte erhalten werden. Dass die Honorare in einem ersten Schritt um pauschal zehn Prozent erhöht werden, kann nicht das Ende der Fahnenstange sein. Denn die Auskömmlichkeit der Honorare ist nach dieser Erhöhung keineswegs gesichert – schließlich sind die Tabellenwerte seit 1996 nicht verändert worden.
Die Architektinnen und Architekten hatten sich deutlich mehr erhofft: Die von der Bundesregierung im Rahmen der Koalitionsvereinbarung angekündigte Strukturnovelle der HOAI ist ausgeblieben. Dieses komplizierte Regelwerk, das Auftraggeber und Auftragnehmer immer wieder vor Anwendungsprobleme stellt, hätte es schon aufgrund seiner besonderen Bedeutung für Verbraucherschutz und Rechtsfrieden mehr als verdient, zu einem transparenten, anwenderfreundlichen „Werkzeug“ für alle am Baugeschehen Beteiligten zu werden.
Im Bundesrat wurden offensichtlich die Defizite erkannt. Er hat einen entsprechenden Entschließungsantrag verabschiedet, in dem es heißt: „Der Bundesrat hält nach Inkrafttreten der Verordnung eine weitere Modernisierung und redaktionelle Überarbeitung innerhalb der folgenden Legislaturperiode für erforderlich. Er bittet die Bundesregierung dabei insbesondere, eine Modernisierung der Leistungsbilder, eine Überprüfung der Honorarstruktur und eine weitere Verschlankung unter dem Blickwinkel des Wandels der Berufsbilder, der Umweltbelange und der Regeln der Technik zu untersuchen.“
Diese Vorgaben an die Bundesregierung sind nur zu unterstreichen. Mit anderen Worten: Die Anstrengungen der Architektinnen und Architekten müssen fortgeführt werden. Wir werden uns auch weiterhin dafür stark machen, dass den Forderungen des Bundesrats entsprochen und eine den berechtigten Anforderungen von Auftraggebern und Auftragnehmern gleichermaßen gerecht werdende HOAI geschaffen wird.
Damit ist auch klar, dass die so mühsam zustande gekommene Novelle erst der Anfang eines langen politischen Prozesses ist. Doch „jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben“, so Hermann Hesse. Ich bin der Überzeugung, dass die „neue“ HOAI die Architektinnen und Architekten bei der Berufsausübung unterstützt und Qualität und Nachhaltigkeit befördern wird.
Günther Hoffmann, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer.