Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wir benötigen eine klare, bundesweit einheitliche Lösung!“ im Deutschen Architektenblatt 10.2024 erschienen.
Was dürfen Sie als Innenarchitektin in Deutschland bauen?
Hierzu gibt es keine einheitliche Regelung, die deutschlandweit gilt. Die Bauvorlage wird in der jeweiligen Landesbauordnung geregelt. In der Musterbauordnung heißt es in § 65 lediglich, dass „Berufsangehörige, welche die Berufsbezeichnung ‚Innenarchitekt‘ führen dürfen, für die mit der Berufsaufgabe des Innenarchitekten verbundenen baulichen Änderungen von Gebäuden“ bauvorlageberechtigt sind.
Wie wirkt sich diese allgemeine Formulierung konkret in der Praxis bei Innenarchitekten aus?
Diese Formulierung lässt vieles zu, kann aber auch sehr restriktiv ausgelegt werden und führt zu einer Abhängigkeit von dem jeweiligen prüfenden Mitarbeiter in der Behörde.
Gibt es noch weitere Orientierungspunkte?
Die Berufsaufgabe ist im jeweiligen Landesarchitektengesetz geregelt, hier ist häufig die gleiche Formulierung zu finden. Erschwerend kommt hinzu, dass die HOAI konstruktive Eingriffe beim Leistungsbild Innenräume nicht berücksichtigt. Diese Regelung, die ja nur die Honorierung betrifft, wird aber häufig so interpretiert, dass Innenarchitekten keine wesentlichen Änderungen an Gebäuden durchführen dürfen. Das widerspricht jedoch eindeutig der Vorgabe der Landesbauordnung und auch der meisten Architektengesetze, die die Berufsaufgabe regeln.
Welche Folgen hat das in der Praxis?
Dies führt dazu, dass zum Beispiel bei einer restriktiven Auslegung nicht einmal eine Dachgaube genehmigt wird. Bei einer positiven Auslegung hingegen stellen selbst Umbauten, Aufstockungen und Anbauten in großem Umfang kein Problem dar. Ich hatte einmal die Situation, dass ein Ladengeschäft in ein Restaurant umgewandelt werden sollte. Stellen Sie sich vor, wie sehr die Kompetenz gegenüber den Bauherren infrage gestellt wird, wenn nach Einreichung der Bauherr die Mitteilung durch das Bauamt bekommt, dass die Befähigung des Einreichenden fehlt, da es sich um einen Umbau in einem Sonderbau handelte.
Wie sieht es mit Blick auf Regelungen für Innenarchitektinnen und Innenarchitekten in den Bundesländern aus?
Dort gibt es unterschiedliche Regelungen, die zusätzliche Probleme verursachen. In vielen Ländern gibt es die „kleine“ Bauvorlage, die kleine Maßnahmen zum Beispiel auch Meistern im Handwerk gestatten. In NRW kann nach zwei Jahren Berufstätigkeit über eine Zusatzprüfung die „volle“ Bauvorlageberechtigung als Innenarchitekt erworben werden, in anderen Ländern ist nach zehn Jahren Berufstätigkeit und zusätzlicher Prüfung die Eintragung als Architekt möglich. Diese „Autodidaktenregel“ ist auch für Berufsgruppen ohne vorherigen Hochschulabschluss möglich, die in Planungsbüros tätig sind, wie zum Beispiel Bauzeichner.
Aber zur Innenarchitektur geht es über die Hochschulen.
Wir werden in mindestens acht Semestern meist von Architekten ausgebildet. In den Büros gehen wir in der Regel den gleichen Tätigkeiten nach wie die Kollegen vom Hochbau und vor der Eintragung in der Kammer steht auch bei uns eine zweijährige praktische Tätigkeit. Wünschenswert wäre angesichts dessen die Möglichkeit der zusätzlichen Prüfung zum Architekten nach zwei Jahren Mitgliedschaft, nicht erst nach zehn.
Was wäre aus Sicht der Innenarchitektinnen und Innenarchitekten der Idealzustand?
Die Bauvorlage ist für viele Innenarchitekten der Hauptgrund für die Kammermitgliedschaft. Hier benötigen wir eine klare, bundesweit einheitliche Lösung! Grundsätzlich sind wir für das Bauen im Bestand ausgebildet. Dies war immer unsere originäre Aufgabe und wir sehen uns als die Experten für die Reorganisation von Gebäuden. Der Idealzustand für uns wäre es, hier völlig ohne Hemmnisse agieren zu können. Das heißt: Projekte im Bestand unabhängig von Gebäudeklasse und Größe umzusetzen. Deshalb sind wir Innenarchitekten und nicht Architekten geworden.
Eva Holdenried, Innenarchitektin und Inhaberin von stereoraum Architekten, ist seit 2017 im Vorstand der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Die stellvertretende Vorsitzende des BAK-Ausschusses Innenarchitektur leitet die BAK-Arbeitsgruppe Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
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Innenarchitekt:innen dürfen Bestand!
Vielen Dank Eva Holdenried und #DAB für diesen sehr wichtigen Beitrag!
Unser Beruf ist perfekt ausgebildet für die Bauwende und das Bauen im Bestand. Die völlig unnötigen Irritationen bei Bauanträgen, die auch bei bayerischen Behörden immer wieder vorkommen, müssen schnellstmöglich beseitigt werden. Und ja, idealerweise mit einer bundesweit einheitlichen Regelung.
Der Gebäudenbestand profitiert von uns Innenarchitekt:innen und die Bauherren damit auch 😉