Text: Joachim Brenncke
Bei „Netzwerken“ denkt man an eher informelle, nicht zentral organisierte Strukturen. Scheinbar gehören Architektenkammern mit ihrer gesetzlich geregelten Grundlage und ihren festen Regeln nicht dazu. Aber nur scheinbar: Tatsächlich sind sie über ihre Pflichtaufgaben hinaus wichtige Plattformen zur Vernetzung von Architekten – miteinander und mit der ganzen Gesellschaft. Über ihre Kammer vernetzen sich zunächst die Mitglieder selbst. Das geschieht in lokalen und regionalen Kammergruppen, auf Tagungen und Kongressen, bei Fortbildungen (siehe Beitrag Kontaktbörse Kaffeepause), in Ausschüssen und Vertreterversammlungen. Manchmal ist die Vernetzung Zweck der Sache, meist ist sie aber ein Mehrwert, der sich zusätzlich zum Inhalt der Veranstaltung ergibt. Deren Teilnehmer vermitteln nebenher Wissen und Kontakte und gehen womöglich gemeinsam Projekte an.
Oft genug wirken die entstandenen Netzwerke wiederum auf die Kammer zurück, die sie angestoßen hat. Diese erhält eine Blutauffrischung – in Mecklenburg-Vorpommern beobachte ich zum Beispiel mit Freude, dass der Altersdurchschnitt unserer Vertreterversammlung jetzt zum zweiten Mal in Folge gesunken ist, und das in einem Land mit älter werdender Bevölkerung. Stark von unseren Mitgliedernetzwerken sind zum Beispiel die Planerwerkstätten und Regionalkonferenzen getragen, die unsere Kammer regelmäßig veranstaltet. Durch unser Netzwerk von Mitgliedern im ganzen Land kommen immer wieder wichtige lokale Entscheidungsträger gemeinsam mit Architekten an einen Tisch und diskutieren über örtliche Baukultur, Projekte und Strategien.
Was vor Ort gut läuft, das funktioniert auch in einem ganzen Bundesland. Als lebhaftes, in vielen Orten präsentes Netzwerk verschafft sich eine Architektenkammer Respekt und politisches Gewicht. Ein konkretes Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern ist zum Beispiel der Bericht zur Baukultur, den auf unsere Initiative die Landesregierung abgegeben und das Parlament diskutiert hat.
Ein deutschlandweites Netzwerk, das aus den Ländern gespeist wird, ist schließlich die Bundesarchitektenkammer. Auch sie hat internen wie externen Wert. Innovationen und Impulse werden hier zwischen den Ländern vermittelt, etwa in Veranstaltungen von Bundeskammer und Länderkammern zur regionalen Baukultur. Aus Baden-Württemberg zum Beispiel wurden wir auf die dortige Institution des mobilen Gestaltungsbeirats aufmerksam, den wir jetzt für den Landkreis Vorpommern-Rügen initiieren und dem Kreistag präsentieren werden.
So wichtig wie die Vernetzung von Kammern untereinander ist auch im Bund die Vernetzung mit Politik, Öffentlichkeit und anderen Teilhabern an der Baukultur. Der Tag der Architektur ist die augenfälligste Veranstaltung dieses Netzwerks. Aber es gibt auch leisere Aktionen von hohem Gewicht – etwa die Novellierung der HOAI im Jahr 2013, an der wir uns dank guter Hauptstadt-Vernetzung intensiv beteiligt haben.
All das wirkt unmittelbar auf die Arbeit von Architekten vor Ort zurück. Es zeigt den Wert der Vernetzung, die es auf allen Ebenen geben und die stets vor Ort beginnen muss – sozusagen nach dem Motto „Baukulturell global denken – lokal handeln“. Zu lokalem Handeln für die Baukultur gemeinsam mit anderen Engagierten möchte ich Sie herzlich ermuntern. Architekten, vernetzt euch!
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