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Die Bundeskanzlerin hat zur Flüchtlingskrise die schlichten, einprägsamen Worte „Wir schaffen das“ gesagt. Das könnte zum Satz des Jahres werden. Mit „wir“ sind wahrlich nicht zuletzt wir Architekten gemeint. Und aus unserem Berufsstand kommen erfreulich viele Initiativen und Ideen, Not zu lindern und humanes Wohnen zu ermöglichen. Die Bundesarchitektenkammer hat eine Projektgruppe Flüchtlinge und Wohnungsbau ins Leben gerufen. Hier geht es auch um die Hinterfragung von Standards zur Dämpfung der Kosten bei Wahrung unserer baukulturellen Errungenschaften, es geht um die Analyse des Bedarfs, vom Wohnungsgrundriss bis zu den Anforderungen an den öffentlichen Raum, um Bestandsnutzung und Neubau, um Innenentwicklung und Nachverdichtung, um städtebauliche Dichten und Nutzungsmischung. Wer sollte diesen Spagat schaffen, wenn nicht wir Architekten? Und zwar so, dass unsere baukulturellen Errungenschaften dabei eben nicht geopfert, gleichwohl aber kostentreibende Standards hinterfragt werden.
Architektenkammern planen und bauen nicht unmittelbar, weder für Flüchtlinge noch für alle anderen. Aber wir kümmern uns um den planerischen, programmatischen, rechtlichen und nicht zuletzt finanziellen Boden, den jeder Einzelne von uns zum Planen und Bauen braucht. Das tun wir in zahllosen direkten, oft nicht hinausposaunten Kontakten mit Politik, Wirtschaft, Verbänden, Medien und Bürgern. Wenn nötig, tun wir es lautstark und öffentlich, etwa in diesem Jahr bei der Verteidigung der HOAI gegen das Ansinnen der Europäischen Kommission, sie abzuschaffen. Hierbei konnten wir die Bundesregierung für unseren Standpunkt gewinnen. Sie hat in Brüssel engagiert die HOAI verteidigt und hat versprochen, dies weiter zu tun – auch falls die EU-Kommission unsere Honorarordnung vor den Europäischen Gerichtshof zerrt.
Immer stärker drückt Architekten die Last der Haftpflicht-Prämien. Auch hier will die Bundesregierung jetzt auf uns zugehen: Ein Gesetzentwurf aus dem Justizministerium sieht fürs Erste vor, dass Bauherren in Schadensfällen zunächst die ausführende Firma zur Behebung auffordern müssen, bevor sie die Last auf den Architekten abzuwälzen versuchen. Vorschläge für weitere Schritte sind unterbreitet und ihre Umsetzung wird derzeit geprüft.
In engem Kontakt mit der Regierung sind wir auch bei der Novellierung des Vergaberechts. Hier gilt es, im Interesse von Qualität und Allgemeinwohl Bewährtes zu verteidigen. So feilen wir mit an den Formulierungen im neuen Gesetz, um den Leistungswettbewerb zu sichern. Wie wäre dies besser zu erreichen als über den Planungswettbewerb?
Es gab und gibt noch zahlreiche weitere Aktivitäten der Architektenkammern für Sie und Ihre Kollegen. Mehr dazu finden Sie auf Seite 36 in diesem Heft. Es steht unter dem Generalthema „hilfreich“ und belegt, wie Architekten hilfreich zu Menschen in Not sind und wie Kammern als unsere Selbstverwaltung dabei die vielen Einzelnen unterstützen. Beides sind ganz unterschiedliche Formen gelebter Solidarität. Im Satz „Wir schaffen das“ liegt die Betonung nicht nur auf dem „Schaffen“, sondern auch auf dem „Wir“. Bei aller alltäglichen Konkurrenz um Aufträge, um beste Qualität und öffentliche Aufmerksamkeit sind wir doch vor allem der Berufsstand, der für das baukulturelle Gemeinwohl verantwortlich ist. Wenn wir das leben und immer wieder betonen, werden wir noch vieles schaffen.
Barbara Ettinger-Brinckmann ist Präsidentin der Bundesarchitektenkammer
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