Großprojekt ist gleich Größenwahn; das kann nur scheitern. So lautet ein resignierter Seufzer angesichts der bekannten Fälle von Berlin, Hamburg und Stuttgart. Aber diese Haltung bringt uns nicht weiter. Wir brauchen Orte für große Ansammlungen von Menschen und Dingen oder für ihr reibungsloses Strömen. Und wie alle Epochen sucht auch unsere für ihren baulichen Ausdruck nicht nur bescheidene Formen. Die Gefahren des Großen lassen sich begrenzen, indem ein Projekt systematisch und diszipliniert angegangen wird: Vor der Realisierung wird es gründlich durchgeplant; Risiken und Schwachstellen werden offen benannt. Kosten werden nicht nur für den theoretischen Idealfall ermittelt, sondern es wird offen dargelegt, wo und wie sie steigen können.
Wichtig dabei ist das Denken in Alternativen. Nur wer fünf oder 50 Varianten ernsthaft geprüft hat, darf hinterher behaupten, dass er die besten gewählt hat. Um auf diese Vielfalt überhaupt zu kommen, sind Wettbewerbe die einzige Möglichkeit. Zumal der spätere Bauherr die Ideen in garantierter Vielfalt und zu günstigsten Preisen bekommt.
Hierzu sei vor einem Fehlschluss gewarnt, dem Bauherren oft unterliegen: der Annahme, große Projekte könnten nur von großen Büros entworfen und umgesetzt werden. Gerade die Qualität einer Entwurfsidee ist völlig unabhängig von der Bürogröße. Der individuelle Geniestreich ist viel wertvoller als ein Routineprojekt aus der Entwurfsfabrik. Für die arbeitsintensive Verfeinerung und Ausführung gibt es Projektgemeinschaften. Aparterweise kommt die Forderung nach Großbüros gerade aus der öffentlichen Verwaltung, die selbst ihren Apparat und ihre Kompetenz weithin ausgedünnt hat. Architekten können aber bei aller Universalität ihres Berufs nicht alles leisten: die widersprüchlichen Wünsche von Politik, Verwaltung und Ausführenden unter einen Hut bringen, die Öffentlichkeitsarbeit machen und in Konflikten moderieren, unrealistische Termin- und Budgetvorhaben per Zauberstab erfüllen.
Vertreter bestimmter Wirtschaftsinteressen behaupten zwar, einen solchen Zauberstab gebe es mit dem Building Information Modeling (BIM). Es kann durchaus als Werkzeug die Zusammenarbeit erleichtern. Es ist aber nicht das Wundermittel, als das es gelegentlich zur Bewältigung komplexer Aufgaben verkauft wird. Viel wichtiger als jede Software sind die Menschen dahinter, ihre Haltungen und ihr Organisationsvermögen.
Besonders gefährlich bei Großprojekten sind die nachträglichen Änderungswünsche aus der Politik, von Betreibern, Nutzern oder Betroffenen. Sie ziehen oft eine ganze Kette weiterer Änderungen nach sich – und diese Ketten können katastrophal lang sein. Hier darf keiner erwarten, dass sein Wunsch blind akzeptiert wird. Jeder Wunsch muss gründlich geprüft und in seinen Auswirkungen vorbedacht werden. Nur wer diese möglichen Auswirkungen kennt und in Kauf nimmt, darf als Bauherr den Wunsch zum Auftrag machen.
Das Großprojekt mit klaren Verantwortlichkeiten, durchgespielten Alternativen und vorab offenbarten Risiken verliert seine Bedrohlichkeit. Und wenn der Entstehungsprozess geschafft ist, dann rückt das Ergebnis ins Blickfeld. Architektonisch werden wir eines Tages auf die Elbphilharmonie wie auf das Berliner Flughafenterminal stolz sein.
Tillman Prinz, Geschäftsführer der Bundesarchitektenkammer.
Sehr geehrter Herr Prinz,
ich teile Ihre Meinung zur Allzweckwaffe BIM!! Umso verwunderlicher ist der Ansatz der Reformkommission, die das BIM als Heilbringer vorantreibt, anstatt die in konzeptioneller und strategischer Ausrichtung zu feilen. In meiner Masterarbeit setze ich an der Organisation, Leistungsfähigkeit und Reife von öffentlichen Bauherren an. Ich würde mich gerne mit Ihnen zu diesem Thema austauschen, da Sie als Rechtsanwalt noch einen anderen Blick auf die Dinge haben als ich.
Unabhängig davondavon würde ich Sie gerne einladen, meinen Online-Fragebogen auszufüllen: https://www.soscisurvey.de/maxhaug_LJMU/
Passwort: Reifegradmodell
Freundliche Grüße
Max Haug
Architekt und Projektmanager