Von Oliver Thomas
Wer sich seit dem 18. Oktober um öffentliche Aufträge bewirbt, muss bei europaweiten Verfahren ein elektronisches Angebot abgeben (siehe auch zu Ausnahmen „Nur noch digital“). Hintergrund ist die Reform des EU-Vergaberechts. Als Ausgangspunkt kann das Jahr 1999 gesehen werden, als die EU-Kommission den Binnenmarkt stärken und Unternehmen die Möglichkeit öffnen wollte, grenzüberschreitend Aufträge zu bekommen. Das damals noch recht junge Internet sollte das ermöglichen. Die Idee spiegelt sich in verschiedenen Freihandelsabkommen wieder, in denen die Regeln für den globalen Handel beschrieben wurden. Erklärte Ziele: Nichtdiskriminierung, Transparenz, fairer Wettbewerb.
Architekten, die sich das erste Mal mit der eVergabe, also elektronischen Ausschreibungsverfahren beschäftigen, haben naturgemäß viele Fragen. Was soll das Ganze bringen? Wo findet man Ausschreibungen? Was gilt es zu beachten beziehungsweise wie gelingt eine erfolgreiche Teilnahme an einem Wettbewerb? Wie kann man ein digitales Angebot abgeben?
Zunächst gilt es entsprechende Ausschreibungen zu finden. Eine Quelle ist die online-Ausgabe des Amtsblatts der EU: Aus allen EU-Staaten sind dort Ausschreibungen einfach zu finden. Hierfür wurde eigens das Common Procurement Vocabulary (CPV) entwickelt. Dies ist eine EU-einheitliche Klassifizierung für das Finden von Dienst-, Liefer- und Bauleistungen. Jeder Leistung ist jeweils ein eindeutiger Schlüssel (CPV-Nummer beziehungsweise CPV-Code) zugeordnet.
Eine weitere Quelle sind die Systeme von Dienstleistern, die beim Finden von Ausschreibungen helfen. In Deutschland hatten die alteingesessenen Landesausschreibungsblätter die Idee der online-Präsentation aufgenommen und gemeinsame Lösungen entwickelt. Dazu gehört zum Beispiel die Plattform „Vergabe24“, die ihr Angebot bundesweit anbietet.
Aber auch andere Anbieter, wie Subreport, Cosinex oder Deutsche eVergabe, brachten Lösungen für die elektronische Vergabe auf den Markt. Das Problem: Plattformen, die sich bei Basistechnologie, Funktionstiefe und den Werkzeugen für die Bieter stark unterscheiden. Ansätze wie die X-Vergabe, die die Interoperabilität zwischen den Systemen zum Ziel hatte, blieben bei der Bekanntmachung stehen. Zu komplex, zu unterschiedlich, zu föderal ist die Welt der eVergabe.
Will man als Architekt, also als Bieter, passende Ausschreibungen finden, sucht man selbst oder bucht sich einen Service, der für einen sucht. Ist die gewünschte Ausschreibung gefunden, gilt es, sich gut vorzubereiten. Die detaillierte Beschreibung von Leistungen sowie Konzepte, Auszüge und Nachweise sind gefordert: Außerdem, sind die technischen Voraussetzungen – Hardware, die notwendige Bietersoftware und gegebenenfalls elektronische Signaturen – zu beschaffen. Vergabestellen und Anbieter unterstützen bei der Vorbereitung. Einige bieten einen spezialisierten Support an, oder laden zusammen mit kommunalen Auftraggebern Bieter zu Schulungen ein. Diese helfen fundiert weiter, müssen aber scheitern, wenn ein Hilferuf erst wenige Minuten vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgt.
Wichtig für Bieter: Sie sollten sich mit den eingesetzten Bieterwerkzeugen, deren Systemvoraussetzung (zum Beispiel der benötigten Java-Version), der Notwendigkeit von elektronischen Signaturen und der Systematik des Systems auseinandersetzen. Das erspart Stress und Frust kurz vor dem Ziel. Eines ist sicher: Die angebotenen Systeme funktionieren, mehrere zehntausendfach und teilweise schon seit fast 20 Jahren, zu nahezu 100 Prozent zuverlässig.
Und noch eine gute Nachricht: Die Anforderungen bezüglich der elektronischen Signatur wurden in den letzten Jahren immer weiter reduziert. So war im EU-Bereich lange der Besitz einer qualifizierten elektronischen Signatur, nach Signaturgesetz erforderlich, heute ist nur noch die sogenannte Textform, also die Nennung des Namens notwendig. Wer in der digitalen Welt schon unterwegs ist und sich gut vorbereitet, wird also auch mit der eVergabe keine Probleme haben.
Oliver Thomas ist Leiter Ausschreibungsdienst beim Staatsanzeiger für Baden-Württemberg
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