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„Die KI als Sparringspartner nutzen!“

Um mehr Zeit für kreative Tätigkeiten zu haben, sollten vor allem textbasierte Arbeiten einer KI übergeben werden. Beim eigentlichen Entwurf ist für KI noch viel Luft nach oben – findet der Architekturjournalist und Webdesigner Eric Sturm. Trotzdem sollten Architekturbüros sich jetzt auf neue Arbeitsweisen vorbereiten. Wie – das verrät er im Gespräch mit Klaus Schaake.

17.10.202410 Min. Von Klaus Schaake Kommentar schreiben
Arbeit mit Laptop und Chatbot, der Hilfe anbietet

Vor allem bei Recherchen, Ausschreibungen und anderen textbasierten Aufgaben rund um Bauprodukte, Normen und Richtlinien kann eine Text-KI unterstützen.
Adobe Stock / Dee karen

Herr Sturm, mit den Text-zu-Text-Generatoren, den Text-zu-Bild-Generatoren und den Text-zu-Architektur-Generatoren stehen Architekturbüros drei zentrale Anwendungen von KI zur Verfügung, die sich in die tägliche Arbeit einbinden lassen. Sie plädieren (Stand September 2024) für den bevorzugten Einsatz von Text-zu-Text-Generatoren, von denen ChatGPT die bekannteste Anwendung ist. Warum?

Tatsächlich sehe ich aktuell in den Büro- und Recherchetätigkeiten und in der Kommunikationsarbeit das größte Potenzial für den Einsatz von KI-Technologien. Text-zu-Text-Generatoren bieten die Möglichkeit in unterschiedlichsten Phasen der Projektbearbeitung und der meisten allgemeinen Bürotätigkeiten den Workflow deutlich zu optimieren und da eine Beschleunigung reinzubringen.

Warum braucht es aus Ihrer Perspektive eine weitere Beschleunigung? Der Zeitdruck in den Büros ist schon jetzt sehr enorm.

Ganz einfach: Damit Planende Zeit für die eigentlichen kreativen Prozesse gewinnen, die ein gutes Projekt ausmachen. Die vielen einzelnen Arbeitsschritte in einem Planungsbüro bestehen ganz stark aus Recherche, Kommunikation und sehr, sehr vielen Abstimmungsschleifen zwischen allen Projektbeteiligten. In all diesen Punkten, können uns KI-Werkzeuge unterstützen und uns aufwändige und mitunter auch nervige Arbeiten abnehmen.

Portrait von Eric Sturm

Eric Sturm ist Webdesigner, Blogger, Fachjournalist und freiberuflicher Dozent.
Christine Fiedler

Kann KI nicht inzwischen viel mehr als Texte auszuwerten und zu schreiben?

Vielleicht vertrete ich da einen anderen Ansatz als viele andere, die gern auf maschinelles Lernen und Erkennen von Mängeln oder beispielsweise Grundrissgenerierungen fokussieren. Natürlich gibt es auch da gute und sinnvolle Tools, die uns unterstützen können.

Betrachtet man sich allerdings den gesamten Aufwand innerhalb eines Projektes, sind das nur vergleichsweise kleine Teilbereiche, die zudem leider heutzutage keine große Rolle spielen, weil diese Tools noch nicht so weit entwickelt sind, wie es die bekannten Text-zu-Text-Generatoren bereits sind. Deswegen bin ich überzeugt: Man entlastet Planende am meisten, wenn man ihnen die richtigen Werkzeuge zur Unterstützung in den klassischen Textaufgaben gibt.

Was begreifen Sie als klassische Textaufgaben in Architekturbüros?

Vergegenwärtigen Sie sich, wie viel Recherchearbeit in einem Bauprojekt steckt, mit wie vielen Bauprodukten, Normen, Richtlinien und Regelungen Sie sich auseinandersetzen müssen, wie viele Ausschreibungen Sie machen: Als Architektin und Architekt haben Sie ständig mit Texten, Inhalten und vielen weiteren Anforderungen zu tun. Es lässt sich da durchaus von einer Art Wissensmanagement sprechen, das Sie für jedes Ihrer Projekte machen.

Text-zu-Text-Generatoren wie ChatGPT sind in der Lage, Texte zu produzieren und sie können darüber hinaus in kürzester Zeit Texte analysieren, damit man mit diesen Informationen weiterarbeiten kann. Genau in diesen Bereichen kann ich mir als Planender sehr viel Arbeit abnehmen lassen.

Portrait von Klaus Schaake

Klaus Schaake ist Medienmacher, Podcaster, Uni-Dozent und Trainer für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
Reimund Lill

Werfen wir den Blick kurz auf ein praktisches Beispiel: Aufgrund einer Anforderung im familiären Bereich habe ich als jemand, der mit dem konkreten Planen nichts mehr zu tun hat, neulich Informationen für den Umbau eines Zimmers in einem Altbau zu einem barrierefreien Bad gesucht. Mit ChatGPT habe ich einen Dialog zu spezifischen Anforderungen an einen solchen Umbau, Abstandsflächen, Platzbedarfe etc. angefangen und war unglaublich erstaunt, was dieses Werkzeug mir alles für Fragen beantworten konnte.

Aus meiner Perspektive ist genau das der Weg, den man gehen sollte: Dass man einen solchen Text-zu-Text-Generator als eine Art Sparringspartner, als ein Brainstorming-Gegenüber betrachtet, der einen mit unglaublich vielen Informationen versorgen kann, weil er damit immer wieder aufs Neue und mit riesigen Datensätzen trainiert wird.

Stichworte wie Raumprogramme, Abstände, Normen, Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Lichtsituation, Belüftung – um nur einige Stichworte zu nennen – finden sich normalerweise in Normwerken, in Fachbüchern oder auf spezialisierten Webseiten. Wollen Sie sich das alles auf dem klassischen Weg aneignen, suchen Sie sich das bislang sehr umständlich aus unterschiedlichen Quellen heraus.

Da ist es doch schlau, die ganzen Rahmenbedingungen erst einmal mit der KI zu „besprechen“ und über diesen Dialog auch die Vollständigkeit unserer Ideen zu überprüfen. Und im Zweifel können wir uns noch Ergänzungen vorschlagen lassen, um dann auch an der richtigen Stelle loszulegen.

Nun wissen wir auch: Die KI macht Fehler und sie übernimmt keinerlei Verantwortung. Welchen Umgang schlagen Sie vor?

Ganz wichtig ist natürlich, KI-generierte Inhalte und Vorschläge zu verifizieren. Sie gehen also damit um, wie mit jeder anderen Zuarbeit, ob diese jetzt von Mitarbeitenden oder aus einem Fachbuch kommt.

Im Journalismus gibt es das Prinzip der zwei Quellen, nach dem man etwas auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft. So ähnlich muss man auch in der Arbeit mit einem KI-Tool vorgehen und nicht alles für bare Münze nehmen. Für dieses vergleichsweise neue Werkzeug, diese neue Kulturtechnik, müssen wir auch neue Strategien und Arbeitsweisen entwickeln. Und dann auch zu unterscheiden wissen, welche Fragen man welchem Tool stellt.

Kommen wir, auch wenn Sie sehr nachvollziehbar den Einsatz von Text-zu-Text-Generatoren dargelegt haben, doch noch zu den KI-Werkzeugen im Bereich der Architektur. Wie kann KI zur Optimierung von Entwurfs- und Gestaltungsprozessen beitragen?

Es gibt tatsächlich schon spannende Ansätze oder erste Tools, beispielsweise im Bereich der Standortanalysen, Machbarkeitsstudien oder der Analyse von Grundstücken. Oder webbasierte Software wie Planfinder oder Finch, die schon in der Entwurfsphase unterstützen und zum Beispiel. Grundrisse per KI erzeugen können.

Screenshot aus der Architektur Ki Lookx mit Rendering

Eine Bild-KI speziell für den Architekturbereich (hier Lookx AI) eignet sich für schnelle Visualisierungen, zum Beispiel auf Basis einer Skizze und einer texlichen Beschreibung.
Lookx AI

Wie sieht es mit den Text-zu-Bild-Generatoren aus?

Das ist natürlich ein sehr spannender Bereich – allerdings muss man hier unterscheiden zwischen klassischen Bildgeneratoren wie Midjourney oder Stable Diffusion und Spezialanwendungen für Planende: Sie können relativ exakte Visualisierungen für ein Gebäude oder einen Innenraum direkt aus einem CAD-Modell heraus erzeugen.

Bei diesen Werkzeugen handelt es sich in der Regel um Plugins (zum Beispiel Veras oder Arko), die sich in CAD-Software wie Revit, Sketchup, Rhino, Vectorworks oder Archicad integrieren lassen.

Für die Ideenfindung und Entwurfsplanung sehe ich da aktuell den konkretesten Nutzen, auch wenn da natürlich keine perfekten Renderings herauskommen, die sich als Hochglanz-Bilder in einer Werbekampagne für ein Bauprojekt eignen. Aber in früheren Entwurfsphasen, wenn Sie noch in der Abstimmung mit dem Bauherrn oder der Kommune sind, kann das einen enormen Nutzen bringen, weil es eine riesige Zeitersparnis bedeutet. Da kann die KI schon jetzt tatsächlich ihre Vorteile ausspielen

Welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf die Qualität und Verfügbarkeit von Daten, die für KI-Modelle in der Architektur verwendet werden und ohne die, die KI ja nicht arbeitsfähig ist?

Das ist sicherlich ein Stück abhängig vom Ansatz, wie die einzelnen Tools funktionieren. Geht es um Renderings, liegen in der Regel Bildgeneratoren dahinter, wie zum Beispiel Stable Diffussion, die das Bildmaterial als Rohmaterial in Form ihrer Trainingsdaten liefern. Geht es um Tools, die Grundrisse generieren können, müssen für diese logischerweise entweder parametrische Festlegungen hinterlegt sein oder eben Grundrissdaten, die zuvor in großem Volumen eingespeist wurden.

Von einer KI generierte Grundriss mit vielen Fehlern

An Grundrissen scheitern viele Bild-KIs (hier der Microsoft Designer, der auf die KI Dall E zurückgreift), weil sie diese nur als Bilder begreifen, nicht aber ihre funktionalen Gesetzmäßigkeiten. Dieser Grundriss hat mehr als die gewünschten zwei Zimmer. Einige Zimmer haben keine Tür und sie sind vollgestopft mit Möbeln ohne Bewegungsflächen davor. Ein Eingang fehlt, die Küche ist ein Flurschlauch und im Schlafzimmer stehen zwei Pissoirs (!?).
DAB mit Microsoft Designer

Liegt nicht genau darin eins der Probleme: Woher will man 10.000, 20.000, 100.000 Grundrisse in einer bestimmten Qualität für diese Trainingsdaten bekommen?

In meinem Online-Magazin habe ich kürzlich ein Fachbuch vorgestellt, das anhand von Hochschulprojekten über den Stand der künstlichen Intelligenz im Bauwesen berichtet. In den verschiedenen Forschungsvorhaben wird da auch die Komplexität beschrieben, was es eigentlich bedeutet, einen Grundriss maschinell zu erfassen und lesbar zu machen. Das ist alles noch sehr aufwändig und ein Hinweis darauf, wie schwierig es im Vergleich zu einem Text-zu-Text-Generator ist, eine KI mit vergleichbaren Massen an Trainingsdaten „zu füttern“.

Aufgrund dieser hohen Komplexität und der gar nicht so großen Verfügbarkeit von Trainingsmaterial in Form von Plänen glaube ich, dass es noch relativ lange dauern wird, bis es wirklich verlässliche und allgemein einsetzbare KI-Tools gibt, die grundrisserzeugend arbeiten.

Im Zusammenhang mit der Integration von KI-Anwendungen stehen auch rechtliche und ethische Fragen auf der Agenda. Worauf sollten Büros, die diese Werkzeuge einsetzen, aus Ihrer Perspektive achten?

Wie es bei allen rechtlichen Fragen ist, lässt sich das global so einfach nicht beantworten. Produziert man etwas, das letztlich aus einer anderen Quelle als der eigenen Kreativität kommt, muss man sich immer überlegen, ob sich das als etwas Eigenes präsentieren lässt und ob man das tun will und sollte.

Bei Renderings, Grafiken, Illustrationen oder Texten, die über eine KI erzeugt wurden — und bei der nicht explizit ein individueller beziehungsweise fremder Stil nachgeahmt werden sollte, kann man davon ausgehen, dass das Ergebnis so weit vermischt wurde, dass nichts Bildliches oder Textliches herauskommt, was man einer Person oder einem Büro als Urheberin oder Urheber zuordnen könnte. Das halte ich in dem Fall für unkritisch.

Wo wird es für Sie kritisch mit dem Urheberrecht?

Gebe ich beispielsweise die Aufforderung ein „Generiere mir Bürogebäude im Stile des Büros XY“, dann dürfen Sie davon ausgehen, dass auch die entsprechenden Gestaltungselemente wiedererkennbar ausgegeben werden. Ohne jetzt Jurist zu sein, lässt sich es als mindestens grenzwertig erkennen, wenn jemand die KI dazu missbraucht, sich von bekannten Büros bestimmte Insignien ausgeben zu lassen.

Täte man das im klassischen Sinne, also ganz unabhängig von KI, und entwirft etwas, was sich sehr stark an der Architektursprache eines bestimmten Büros orientiert, dann ist auch das anrüchig. Promptet man also etwas in der Form, dass die KI gar nicht anders kann, als einen Entwurf des Büros XY in einer anderen Form auszugeben, dann bewegt man sich rechtlich auf dünnen Eis.

Bleiben wir beim konkreten Einsatz von KI im Architekturbüro. Wie könnte der zunehmende Einsatz von KI die Arbeitsplatzlandschaft in Architektur und Planung beeinflussen?

Aus der bisherigen Entwicklung unserer Branche lässt sich die vermutliche Entwicklung herleiten. In den 1990er-Jahren wurde ja ernsthaft gefragt: Brauchen wir jetzt CAD? Ist das gut für die Architektur? Kommt dabei nicht eine langweilige Schema-F-Architektur heraus?

Diese damaligen Befürchtungen sind nicht zur Realität geworden. Klar, mit der KI kommt eine neue Technologie, aber sie wird keine Leute verdrängen. Im Gegenteil: Es braucht umso mehr Leute, die mit diesen neuen Werkzeugen umgehen können. Mitarbeitende, die sich überlegen, an welchen Schritten in ihrem Workflow sie schlauerweise KI einsetzen, um damit schneller zu sein und mehr Zeit für die wirklich kreativen Prozesse zu gewinnen.

Haben Büros Mitarbeitende, die konstruktiv mit KI umgehen und die in der Lage sind, einen Prozess, der heute zehn Stunden dauert, auf drei Stunden einzudampfen, betrachte ich das als einen Gewinn für alle Beteiligten.

Was halten Sie von der Idee, denjenigen, die eine Affinität zu KI mitbringen, innerhalb des Büros Spielräume für den konkreten Einsatz zu eröffnen, damit diese Personen auch für andere Mitarbeitende Multiplikatoren sein können?

Das finde ich eine sehr gute Idee! Und ich finde, man sollte gerade auch jüngeren Leuten, die ganz selbstverständlich in diese neuen Technologien hineinwachsen, viel Raum geben, damit sie Dinge ausprobieren können. Ganz wichtig ist auch das Thema „Fortbildung“. Jeder Büroinhaber, jede Büroinhaberin ist gut beraten, Mitarbeitende freizustellen und sie zu ermutigen Dinge auszuprobieren – nur so kann es funktionieren.

Bilden sich in den Büros kleine Wissenszellen oder können auch Einzelne als Pioniere vorangehen, sich weiterbilden und sich intensiv mit diesem neuen Thema beschäftigen, dann können sie, beflügelt von diesem Wissen, Vorschläge machen und ihre Forschungsergebnisse und Kenntnisse auch wirklich in die Projekte einfließen lassen.


Dieses Interview ist eine gekürzte Verschriftlichung. Das Gespräch in voller Länge können Sie auf der Website von Klaus Schaake als Podcast hören.

Eric Sturm, Dipl.-Ing. (Fachrichtung Architektur), ist Webdesigner, Blogger, Fachjournalist und freiberuflicher Dozent in der Weiterbildung für Angehörige der Planungsdisziplinen.

Klaus Schaake, Dipl.-Ing. (Fachrichtung Architektur) ist Medienmacher für Print und Online, Podcaster, Uni-Dozent für Public Relations und freiberuflicher Trainer im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.

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