Dieser Beitrag ist in gekürzter Fassung unter dem Titel „KI am Bau“ im Deutschen Architektenblatt 02.2022 erschienen.
Diese Online-Fassung umfasst folgende Themenfelder:
- KI bei Bestandserfassung und Schadensaufnahme
- KI für Städtebau und Baurecht
- KI auf der Baustelle
- KI zur Risikovorhersage
- KI für die generative Gestaltung
- KI für Planprüfung und Bauantrag
- KI in der Baurobotik
- KI für die Nutzung
- Chancen und Risiken
- Links und Literaturtipps
Von Marian Behaneck
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Erforschung intelligenten Verhaltens und maschinellen Lernens befasst. Zunehmend geraten praktische Anwendungen in den Fokus, die menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Planen und Kreativität nach vorher programmierten oder im Verlauf der Anwendung gelernten Mustern imitieren können
<<< Jump Mark: bestand >>>
KI bei Bestandserfassung und Schadensaufnahme
Bei der Bestandserfassung per 3D-Laserscanner müssen Millionen von Messpunktdaten ausgewertet und so aufbereitet werden, dass sie für die CAD- und BIM-Planung verwertbar sind. KI-basierende Analysemethoden strukturieren die Daten, verknüpfen sie mit weiteren Informationen und generieren daraus ein BIM-Modell. Andere KI-Projekte befassen sich mit der Vermessung von Räumen und Objekten mithilfe von Apps, die auf die besonderen Fähigkeiten aktueller Smartphone-Kameras zurückgreifen und aus den erfassten Messwerten selbstständig ein 3D-Modell berechnen.
Diese KI-Lösungen werden gerade entwickelt:
Aurivus
Auch Aurivus, ein Spin-Off der Universität Ulm, überführt Scandaten KI-gestützt in BIM-Modelle. Anhand der Punktwolkenstruktur erkennt Aurivus Architekturobjekte, Einrichtungs- oder Sanitärobjekte, unterscheidet Objektklassen und generiert daraus ein BIM-Modell. (www.aurivus.com)
BIMKIT
Das Forschungsprojekt BIMKIT um die Ruhr Universität Bochum, das Ingenieurbüro Schüßler Plan und einige Softwarehersteller möchte anhand von Plänen, Fotos, Punktwolken oder Textdokumenten automatisiert BIM-Bestandsmodelle von Gebäuden und Infrastrukturbauwerken zu erstellen und zu aktualisieren.
BIM-SIS
BIM-SIS (Schadens Identifikations System) ist ein Forschungsprojekt, an dem die TU Dresden, Planungsbüros, Software-Hersteller und Institutionen aus der Denkmalpflege beteiligt sind. Speziell für Naturstein kann auf Basis von Fotos, 3D-Scans und einem BIM-Modell eine Schadensanalyse erfolgen und ein Sanierungskonzept inklusive Kostenschätzung erstellt werden. Das gesammelte Wissen über Schäden soll auch für Folgefälle genutzt werden.
Scan to BIM
Ziel des Forschungsprojekts Scan to BIM an der TU Kaiserslautern ist es, Punktwolken von 3D-Laserscans in BIM-Modelle zu überführen, um Bestandsbauwerke effizient digitalisieren und in die BIM-Planung einbinden zu können. Eine KI-basierende Methode liefert Informationen über die Art des Bauteils (Wand, Stütze, Decke, Fenster, Rohrleitung etc.), verknüpft diese mit weiteren Daten (zum Beispiel Baumaterial etc.) und fasst alle Informationen in einem BIM-Modell zusammen. Über Scan to BIM haben wir auf DABonline bereits ausführlicher berichtet.
<<< Jump Mark: baurecht >>>
KI für Städtebau und Baurecht
Insbesondere in die Stadtplanung fließen viele Entwurfskriterien ein, wie etwa die Bebauungsdichte, Klima-, Lärm- oder Belichtungsverhältnisse. Auf KI-Algorithmen basierende Software-Lösungen versprechen eine schnellere Erstellung von Entwurfsalternativen, unter Berücksichtigung wichtiger Einflussfaktoren. So können Immobilienentwickler oder Architekten etwa die wirtschaftlichste Bebauung eines Grundstücks unter Beachtung baurechtlicher (Abstände, Bauhöhen) oder qualitativer (Besonnung Lärmbelastung) Vorgaben ermitteln.
Diese KI-Anwendungen sind schon zu haben:
Propertymax
Die von Brückner Architekten aus München mitentwickelte Software propertymax soll dabei helfen, das „maximale Baurecht“ eines Grundstücks auszuschöpfen. Für ein Referenzgrundstück konnte die künstliche Intelligenz über 10.000 baurechtlich umsetzbare Varianten ermitteln und auf Belichtung und Lärmeinwirkung hin bewerten. Nach eigenen Angaben wurden dabei 42 Prozent mehr Geschossfläche gewonnen als bei einer Planung ohne KI.
Spacemaker
Diese auf KI-Algorithmen basierende Software-Lösung Spacemaker nutzt cloud-basierte, künstliche Intelligenz und generatives Design für die Stadtplanung. Bis zu 100 Kriterien können für die Formfindung von Baukörpern und deren Positionierung zueinander bestimmt werden.
<<< Jump Mark: baustelle >>>
KI auf der Baustelle
Will man den Ist-Stand, Abläufe oder Ausführungsqualitäten auf der Baustelle effizient kontrollieren, müssen Baustellendaten digital erfasst werden – beispielsweise indem Fotos oder Videos von Baustellen-Kameras, Mobilgeräten, 3D-Scannern, Drohnen oder Helmkameras interpretiert und analysiert werden. Dabei werden Bauobjekte und deren Eigenschaften automatisiert erkannt und die Ergebnisse mit dem BIM-Ausführungsmodell abgeglichen. So entsteht ein digitales Abbild des aktuellen Bauzustands, das den Baufortschritt, Fehler oder Schäden dokumentiert und die Abrechnung vereinfacht. Mit den dabei gewonnenen Informationen lassen sich auch künftige Bauprojekte optimieren.
Diese KI-Anwendungen sind schon zu haben:
Buildots
Mit einer 3D-Helmkamera werden Foto- und Videodaten vom Baustellenbesuch gesammelt und daraus mit der künstlichen Intelligenz von Buildots ein digitaler Zwilling erstellt, der mit der Originalplanung KI-gestützt abgeglichen wird.
Contilio
Informationen aus 3D-Scans der Baustelle werden mithilfe der KI-basierten Bauanalytik-Plattform Contilio in Echtzeit mit den Planungsdaten abgeglichen. Abweichungen und Fehler werden so schneller erkannt und Abläufe beschleunigt. In Kooperationen, unter anderem mit dem TÜV Süd, werden automatisierte Qualitäts-, Leistungs- oder Baufortschritts-Kontrollsysteme für Baustellen entwickelt.
Digibau
Auch der Bauhelmaufsatz Digibau von Openexperience generiert 360 Grad-Fotopanoramen und erkennt automatisiert Mängel und Planabweichungen.
Diese KI-Lösungen werden gerade entwickelt:
Eskimo
Das Forschungsprojekt Eskimo mehrerer Universitäten, Bau- und Softwarefirmen entwickelt eine künstliche Intelligenz zur Qualitätssicherung, mit der beispielsweise Beschädigungen und Verfärbungen, fehlende oder falsch eingebaute Bauteile erkannt und automatisch als Mangel erfasst werden. Auch sollen Lagerplätze und Anlieferwege optimiert werden und mit einer „kaufmännischen Qualitätssicherung“ ein Abgleich zwischen BIM-Modell, Baustelle und Kosten stattfinden.
SDaC
Mit dem Projekt SDaC (Smart Design and Construction) werden Daten aus Bauprojekten von Praxispartnern gesammelt, verknüpft und miteinander verglichen, sodass Prognosen möglich sind. Das federführende Karlsruher Institut für Technologie möchte damit unter anderem Tools für Terminprognose, Mängelvorhersage oder Vergabe entwickeln. (https://sdac.tech)
<<< Jump Mark: risiko >>>
KI zur Risikovorhersage
Simulationen der Bau- und Montageablaufplanung können dabei helfen, Bau- und Montageprozesse zu optimieren – besonders unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten, Mängel- und Bautagesberichten oder Logistikdaten. KI-gestützte Risikovorhersagen ermöglichen darüber hinaus reibungslosere Baustellenabläufe. Dabei werden aktuelle und historische Fakten ausgewertet, um Vorhersagen über zukünftige Ereignisse treffen zu können. Wird die zunehmende Anzahl digital geplanter und kontrollierter Bauprojekte miteinander vernetzt, lässt sich die Verlässlichkeit von Risikovorhersagen steigern.
Diese KI-Anwendung ist schon zu haben:
Autodesk Construction Cloud
Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz verleihen der Autodesk Construction Cloud als BIM-Kollaborationsplattform die Fähigkeit, jene risikoreichen Projektmängel zu identifizieren, die sich auf die Kosten, Zeitpläne, Qualitäten und die Sicherheit auswirken können. Mit der Erkennung und Minimierung von Risiken soll die künstliche Intelligenz Planer dabei unterstützen, Verzögerungen, Nacharbeiten und Kosten zu reduzieren.
Diese KI-Lösung wird gerade entwickelt:
PASC
Das PASC (Predictive Analytics Strategic Council) ist ein Zusammenschluss zumeist US-amerikanischer Baufirmen und Projektentwickler. Durch das Teilen von Bauablaufdaten abgeschlossener Projekte, die mithilfe von KI ausgewertet werden, sollen für neue Projekte Risikovorhersagen getroffen werden.
<<< Jump Mark: gestaltung >>>
KI für die generative Gestaltung
Generative Gestaltung (auch „Generatives Design“) ermöglicht eine mit konventionellen CAD-Planungsmethoden bisher nicht erzielbare Form- und Gestaltungsfreiheit. So können beispielsweise von der Natur inspirierte, bionische Formen einfacher geplant und über CNC-Maschinen oder 3D-Drucker direkt gefertigt werden. Verknüpft man die generative Gestaltung mit KI-Algorithmen, können auch komplexe Entwurfsvorgaben berücksichtigt und beispielsweise Grundrisskonzepte entwickelt werden.
Diese KI-Anwendung ist schon zu haben:
Revit 2021
In die aktuelle Version der BIM-Software Revit von Autodesk wurden generative Design-Funktionen und eine KI-basierte Technologie integriert, die eine automatisierte Generierung, Optimierung und Prüfung einer Vielzahl an Designalternativen ermöglichen und so Entscheidungsprozesse verkürzen soll.
<<< Jump Mark: bauantrag >>>
KI für Planprüfung und Bauantrag
Während der BIM-Planung müssen Fachmodelle kontrolliert und zusammengeführt werden. Dabei wird überprüft, ob sie Kollisionen enthalten oder beispielsweise baurechtliche Vorgaben und Richtlinien erfüllen. Das geschieht entweder manuell oder (halb-)automatisch. Automatisierte Modellprüfungen, die auf einer großen Wissensdatenbank und lernfähigen Algorithmen basieren, sind in der Lage auch komplexe Zusammenhänge zu überprüfen. So werden Abläufe beschleunigt und Planer oder Behörden entlastet – künftig etwa bei der Bearbeitung digitaler Bauanträge.
Diese KI-Lösung wird gerade entwickelt:
BauCloud
Das Projekt „BauCloud“, das von der Landesregierung des Saarlandes und mit Unterstützung der dortigen Architektenkammer 2019 initiiert wurde, hat ein standardisiertes digitales Bauantragsverfahren zum Ziel. Mithilfe von KI sollen die Anträge auf formale Fehler geprüft werden (Mindestabstände etc.).
<<< Jump Mark: robotik >>>
KI in der Baurobotik
Roboter sind in der Bauindustrie längst im Einsatz: in der Baustoffproduktion, bei der Herstellung von Betonbauteilen, der Montage von Schalelementen, Holzständer- oder Fachwerkkonstruktionen. Jetzt sollen sie auch auf Baustellen zum Einsatz kommen. Als Aufmaß-, Mauer-, Schweiß- und Bohrroboter oder 3D-Drucker führen sie auf der Grundlage von 3D CAD- oder BIM-Daten Arbeiten aus – entweder autonom oder per Fernbedienung unterstützt. Um noch komplexere Tätigkeiten autark ausführen und unvorhergesehene Situationen auf der Baustelle meistern zu können, müssen Roboter lernfähig sein und das Umfeld über unterschiedliche Sensoren erfassen, deren Daten vernetzt und mit künstlicher Intelligenz in Echtzeit ausgewertet werden.
Diese KI-Anwendungen sind schon zu haben:
Baubot
Der Baubot des österreichischen Startups Printstone (u.a mit Beteiligung des Roboterspezialisten Kuka) ist ein semi-autonomer, in zwei Ausführungen erhältlicher Multifunktionsroboter, der durch wechselbare Aufsätze des Greifarms bohren, flexen oder schweißen kann. Mithilfe seiner Raupenketten kann er Treppen steigen und bis zu 900 kg schwere Lasten tragen.
Leica BLK
Auch Leica Geosystems hat unter dem Label „BLK“ bereits praxistaugliche Scan-Roboter im Angebot und wirbt mit einer „vollständig autonomen Realitätserfassung“ durch die Drohne BLK2FLY und den vierbeinigen Laufroboter BLK ARC (mit Boston Dynamics)
Spot
Auch für den autonomen Laufroboter Spot von Boston Dynamics sind Treppen kein Hindernis; auf vier Beinen bewältigt er auch unwegsames Gelände. In unterschiedlichen Konfigurationen, zum Beispiel mit einem 3D-Laserscanner oder einem Greifarm, kann Spot multifunktional eingesetzt werden – etwa in der Bauüberwachung oder Vermessung.
<<< Jump Mark: nutzung >>>
KI für die Nutzung
Mit künstlicher Intelligenz wird das smarte Heim noch smarter: Neben der Kommunikation per Spracheingabe (zum Beispiel über Apple Siri, oder Amazon Alexa) kann das KI-gestützte Smart Home über Machine-Learning-Algorithmen aus den Gewohnheiten der Bewohner Rückschlüsse ziehen und dadurch den Wohnkomfort erhöhen oder den Energieverbrauch im Gebäude optimieren. Zum Thema Smart Home finden Sie mehr auf DABonline.
Für mehr Sicherheit bei der Gebäudenutzung sorgt die Gebäudeüberwachung per maschineller Bildauswertung. Werden Video- oder Infrarotkameras miteinander vernetzt und über KI-gestützte Systeme ausgewertet, lassen sich Zutrittskontrollen, der Brandschutz oder die Gebäudeüberwachung verbessern.
Diese KI-Anwendung ist schon zu haben:
Aviotec
Das Brandfrüherkennungssystem Aviotec von Bosch erkennt über (Infrarot-)Kameras entstehenden Rauch auch in hohen Räumen, analysiert in Echtzeit durch einen KI-Algorithmus die Bilddaten, alarmiert im Gefahrenfall die Sicherheitszentrale und minimiert Fehlalarme.
<<< Jump Mark: chancen >>>
Chancen und Risiken von KI
Künstliche Intelligenz ist längst Teil des Planens, Bauens und Nutzens – oder wird es gerade. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und in ihren Potenzialen noch kaum zu überblicken. Viele KI-Systeme setzen als Datenbasis allerdings große Datenmengen (Big Data) voraus, anhand derer sie ihre Algorithmen, etwa zur Mustererkennung, trainieren und optimieren. Das können Planungs- und Ausschreibungsdaten, Stücklisten, Aufmaßdaten, Baustellendaten, Fotos, Mängellisten oder Sensordaten sein. Werden diese Daten kombiniert und ausgewertet, können sie neben der Planung und Bauausführung auch den Gebäudebetrieb optimieren. Je größer die Datenbasis ist, umso zuverlässiger arbeiten KI-Systeme. Welche Quantität und Qualität diese Daten haben, wie diese verknüpft und welche Bewertungs- und Entscheidungskriterien herangezogen werden – etwa bei der maschinellen Bewertung und Auswahl von Entwurfsvarianten – ist aber meist nicht nachvollziebar. Kritiker warnen deshalb vor blindem Vertrauen in KI, Big Data und den häufig intransparenten Prozessen, die dahinterstecken.
<<< Jump Mark: literatur >>>
Links und Literaturtipps zu KI in der Architektur
- Baumgarten, E.: Bedrohliche Chance? Autodesk kauft Spacemaker, auf: Swiss Architects, 17.3.2021
- Chaillou, S.: KI und Architektur – der entwerfende Computer, in: Archplus Nr. 236 „Posthumane Architektur“, 9/2019
- Lenzen, M.: Künstliche Intelligenz. Was sie kann und was uns erwartet, C.H.Beck, München 2018
- Schmid, W.: Digitalisierung erreicht Baustelle. Bauroboter und künstliche Intelligenz, in: Gebäude-Energieberater, 5/2021
Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz)
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: