Von Johanna Naara Ziebart
Smart Home. Klingt toll. Das Haus ist schlau und übernimmt Arbeiten des in ihm wohnenden ebenfalls schlauen Menschen. Licht an- und ausschalten per App, per touch, per Bewegung; Heizung automatisch regulieren – von unterwegs schon mal anschalten; Musik kommt mit – egal wo du in der Wohnung hingehst; Licht geht an, wenn du den Schrank öffnest, dein Ofen merkt von allein, wann dein Brot fertig ist, der kleine Roboter saugt deine Wohnung während du weg bist. Wahnsinn, dass man sich mit all dem nicht mehr beschäftigen muss. Aber was haben wir dadurch gewonnen?
Nicht smart, wenn man keine Ahnung hat, wie das Licht angeht
Klar, zu Coronazeiten ist es extrem praktisch, wenn man nicht immer überall einen Schalter drücken muss. Alles bleibt klinisch rein, wenn Licht smart ist und durch Bewegungsmelder an- und ausgestellt werden kann; oder wenn die Türen schon aufgehen, bevor man überhaupt in Reichweite ist. Andererseits verlieren wir auch ein bisschen an Orientierung. Dass Lichtschalter immer neben der Tür sind, ist etwas, auf das wir uns verlassen können. Finden wir nicht sofort einen Lichtschalter, zögern wir beim Eintreten oder gehen gar nicht erst in den dunklen Raum hinein.
Bis wir Studierenden an der Uni herausgefunden hatten, wie das Licht in unserem Studio angeht, haben wir einen Monat gebraucht. Wir dachten, es gäbe nur eine funktionierende Deckenleuchte, weil es die einzige ist, die mit dem Schalter neben der Tür angegangen ist. Irgendwann hat uns ein Professor gesagt, dass das Licht mit dem Sicherungskasten angeschaltet wird – da kommt ja wirklich niemand drauf.
Was können wir in Zukunft noch bewirken?
Spinnen wir das ganze mal weiter: Was passiert, wenn wir nichts mehr anfassen müssen, um es an- oder auszuschalten? Was wäre, wenn wir alles mit Bewegung oder Sprache steuern können? Was ist, wenn unsere räumlichen Orientierungshilfen verschwinden? Werden wir alle durcheinanderreden aber niemals miteinander, sondern nur noch mit Geräten? Verlieren wir durch fehlende Schalter den haptischen Bezug zu den Dingen? Verlieren wir eventuell auch das Wissen, wie die Dinge eigentlich funktionieren? Gibt es dieses eigentlich dann noch oder ist das neue eigentlich eben einfach nur schalterlos?
Wissen die Menschen der Zukunft noch, wo man lieber nicht in eine Wand bohren darf, damit man keine Stromleitungen trifft oder gibt es gar keine Leitungen mehr und können sie die Bohrmaschine auch per Sprache steuern und wie könnte eine Bohrmaschine aussehen, die man gar nicht mehr anfassen muss? Wenn alles ohne Berührung funktioniert, sind wir dann gefangen in unserem Körper? Sind wir ein smarter Geist in einer sinnlosen Hülle?
Selbstwirksamkeit ist ein Grundbedürfnis
Leben wir wie im Film Wall.E in ergonomisch geformten Sitzen und alles um uns herum ist smart nur wir nicht mehr? Ich hoffe, dass wir uns durch die Smartisierung der Dinge nicht selbst aufs Abstellgleis befördern.
Kinder finden es besonders beeindruckend und faszinierend, dass sie Knöpfe drücken können und dann passiert etwas – sie haben etwas bewirkt. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit ist ein Grundbedürfnis, der Mensch braucht Berührungspunkte, damit er seine Umwelt begreifen kann sowohl als Kleinkind als auch als Erwachsener.
Ich hoffe, dass wir das in der Planung von Gebäuden nicht vergessen.
Johanna Naara Ziebart studiert Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold und setzt sich auch bei nexture+ für Innenarchitektur ein.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.
Wie sind Eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder Berufseinsteiger? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unter DAB-leserforum@handelsblattgroup.com.
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Tolle Kolumne!
Ich glaube auch, dass Selbstwirksamkeit eine große Rolle in den eigenen vier Wänden spielt und nicht verloren gehen darf. Mittlerweile kann man schon zwischen Szenerien wählen: „hey Siri/ok Google/Alexa mach im Wohnzimmer Film-Guck Atmosphäre“ – klingt total dystopisch.