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Löcher im Netz

Ein digitalisiertes Gebäude funktioniert nur, wenn die Funktionen definiert und die Gewerke bau- und technikübergreifend interaktiv vernetzt sind – Standard ist das noch lange nicht.

Von: Marion Goldmann
Marion Goldmann wählt für das DAB die wichtigsten Produktneuheiten aus....

28.02.20185 Min. Kommentar schreiben

In Zeiten der Digitalisierung stehen vor allem auch intelligent vernetzte Gebäude im Fokus. Während Einfamilienhäuser inzwischen häufig über smarte Technologien verfügen, hat ihre Anwendung im mehrgeschossigen Wohnungsbau noch Seltenheitswert. Bei gewerblichen Immobilien ist die Situation eine andere. Hier reichen die Anfänge in Form der digitalen Gebäudeautomation mehr als drei Jahrzehnte zurück. Es begann mit einfacher und dezentraler Hilfstechnik zum Messen, Steuern und Regeln und betraf im Wesentlichen die Anlagen für Heizung, Lüftung und Klima sowie die Elektroinstallation. Später kamen Beschattung, Beleuchtung, Fenster, Türen, Tore, Sicherheitstechnik und vieles mehr hinzu. Die intensive Weiterentwicklung der Systeme hat dazu geführt, dass heute leistungsfähige Lösungen verfügbar sind, die die Wirtschaftlichkeit der Immobilie, den Komfort sowie die Sicherheit von Betreiber und Nutzer deutlich erhöhen. Das funktioniert aber nur, indem alle Gewerke digital miteinander vernetzt werden – standardmäßig wird das längst noch nicht realisiert.

Die Weichen für die gewerkeübergreifende Vernetzung sind bereits bei der Bedarfsplanung und der Projektentwicklung der neu oder umzubauenden Immobilie zu stellen. Planung und Umsetzung aller zu verwirklichenden Funktionen dürfen dann Architekten und Fachplanern nicht mehr einzeln überlassen werden, sonst entstehen nachträglich kaum verbindbare Insellösungen mit höheren Kosten und nicht zufriedenstellenden Ergebnissen. Gefragt ist hier ein Funktionsplaner und Systemintegrator – ein fachübergreifend tätiger und erfahrener Experte –, der dafür sorgt, dass die benötigten Funktionen definiert, in die Planung eingebunden, koordiniert und ausführungsseitig zusammengeführt werden. „Dieses Vorgehen ist in der Baubranche allerdings noch nicht weit verbreitet. Wenn überhaupt, wird dieser Spezialist erst in der Ausführungsphase hinzugezogen, also viel zu spät“, sagt der Ingenieur Bertram Canzler, dessen Büro als Qualitätsprüfer für Bau, Technische Ausrüstung und Facility-Management oft für Prüfungsaufgaben erst bei Projektende hinzugezogen wird.

Die Knackpunkte

Die meisten Bauherren und Architekten fordern zwar in der Regel gleich bei Projektbeginn, dass das Gebäude digital ausgestattet sein soll, überlassen alles Weitere aber wie gehabt den jeweiligen Fachplanern. Üblich ist, dass beispielsweise der Fachplaner Heizung/ Lüftung/Klima eine digitale MSR-Technik vorsieht; der Fachplaner Elektrotechnik verwendet einen Elektrotechnik-BUS, der Fachplaner Schwachstromtechnik wählt ein BUS-System, das systemspezifisch den Schwachstrom regelt usw. Am Ende sind die Beteiligten dann erstaunt, dass beispielsweise der Sonnenschutz nicht funktioniert. „Besonders problematisch wird es beim Brandschutz, wenn sich Fenster und Türen zur Entrauchung nicht öffnen, wie beim Flughafen Berlin Brandenburg“, sagt Bertram Canzler.

Zwar verfügen die einzelnen Systeme über ein hohes technisches Niveau, doch sie müssen interaktiv zu einer übergreifenden Gesamtfunktion verbunden werden – eine Arbeit für Spezialisten. Denn die jeweils firmeninternen Systeme und Anlagen sowie die zahlreichen Komponenten aus den Bereichen Bau und Technik kommunizieren nicht von selbst miteinander. Jedes System spricht quasi seine eigene Sprache. Es gibt zwar seit Jahrzehnten herstellerübergreifende (sogenannte offene) Systeme. Diese setzen aber nur die Funktionen um, die auch von Planungsbeginn an bau- und technikübergreifend projektspezifisch aufeinander abgestimmt sind. Dabei kommt es vor allem darauf an, eine übergreifende Gesamtlösung zu definieren, an die dann gewerkespezifisch angedockt wird.

Erlebbare Lösungen

Architekten müssen nun keineswegs zum Gebäudeautomations-Experten avancieren. Sie sollten aber erkennen, welche Funktionen überhaupt möglich sind, denn Bau und Technik verschmelzen durch die Digitalisierung immer weiter miteinander. Zunächst muss aber erst einmal bekannt sein, welche Funktionen überhaupt möglich sind. Wichtig ist auch zu wissen, dass die Funktionen nicht mehr aus den einzelnen Gewerken heraus entstehen, sondern sich aus den Bedürfnissen von Bauherren, Betreibern und Nutzern generieren. Seit einiger Zeit steht besonders die Sicherheit im Fokus – und hier geht es nicht nur um den Einbruchschutz, die Anforderungen an den Brandschutz sind ebenfalls gestiegen. Parallel kann die Sicherheitstechnik in Verbindung mit der anderweitig verbauten Technik auch Funktionen der normalen Nutzung übernehmen. Viele einzelne Aspekte greifen demnach wie Zahnräder ineinander. Um die komplexe Problematik zu veranschaulichen, verweist Bertram Canzler auf die von ihm geplante Sonderschau „SECURE! Connected Security in Buildings“ auf der Messe Light + Building: „Architekten können hier zum ersten Mal erleben, wie solche Lösungen produkt- und funktionsübergreifend funktionieren, und sie können die Bedeutung des Funktionsplaners und Systemintegrators kennenlernen.“ Für die Sonderschau wurden die Nutzungen Hotel, Büro und Industrie ausgewählt. Allgemein wird hier gezeigt, wie Komponenten der Elektro- und Nachrichtentechnik mit baulichen Komponenten, wie Türen, Jalousien und Fenstern, mit der Brandmeldeanlage und der Videoüberwachung interaktiv zusammenarbeiten. Ein Szenario wird sein, wie im Brandfall neben der Brandmeldeanlage auch die Fluchtwege freigegeben werden, die Evakuierung durchgespielt und die Fluchtwege- und Markierungsbeleuchtung eingeschaltet wird. Ziel ist die schnelle und situationsbedingt richtige Fluchtweghilfe für die im Gebäude befindlichen Personen.

Wie sich Sicherheitstechnik, Komfort, Aufenthaltsqualität und wirtschaftlicher Betrieb in einem digital vernetzten Gebäude ergänzen, wird im Hotelmodul gezeigt. Mit einem Schlüssel oder einer Handy-App kann ein Gast alles bedienen. Parallel kann der Betreiber alles einsehen, denn er hat ebenso Zugriff auf die Daten im System. Hotels lassen sich so mit weniger Personal einheitlich managen – der Betrieb wird einfacher und wirtschaftlicher. Ebenso wie die Überwachung der Zimmer mit einer Meldefunktion, falls jemand stürzt und sich nicht mehr bewegen kann. Bis das im Notfall bemerkt wird, können sonst Stunden vergehen. Im Gegenzug erhält der Gast aber auch mehr Freiheiten und ist vom Hotelpersonal unabhängiger. Ob und wie der Gast damit zurecht kommt, steht in diesem Zusammenhang auf einem anderen Blatt.

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