Die als Band angeordneten Solarzellen auf der Reithalle in Achern sind lichtdurchlässig. (Klicken für mehr Bilder).
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Energieeffizient machen“ im Deutschen Architektenblatt 08.2023 erschienen.
Am Ende des Textes finden Sie Ratgeber verschiedener Landesdenkmalämter zur Integration von Photovoltaik an und auf Baudenkmalen.
Das über 25 Meter Breite freitragende Dach ist das Markenzeichen der 1946 als Teil einer französischen Offiziersschule errichteten Halle. Ihm verdankt das Gebäude den Denkmal-Status. Dass im Zuge der Sanierung eine Solaranlage in die Dachflächen eingebaut werden sollte, war von Anfang an Teil des Konzeptes von Astrid und Gerold Weber.
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Reithalle in Achern: Denkmal mit Photovoltaik
Das Acherner Unternehmer-Ehepaar hatte das Gebäudeensemble 2019 von der Kommune erworben und den Offenburger Architekten Michael Welle mit den Leistungsphasen 1 bis 5 beauftragt. Er kann sich mit der Herangehensweise der Bauherren gut identifizieren: „Wir müssen auch Denkmäler mit Photovoltaik versehen – aber mit Maß und Ziel und auf keinen Fall nach dem Motto ‚möglichst günstig‘. Ich möchte mit meinen Projekten gerne zeigen, dass es sehr schöne, stimmige Lösungen gibt.“
60 Meter lange Bänder aus Solarzellen
Heute verkörpert das Dach das harmonische Miteinander von sensibel erhaltener und sanierter Architektur und innovativer, unauffällig integrierter Technik. In seine riesigen, mit den historischen Ziegeln neu eingedeckten Nord- und Südflächen sind zwei 60 Meter lange und zwei Meter hohe Solarbänder eingelassen. Sie bestehen aus PV-Modulen mit einer Gesamtleistung von 26 Kilowattpeak. Mittig und optisch kaum erkennbar liegen Solarthermiekollektoren zur Heizungsunterstützung und Warmwasseraufbereitung.
Die Oberkonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Monika Loddenkemper, erklärt: „Wir wünschen uns bei Photovoltaik einen flächenbündigen, rahmenlosen Einbau, eine einheitliche Fläche aus nicht spiegelnden Modulen in einer Farbe, die der Eindeckung möglichst nahe kommt – all das mussten wir bei diesem Projekt nicht einfordern.“
Semitransparente PV-Module und Blockheizkraftwerk
Die Höhe der Module entspricht genau der des Rasters der Dachkonstruktion. Zugleich sorgen die semitransparenten Module dafür, dass Tageslicht auch in das Innere der Halle gelangen kann. Ein Großteil des Erdgeschosses wird heute als Markthalle genutzt. An zentraler Stelle sind ein Pelletsilo und -kessel, ein Blockheizkraftwerk und ein Pufferspeicher samt Verrohrung sichtbar zur Schau gestellt als Statement der Bauherren. Halbhohe Wände schaffen in der großzügigen Halle kleinere Einheiten beispielsweise für Floristik und einen Buchladen.
Fenster ertüchtigen und Innendämmung
„Ziel war, die unterschiedlichsten Nutzungen im Gebäude unterzubringen und es zugleich, wo immer möglich, unangetastet zu lassen“, erklärt Architekt Michael Welle. In einer oberen Geschossebene wurden Wohnungen und Büros als eingeschobene Holzkuben integriert. „Um Belüftung, Belichtung und Rettungsweg zu sichern, wurden diese Einheiten zwangsläufig an irgendeine Fassadenfläche gekoppelt. Der Raumplan hat sich dabei weitgehend aus dem Fensterraster ergeben“, sagt Michael Welle.
Nur in diesen Nutzungsbereichen wurde die Fassade aus Betonskelett und Backstein von innen gedämmt. Bei den Fenstern ließ der Architekt ein zusätzliches neues Fenster einsetzen. Mit der Sanierung samt umfangreichem Einbau erneuerbarer Energien sind in Achern alle Beteiligten – Bauherren, Denkmalschutzbehörde und Architekt – höchst zufrieden.
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Ratgeber für Solarzellen am Denkmal
Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat auf ihrer Internetseite eine FAQ-Liste „Solaranlagen auf Denkmalen“ veröffentlicht. Sie eignet sich gut als Einstieg in die Thematik. Ein ergänzender Leitfaden ist in Vorbereitung.
Allerdings liegt die Zuständigkeit für Denkmalschutz und Denkmalpflege bei den Bundesländern. Und deren Vorgehen ist durchaus nicht einheitlich. Diverse Bundesländer haben in den vergangenen Monaten Vorstöße unternommen und neue Richtlinien erlassen, um die Installation von PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden zu vereinfachen. Parallel dazu haben einige bereits Handreichungen veröffentlicht, die Planern und Architektinnen einen guten Überblick über die Anforderungen in ihrem Bundesland geben.
Ungeachtet länderspezifischer Details können die Praxisbeispiele in den genannten Broschüren wertvolle Anregungen für Projekte überall in Deutschland geben. Vor allem die Langversion des Berliner Leitfadens ist eine Fundgrube für alle, die sich intensiver mit der Thematik beschäftigen (wollen).
Baden-Württemberg
Die Broschüre „Denkmalpflege und erneuerbare Energien“ (2022, 69 Seiten) des Landesamtes für Denkmalpflege erörtert in je einem umfassenden Kapitel, wie Handwerker, Architekten und Ingenieure heute mit Wind, Wasser und Sonne entwerfen und bauen und erneuerbare Energien zur Minderung des CO2-Ausstoßes nutzen können. Insgesamt 14 Best-Practice-Beispiele mit ausführlichen Texten, Fotos und Skizzen veranschaulichen den Einsatz von Solarthermie, Photovoltaik, Wärmepumpen und Luftkollektoren. Außerdem sind die gesetzlichen Grundlagen und weitere Rechtsvorschriften aufgeführt. Checklisten erleichtern die Zusammenstellung der Planungsunterlagen und den Ablauf des Genehmigungsverfahrens.
Berlin
Den Leitfaden „Denkmale & Solaranlagen. Möglichkeiten, Anforderungen und Rahmenbedingungen“ (2023) bietet das Landesdenkmalamt Berlin in einer Kurzversion (15 Seiten) und einer Langversion (132 Seiten) an. Letztere liefert einen fundierten Überblick nicht nur zum gesetzlichen Rahmen und zu Entscheidungskriterien für oder gegen die Installation von Photovoltaik auf denkmalgeschützten Gebäuden, sondern auch zur PV-Technologie und zu technischen Lösungsmöglichkeiten. Beispiele dazu, wo Photovoltaik am Denkmal geeignet oder auch ungeeignet ist, sowie zu exemplarischen denkmalverträglichen Bauweisen helfen bei der Einordnung eigener Projekte. Sehr praxisnah sind ausführliche Hinweise zur Planung und Antragsvorbereitung sowie Kontaktadressen von Beratungsstellen und Links zu weiterführenden Informationen.
Hamburg
Der Leitfaden „Praxishilfe Denkmalpflege zum Umgang mit erneuerbaren Energien“ (2023, 16 Seiten) des Hamburger Denkmalschutzamtes gibt einen ersten Überblick zu verschiedenen baulichen Möglichkeiten und der Antragstellung für Regelfälle und komplexe Fälle. Die Klassifizierung wird mit Skizzen verdeutlicht.
Hessen
Die Handreichung „Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden“ (2022, 46 Seiten) des Landesamtes für Denkmalpflege beschreibt das Kulturdenkmal mit seinen spezifischen Werten als Ausgangspunkt für Abwägungsentscheidungen und skizziert Verfahren, mit denen sich die Beeinträchtigung durch eine Solaranlage mindern lässt: Ausweichen auf Alternativstandorte, Begrenzung auf einen untergeordneten Bereich, zurückhaltende Anbringung. Kurze Steckbriefe mit einem Foto oder einer Skizze, jedoch ohne weitergehende Erläuterungen oder technische Details liefern Beispiele zu allen genannten Verfahren. Die im Wortlaut enthaltene Richtlinie ist mittlerweile nicht mehr aktuell, wohl aber die Links zu weiterführenden Informationen.
Mecklenburg-Vorpommern
Die Kurz-Broschüre „Denkmäler und Energiegewinnung durch Photovoltaik in Mecklenburg-Vorpommern“ (2023, 27 Seiten) des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege zeigt an Beispielen unterschiedlicher Gebäudetypen mit Fotos und Skizzen, wie gemeinsame Lösungen für Klima- und Denkmalschutz aussehen können. Photovoltaik wird dabei als Teil eines ganzheitlichen energetischen Konzeptes betrachtet, bei dem Erscheinungsbild und Bausubstanz zusammen gedacht werden müssen. Weiterführende Literatur, Kontakte von Ansprechpartnern und eine Checkliste helfen Planern und Bauherren beim Einstieg.
Tja, ob die “emotionale Diskussion” wohl daher kommt, dass sich die Denkmalbehörden in den allermeisten Fällen quer und stur stellen? Dass aktiv auf gerichtliche Klärung verwiesen wird, die jahrelang dauert und sehr teuer ist? Es bleibt ein Rätsel..
Wir Architekten sind die Fachleute für kreative Lösungen!
Im Studium und in unserer Berufspraxis haben wir teilweise über Jahrzehnte gelernt und praktiziert, über den Tellerrand zu schauen und kreative Antworten zu finden! Wer z.B. in Bamberg vom Rosengarten der Neuen Residenz oder vom Michaelsberg auf die Altstadt hinunter blickt, wird die PV-Anlagen-freie Dachlandschaft zu schätzen wissen. Der Wunsch der einzelnen Hausbesitzer nach einer PV-Anlage zur Minderung der eigenen Energiekosten ist jedoch nicht weniger legitim als die Wahrung des Weltkulturerbes für die Allgemeinheit. Aber vielleicht muss die ja gar nicht auf dem eigenen Dach in der Altstadt sein. Auch der Hausbesitzer selbst möchte die Module nicht deswegen auf seinem Dach haben, weil er die so schön findet. Wie wäre es da mit einem Bürgerprojekt Solarpark für Denkmalbesitzer auf einem Grundstück außerhalb, das die Öffentlichkeit (Stadt, Gemeinde…) zur Verfügung stellt? Das wäre wahrscheinlich sogar noch effizienter und rentabler als lauter einzelne Anlagen. Zu jedem (Bauherren-) Wunsch gibt es immer mehr als eine Lösung.
Sicherlich ist Denkmalschutz wichtig. Solange die Denkmalbehörden allerdings den grundlegenden rechtlichen Paradigmenwechsel durch § 2 EEG 2023 (Solaranlagen im „überragenden öffentlichen Interesse“, EE-Anlagen „vorrangiger Belang“) und die dazu bereits jetzt ergangene OVG-Rechtsprechung nicht realisiert haben, wird es weiter Streit und Gerichtsprozesse geben (müssen). Die damit verbundene „Energie- und Ressourcenverschwendung“ scheint viele Behörden allerdings – wie die Vergangenheit lehrt – weiterhin nicht sonderlich zu interessieren.
Vielen Dank!
Hier ist einer aus Bayern zu finden (scheint aktuell zu sein):
https://www.blfd.bayern.de/mam/information_und_service/solarenergie_baudenkmal.pdf
sowie weitere Informationen für/ aus Bayern hier:
https://www.blfd.bayern.de/information-service/klimaschutz_denkmalpflege/index.html#navtop