Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Kompetenzerweiterung“ im Deutschen Architektenblatt 04.2024 erschienen.
Lebenslanges Lernen ist elementar – das wird angesichts des Tempos zunehmender Krisen sehr deutlich. Als Fachleute der Stadtplanung, Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur übernehmen wir Verantwortung.
Qualifiziert für nachhaltiges Bauen
Wir befassen uns noch intensiver mit mannigfaltigen Aspekten wie Abfallvermeidung und Wiederverwendung, weiterentwickelten oder wiederentdeckten Baustoffen und -weisen, Materialökonomie und KI – aber auch mit dem Bewerten von Zertifizierungssystemen und strengeren Nachhaltigkeitsanforderungen im Ordnungsrecht, in der Förderung und in der Finanzwirtschaft.
Qualifizierte Expertinnen und Experten mit einem gleichermaßen breiten wie tiefen Verständnis für ökologische, bauphysikalische, technologische und soziale Zusammenhänge – sowie mit der Fähigkeit, innovative Lösungen für einen gestalterisch wertvollen, klimagerechten Neu- und Umbau zu entwickeln – werden dringend gebraucht. Tendenz steigend.
Gegen Abrisse und für graue Energie sensibilisieren
Gerade erleben wir wieder in Berlin bei zahlreich drohenden Abrissen von erhaltenswerter Bausubstanz, wie dem Düttmann-Bau an der Urania oder dem ehemaligen Sport- und Erholungszentrum SEZ im Osten der Stadt, dass politischen Akteuren und Auftraggebenden nicht nur der baukulturelle Wert kommuniziert, sondern auch der ökologisch-ökonomische Wert für die Ertüchtigung und Weiterentwicklung eines Standorts bewiesen werden muss.
Hier mit einem belastbaren Einschätzungsvermögen graue Energie und Treibhausgasemissionen bewerten zu können sowie Beratung und Übersicht zu geben über den Aufwand hinsichtlich „Bestandsertüchtigung versus Abriss/Neubau“, mit einem kompetenten Abwägen aller Nachhaltigkeitskriterien bei Zielkonflikten – das wird immer essenzieller.
Kammerfortbildung: Fit for Nachhaltigkeit
Um den perspektivisch wachsenden Bedarf an praxisbezogener Nachhaltigkeitskompetenz und -koordination zu erweitern, arbeiten die Architektenkammern aller Länder intensiv an einem umfangreichen bundesweiten Fortbildungsangebot in Sachen „fit for Nachhaltigkeit“. Noch in diesem Jahr soll mit Seminaren und Lehrgängen begonnen und ein flächendeckendes Fort- und Weiterbildungsangebot zur Verfügung stehen.
Die Teilnehmenden werden in die Lage versetzt, gesamtbilanzielle Betrachtungen über den Lebenszyklus inklusive aussagekräftiger Kennwerte (Ökobilanz) für gebäudebezogene, freiraumplanerische und städtebauliche Planungen erstellen zu können.
Neues Bundesregister Nachhaltigkeit
Ob kompakter Lehrgang oder, je nach Vorkenntnissen, modulare Einzelseminare – das Lehrangebot mündet in einem Leistungsnachweis, der es Mitgliedern der Architektenkammern ermöglicht, sich im jeweiligen Bundesland ins neue Bundesregister Nachhaltigkeit einzutragen.
Das kammergeführte, unabhängige und systemoffene Bundesregister ist ein weiterer konsequenter Schritt, um Transparenz und Qualität im Bereich der baukulturellen Nachhaltigkeitsplanung zu bieten. Für den Zugang ins Bundesregister soll nicht entscheidend sein, welcher Weg zuvor beschritten wurde, sondern dass die notwendigen Kenntnisse vorhanden und nachzuweisen sind. Denn das Bundesregister wird eine zentrale Anlaufstelle für Bauwillige sein, um geeignete Fachleute für ihre Bauvorhaben zu finden, und zugleich den Berufsstand in seiner Schlüsselrolle für die notwendige Transformation von Stadt, Gebäude und Landschaftsraum stärken.
Mit Fachwissen und Lernfreude in die Bauwende
Lassen wir uns nicht von Herausforderungen abschrecken, sondern sie mit optimistischem Blick und mehr Fachwissen als Chance begreifen. Auf diesem Weg hin zu einem kompetenten, klimagerechten und zukunftsfähigen Planen und Bauen stehen die Architektenkammern zusammen mit den Ingenieurkammern als Unterstützerinnen bereit. Viel Wissensdrang, Lernfreude und Ausdauer für die Bauwende, jetzt!
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: