Anfang letzten Monats diskutierte die Bundeskammerversammlung, das höchste Entscheidungsorgan der BAK, die Vorschläge von Ursula von der Leyen für ein neues Europäisches Bauhaus. Damit soll die praktische Umsetzung des europäischen Green Deals vorangetrieben werden, „bei der der Mensch im Mittelpunkt steht“. Die EU-Kommissionspräsidentin rennt offene Türen bei uns ein, denn wem, wenn nicht uns Architektinnen und Stadtplanern, kann es gelingen, mit einem ganzheitlichen Planungsansatz den ökologischen Wandel mit Leben zu füllen und unsere baukulturellen Ziele zu verstetigen?
Bauhaus als Synonym für Aufbruch
Wie bei der Gründung des Bauhauses vor über 100 Jahren stehen wir angesichts der schwindenden fossilen Ressourcen, des sich verstärkenden Klimawandels, von Pandemien und der zunehmenden Forderungen einer sich stetig vergrößernden Weltbevölkerung erneut vor der Aufgabe, Architektur und Stadtplanung, Design und generell die gebaute Umwelt neu zu denken und zu entwerfen. Der Begriff „Bauhaus“ steht hier also nicht für eine bestimmte Formensprache oder einen historischen Rückblick, sondern als Synonym für die Notwendigkeit aller Fachdisziplinen, die notwendige Um- und Neugestaltung der gebauten Umwelt in Material, Form, Funktion, Struktur und Kultur zu beschleunigen.
Renovation Wave und Leipzig Charta
In der „Resolution zum Europäischen Bauhaus“ bekräftigte das BAK-Parlament zudem die ausdrückliche Verantwortung des Berufsstands für Qualität und Baukultur. Nicht immer stößt die Politik der EU-Kommission auf unser Verständnis, wie zuletzt das jahrelange Ringen um die HOAI gezeigt hat. Aber die europäischen Ankündigungen eines interdisziplinären Baukultur-Ideenlabors für eine wirkungsvolle „Renovation Wave“ nach Maßgabe der gerade verabschiedeten „Neuen Leipzig Charta für eine nachhaltige europäische Stadt“ darf uns heute optimistisch stimmen.
Gesellschaftliche Baustellen
Die Baustellen einer Gesellschaft, die sich umfassenden Transformationen stellen muss, kennt kaum ein Berufsstand besser als wir. Die drängenden Fragestellungen an unsere Disziplin lassen sich nie als Einzelposten begreifen, sondern erfordern ein Denken in Zusammenhängen und über die Grenzen professioneller Spezialisierung hinaus – eben ganz im Sinne des Bauhauses. Wer sich mit dem klimagerechten Umbau unserer Städte und Gemeinden beschäftigt, muss zugleich die sichere Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum in den Blick nehmen, neue Konzepte für Zentren und den öffentlichen Raum entwickeln, alternative Mobilitätsformen sowie die Entwicklung im ländlichen Raum einbeziehen. Gerade die Verbindung von generalistischer Perspektive und hoch spezialisierter Expertise befähigt uns, den sozialen, kulturellen, technischen und wirtschaftlichen Veränderungen mit Planungen zu begegnen, die diese übergeordneten Entwicklungen in nachhaltige und gute Strukturen übersetzen. Anders formuliert: Wir sorgen dafür, dass die gebaute Umwelt dem gesellschaftlichen Wandel gerecht werden kann.
Mit diesem politischen Rückenwind können wir also umso beherzter unsere fachliche Expertise bei den vor uns liegenden beruflichen Themen einbringen, was insbesondere in diesem Jahr der Bundestagswahl von entscheidender Bedeutung ist. Wir freuen uns auf den Dialog mit Ihnen und wünschen Ihnen ein gutes und gesundes neues Jahr.
PS: Dass immer noch wir das Präsidium der BAK sind, liegt an Covid-19. Da große Versammlungen gerade leider nicht möglich sind, hat die BAK die Wahl eines neuen Präsidiums, die für den 4.12. im Rahmen der 93. Bundeskammerversammlung geplant war, auf den 28. Mai 2021 verschoben. Bis dahin engagieren wir uns mit unserer ganzen Kraft für Sie weiter.
Barbara Ettinger-Brinckmann, Joachim Brenncke, Martin Müller und Ralf Niebergall, Präsidium der Bundesarchitektenkammer
Über diese Initiative des Green Deals, bei der der Mensch im Mittelpunkt stehen wird, freue ich mich wirklich sehr.
Denn genau das ist seit über 25 Jahren das zentrale Herzensthema in meiner Arbeit.
Wichtig wird es hierbei werden, Werkzeuge für Architekten und Planer zu entwickeln und Strategien zu erlernen, wie Mensch und Raum ganzheitlich aufeinander einwirken.
Wir als Gestalter von Lebensraum müssen noch viel mehr über den Menschen als holistisches Wesen erfahren.
Und wir Planer müssen lernen, den Genius Loci eines Ortes zu erkennen.
Damit schonen wir unsere gebeutelte Erde und schaffen Raum für sinnvolle menschliche Entfaltung.
Herzlich, Kathrin Schmack