Die Bayerische Architektenkammer empfängt jährlich junge Absolventinnen und Absolventen beziehungsweise Neu-Mitglieder im Rahmen eines Begrüßungsabends. Anlässlich des letzten Empfangs stimmte der Direktor des Deutschen Architekturmuseums, Peter Cachola Schmal, den Nachwuchs auf ihren Berufsalltag ein. Die Klimakrise fordere gerade die planende Zunft, zu nachhaltigen Lösungen beizutragen. Der bevorstehende Berufsalltag werde kaum von der Umsetzung des „großen Entwurfs“, sondern vom „nachhaltigen Bauen im Bestand“ geprägt sein.
Graue, blaue und grüne Potenziale
Nachhaltiges Bauen basiert auf der einfachen Formel, die „graue, blaue und grüne Potenziale bei jeder Planung ausschöpft“. Einerseits ist das energetische Potenzial der grauen Infrastruktur auszuschöpfen, das heißt, der Baubestand (nahezu 50 Prozent Energie im Lebenszyklus eines Gebäudes) soll nicht energieaufwendig abgerissen, sondern durch kluge Lösungen erhalten und weiter genutzt werden. Andererseits gilt es für die städtische Aufenthaltsqualität Grünräume zu schaffen, das heißt Entsiegelung, Wassermanagement, Dach-, Fassadengrün und Gärten klimawirksam einzusetzen. Keinesfalls darf eine effiziente Nutzung des vorhandenen Raumes allein durch Nachverdichtung gesteigert werden, die Freiräume müssen qualitativ und quantitativ erhalten und optimiert werden.
Potenzial Grau: Wir müssen den Verbrauch von Rohstoffen und Energie aller baulichen Anlagen aus Stein, Beton und Asphalt minimieren. Stadt-Ökologie und Stadt-Klimatologie verlangen attraktive Grünräume mit hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität, die im Rahmen des gesetzlich verankerten Ziels zur innerstädtischen Nachverdichtung auch bereitzustellen sind.
Potenzial Blau: Sämtliche Wasserstrukturen und -systeme in Stadt und Land stehen hier im Fokus; sie bieten als vernetztes Ökosystem Lebensraum für Fauna und Flora und fördern die Artenwanderung und Artenvielfalt. Diese Potenziale gilt es bei jeder Planung zu integrieren und ihre Leistungsfähigkeit als Kanal, Wasserspeicher, Feuchtigkeitsspender, Hochwasserrückhalt auch für neue Baumstandorte und Grünstrukturen zu erhöhen.
Potenzial Grün: Die Grünstruktur ist die lebende Pflanzenstruktur, die die belastenden Auswirkungen von heißen Sommern ausgleichen kann und Lebensqualität für die Menschen in der Stadt bietet. Jeder Passant profitiert von der Schattenspende mächtiger Baumkronen auf Plätzen und in Parks. Schließlich kann ein ausgewachsener Laubbaum an einem Sonnentag rund 18 Kilo CO2 verarbeiten, 400 Liter Wasser pro Tag verdunsten und 13 Kilo Sauerstoff bilden. Diese messbaren Wohlfahrtswirkungen von Großgrün müssen bei allen Planungen in die Waagschale – insbesondere bei Abwägung von Pro und Kontra Nachverdichtung. Hier können grüne Strukturen die städtische Temperatur um bis zu fünf Grad Celsius senken.
Infrastrukturen intelligent vernetzen
Diese intelligente Vernetzung der grau-blau-grünen Infrastrukturen im städtischen und baulichen Bestand wirkt eher unspektakulär im Verborgenen und man sieht ihr den „großen Entwurf“ nicht an, doch ist sie diesem an Idee, Kreativität, Arbeitsaufwand und der ganzheitlichen Wirkung im städtebaulichen Kontext absolut ebenbürtig.
Die Landschaftsarchitektur leistet eine umfassende nachhaltige Aufwertung landschafts- und stadtökologischer Systeme. Die Einbindung bestehender grau-blau-grüner, ökologisch wirksamer Gestaltung ist ein Muss bei unseren Bauvorhaben, denn „es muss jede Chance genutzt werden, mit einer intelligenten Gestaltung und Bewirtschaftung der Freianlagen einen eigenen ,Klimabeitrag‘ zu leisten“, so Till Rehwaldt in „Prima Klima – das ist Landschaftsarchitektur“. Wir schaffen das!
Klaus Neisser, Vorsitzender BAK-Ausschuss Landschaftsarchitektur
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