Ich kann mich kaum an ein Jahr erinnern, in dem wir als Architektinnen und Stadtplaner auf politischer Ebene mit so viel spannenden Fragestellungen und Herausforderungen konfrontiert worden sind wie 2019. So ist der Wohnungsbau wieder ganz in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Versorgung mit zeitgemäßem und bezahlbarem Wohnraum, sondern viel wichtiger ganz allgemein um die vielfältigen Anforderungen an ressourcen- und flächensparende, energieeffiziente, verdichtete, durchmischte und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbare Quartiere in Stadt und Land. Mit der Leipzig-Charta und der Davos-Erklärung zur Baukultur haben wir gute politische Argumentationshilfen, die wir mit praxisgerechten Vorschlägen beleben.
Dazu kommt die Digitalisierung, die die internen Arbeitsprozesse weitgehend verändert hat und immer komplexere Netzwerke und intelligentere Kommunikationswege erfordert. Noch hinkt die rechtliche der technischen Entwicklung hinterher, wie beispielsweise die Einführung eines digitalen Bauantragsverfahrens oder die mittelstandsfreundliche Ausgestaltung des Vergaberechts zeigen. Auch das reibungslose Zusammenspiel digitaler Planungsmethoden in der gesamten Wertschöpfungskette Bau funktioniert noch nicht einwandfrei. Hierüber sprechen wir insbesondere in der planen bauen 4.0 GmbH, die mit aktiver Unterstützung der BAK das Nationale BIM-Kompetenzzentrum des Bundes auf die Beine gestellt hat. Es besteht viel Abstimmungsbedarf: mit den Softwareherstellern, wenn es um „open“ oder „closed“ BIM geht, oder mit der Bauindustrie, mit der die sich ändernden Planungs- und Bauprozesse so zu verhandeln sind, dass unser bewährtes System der unabhängigen Qualitätssicherung keinen Schaden erleidet.
Uns Planerinnen und Planern geht es nicht darum, Bewährtes als Selbstzweck zu verteidigen, sondern darum, auch unter veränderten Arbeitsabläufen schöne und lebenswerte Städte und Gemeinden zu planen, zu gestalten und zu bauen. Was wird die Zukunft bringen? Das selbstfahrende Auto mit massiven Auswirkungen auf die Planung von Städten oder das sich – möglicherweise anhand von programmierbaren Nutzerbedürfnissen – durch 3D-Druck, Lieferdrohnen und künstliche Intelligenz selbst planende und realisierende Gebäude? Hierfür müssen wir gewappnet sein.
Ein weiteres gesellschaftliches Thema ist gegenwärtig die Inklusion, bei der wir uns ebenfalls auf die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten konzentrieren. Denn wir wollen allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe an der gebauten Umwelt ermöglichen und hierfür die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen. Dies gilt nicht nur für Barrierefreiheit, sondern für alle Entwicklungen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt betreffen, wie Migration, Gentrifizierung, sozialen Wohnungsbau – alles Themen, die in unseren Stadt- und Ortsbildern ablesbar sind und für die wir bauliche Lösungen entwickeln müssen.
Und wir werden natürlich weiterhin an der HOAI arbeiten, die uns ja weitgehend erhalten geblieben ist, denn sie ist Teil eines Gesamtsystems zur Qualitätssicherung. Deshalb hat der Deutsche Architektentag im September des vergangenen Jahres mit überwältigender Mehrheit eingefordert, dass nur diejenigen planen dürfen, die wirklich etwas davon verstehen. Und das sind wir Kammermitglieder. Auch hieran arbeiten wir mit all unseren Kräften, und zwar im Interesse der Allgemeinheit! Es bleibt viel zu tun. Do it with an architect!
Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen und gesunden Start in das neue Jahr 2020.
Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer
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