Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Keine Angst vor Vorfertigung!“ im Deutschen Architektenblatt 07-08.2024 erschienen.
Die Debatte um den Reizbegriff „serielles Bauen“, der so gern von politischer Seite als die einfache Lösung angeführt wird, bedarf dringend der fachlichen Einordnung. Mit dem vom BAK-Vorstand beschlossenen Positionspapier zum seriellen, modularen und systemischen Bauen hat sich der Berufsstand einmal mehr mit stichhaltigen Argumenten eingebracht.
Serielles Bauen nicht isoliert betrachten
Aus gutem Grund: Der Anschein, dass man Neubauten in serielle und „herkömmliche“ unterscheiden kann, trifft schlichtweg nicht zu. Wir als Planende wissen das. Dennoch hat beispielsweise der Maßnahmenkatalog des vom Bundesbauministerium initiierten Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum dem Themenkomplex „serielles und modulares Bauen“ ein eigenes Kapitel eingeräumt.
Unstrittig ist, dass wir gerade im Wohnungsmarkt eine riesige Angebotslücke zu schließen haben. Sich aber politisch auf einzelne, spezielle Lösungen wie das serielle oder modulare Bauen zu konzentrieren, wenn ohnehin zu wenig gebaut wird, ist kontraproduktiv. Eine Debatte, die verschiedene Ansätze mit gleichen Absichten gegeneinander ausspielt, anstatt sie miteinander zu kombinieren, ist nicht zielführend und schafft keinen neuen und womöglich kostengedämpften Wohnraum.
Modular und zugleich individuell
Auch serielles Bauen mit hohen Wiederholungsfaktoren beziehungsweise mit oder ohne Variationen kann vor Ort in Handarbeit passieren. Auch modulares Bauen kann je nach Aufgabe individualisiert werden. Auch individuelles Bauen arbeitet mit vorgefertigten, seriellen und modularen Elementen.
Ergo: Anstatt zu versuchen, die Begriffe voneinander abzugrenzen, sollten gerade wir Planenden die Ansätze zusammenführen, um für das konkrete Projekt das beste Ziel zu erreichen. Serielles, modulares, individuelles oder systemisches Bauen erfüllen keinen Selbstzweck, dürfen dies nicht tun. Die geltenden Ziele der qualitätvollen, sozial ausgewogenen, baukulturell wertgeschätzten und dauerhaften Stadtentwicklung und Architektur sowie die Betrachtung der gesamten Lebensdauer von Bauwerken müssen Leitbild des Handelns bleiben.
Qualität entsteht schon vor der Baustelle
Städtebauliche und architektonische Qualität entscheidet sich schlussendlich nicht nur auf der Baustelle durch die Erfüllung von technischen Vorgaben. Qualität entsteht auch und vor allem in der Auseinandersetzung mit Raum und Funktion, nämlich dann, wenn wir Planenden unsere Kompetenz in die Entwurfsphase einbringen. Natürlich ist es unsere Aufgabe, im Sinne der Auftraggeberschaft die Kosten- und Zeiteffizienz mitzudenken.
Spätestens bei der Wahl der Baustoffe stellt sich sowieso die Frage nach dem Ort der Fertigung. Vorgefertigte Holzmodule können für ein bestimmtes Projekt die beste Lösung sein, ebenso wie in höherer Stückzahl – oder eben in Serie – produzierte Betonfertigteile. Sie sind aber eben nicht per se die beste Lösung.
Architekten wollen serielles Bauen
Drehen wir das Ganze doch um: Es ist Teil unseres Berufs, unserer täglich geübten Praxis, neue Erkenntnisse in unsere Planungen einzufügen, wenn sie dem qualitätvollen Weiterbauen unserer Städte und Dörfer dienlich sind. Notwendig ist eine breite, fachliche Diskussion über die Potenziale von seriell oder modular hergestellten Bauteilen. Aber immer mit dem Blick auf einfache, baukulturell wertvolle und dauerhafte Lösungen, die zugleich nachhaltig und ressourceneffizient sind.
Die berufspolitische Befragung der BAK von Mitte 2023 hat übrigens gezeigt, dass die Kammermitglieder einer solchen Diskussion aufgeschlossen gegenüberstehen: 69 Prozent der Antwortenden hielten serielles Bauen für (bedingt) sinnvoll, beim modularen Bauen waren es sogar 84 Prozent.
Oliver Platz, Präsident der Architektenkammer der Freien Hansestadt Bremen
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Herr Oliver Platz, das serielle und modulare bauen gabs schon in der Vergangenheit. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie ab den 90er Jahren in den neuen Bundesländern reihenweise die Plattenbauten abgerissen wurden. Weil die Menschen nicht mehr in sowas leben wollten. Obwohl die Platte gelungene Grundrisse hatte.
Die Flucht der Architekten und Planer hin zu seriellen und modularen, industriell gefertigten Bauteilen ist wohl mehr dem nicht mehr existierenden Bau-Handwerk geschuldet!
Denn LEGO bauen hat eben keinen Anspruch bei der Errichtung dieser Bauwerke (ob das Architektur ist lassen wir mal dahin gestellt).
Auch bei Holzbau, wenn wie gewünscht mehr mit Holzrahmenbau als Fertigteil Bau Gebäude errichtet werden soll. Umwelt und Naturschutz sieht anders aus, wenn dadurch die Wälder massiv abgeholzt werden.
Die Deutschen Architekten mutieren immer mehr zu den BORGS, denn widerstand ist zwecklos ihr werdet assimiliert.